Nach Raketeneinschlag: Die Gefahr der Fehleinschätzungen

Seite 2: Fakten und die Möglichkeit des Fehlalarms

Nach einem Telefongespräch mit Duda am Dienstag betonte Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg, es sei "wichtig, dass alle Fakten festgestellt werden". Auch er teilt die Einschätzung, wonach die Rakete "höchstwahrscheinlich" von der ukrainischen Luftabwehr stamme.

Stoltenberg betonte jedoch auch: "Russland trägt die letzte Verantwortung, weil es seinen illegalen Krieg gegen die Ukraine fortsetzt."

Zu hoffen ist, dass nicht nur Journalisten beherzigen, wozu der österreichische Russland-Spezialist Gerhard Mangott rät: "Bitte noch abwarten.(…) Wir brauchen mehr Informationen und weniger Aufregung. Muss mich da selber mehr disziplinieren." Gestern sah Mangott noch Russland in Erklärungsnot. Auch eine Politikerin mit dem Anspruch auf verteidigungspolitische Kompetenz musste zurückrudern.

Heute Morgen noch insistierte der Moderator eines Nachrichtenmagazins des Bayerischen Rundfunks in einem Interview mit der mehrmals wiederholten Frage, ob denn nicht doch der Nato-Bündnisfall durch den Raketenvorfall in Polen gegeben sei. Da war die Frage eigentlich schon durch die unsichere Faktenlage beantwortet.

Der gestrige Raketeneinschlag in Polen zeigt, dass es jederzeit zu Fehlwahrnehmungen, falschen Bewertungen oder Pannen kommen kann. Jeden Tag, den dieser Krieg länger dauert, steigt auch die Gefahr, dass ein Nato-Bündnisfall eintreten kann oder ein Fehlalarm einen Atomkrieg auslöst. Wenn der dritte Weltkrieg und ein Atomkrieg verhindert werden soll, muss jetzt energisch nach Verhandlungslösungen gesucht werden – eine Alternative gibt es nicht!

Angelika Claußen, IPPNW-Vorsitzende