Nach Rollenwechsel von Jennifer Morgan: Greenpeace bleibt kritisch

Bringt sie den "Wind of Change" in die Außenpolitik? Die bisherige Greenpeace-Chefin Jennifer Morgan erhitzt die Gemüter. Foto: Kuhlmann / MSC / CC-BY-3.0-DE

Die ehemalige Chefin der Umweltorganisation wird als Klima-Sonderbeauftragte ins Auswärtige Amt berufen. Entsteht dadurch tatsächlich eine problematische Nähe – und wenn ja, für wen?

Zwischen Greenpeace und dem deutschen Außenministerium gibt es nicht zuletzt in Sachen Friedenspolitik und Abrüstung Differenzen: Die Umweltorganisation fordert beispielsweise, dass der im Koalitionsvertrag vereinbarte Kauf von atomwaffenfähigen Kampfjets gestoppt wird. Außerdem soll die "rot-grün-gelbe" Bundesregierung laut Greenpeace den Atomwaffenverbotsvertrag der Vereinten Nationen unterzeichnen – was sie aktuell nicht tut, weil ein Abschied von der "nuklearen Teilhabe" ihre Nato-Bündnistreue infrage stellen würde.

Die grüne Außenministerin Annalena Baerbock und ihre Partei sind zwar theoretisch auch für eine atomwaffenfreie Welt – ein Bekenntnis zur Nato haben die Grünen aber schon im Wahlkampf zur Bedingung für mögliche Koalitionspartner gemacht. Dank dieser Einstellung kommt auch der Beitritt zum UN-Atomwaffenverbotsvertrag vorerst nicht infrage. Nun holt Baerbock aber ausgerechnet die bisherige Chefin von Greenpeace International, Jennifer Morgan, als Klima-Sonderbeauftragte ins Auswärtige Amt. Wie geht das zusammen?

"Jennifer Morgan hat eine persönliche Berufsentscheidung getroffen und spricht nun nicht mehr für Greenpeace, sondern wird die Positionen der Bundesregierung vertreten", stellte Sabine Beck vom geschäftsführenden Vorstand der Umweltorganisation in Deutschland am Freitag gegenüber Telepolis klar.

Für Greenpeace ändert sich dadurch nichts, wir werden die Bundesregierung auch weiterhin kritisch beobachten und wo nötig auch öffentlich kritisieren.

Aber wir sind sicher, dass Jennifer Morgan auch in ihrem neuen Amt weiterhin eine starke Stimme für Frieden und soziale Gerechtigkeit bleiben wird.


Sabine Beck, Greenpeace Deutschland

Einen Nerv hat Baerbock mit diesem Schachzug ganz sicher getroffen. Sie selbst spricht von einer "Traumbesetzung". Ab dem 1. März arbeite Morgan als Sonderbeauftragte für internationale Klimapolitik und designierte Staatssekretärin im Auswärtigen Amt, dies sei im Kabinett bereits beschlossen worden, erklärte Baerbock bei einer Pressekonferenz am Mittwoch.

Morgan werde als "Steuerfrau" die Klima-Außenpolitik lenken, Partnerschaften mit anderen Staaten ausbauen und den Dialog mit der Zivilgesellschaft weltweit führen – bis zum Abschluss ihrer Einbürgerung als Sonderbeauftragte, dann als Staatssekretärin.

Ein zielgruppengerechter Turn

Wer bei der letzten Bundestagswahl für die Grünen gestimmt hat und von den Klimaschutzplänen im Koalitionsvertrag der Ampel-Regierung enttäuscht war, könnte in dieser Personalentscheidung so etwas wie einen Hoffnungsschimmer sehen – für Unionspolitiker ist die Berufung der bisherigen Greenpeace-Chefin ins Auswärtige Amt ein "höchst eigenwilliger Vorgang".

So drückte es der CDU/CSU-Parlamentsgeschäftsführer Torsten Frei gegenüber der Augsburger Allgemeinen aus. "Dass jetzt internationale Lobbyisten, egal in welcher Sache, die Führung von Bundesministerien übernehmen sollen, finde ich selbst für diese Bundesregierung überraschend", befand CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt gegenüber dem Münchner Merkur.

Auch FDP-Fraktionsvize Lukas Köhler, dessen Partei mit auf der Regierungsbank sitzt, ließ leichtes Missfallen über das Manöver er grünen Außenministerin Annalena Baerbock durchblicken: "Auch wenn ich mich zu einzelnen Personalentscheidungen der Außenministerin nicht äußern möchte, so habe ich doch Verständnis dafür, dass der Wechsel einer Lobbyistin, die in der Vergangenheit mit durchaus radikalen Ansichten in Erscheinung getreten ist, in der Öffentlichkeit auf eine gewisse Verwunderung stößt", sagte Köhler am Mittwoch dem Handelsblatt.

Für die Rechtsaußen-Opposition twitterte AfD-Fraktionschefin Alice Weidel, nicht nur die geplante "Turbo-Einbürgerung" der US-Amerikanerin Morgan werfe Fragen auf, sondern auch die Einstellungspolitik der Außenministerin.

"Es müssen konkrete Taten folgen"

Parteilose Umweltbewegte und Mitglieder der Partei Die Linke machen sich dagegen weniger Sorgen, ob nun zu viel Greenpeace im Auswärtigen Amt steckt. Ihre Sorge ist eher, dass die bisherige NGO-Vertreterin als "Feigenblatt für schlechte Klimapolitik der Ampel" instrumentalisiert werden könnte. "Es müssen konkrete Taten folgen", erklärten daher die Klimapolitiker im Parteivorstand der Linken, Maximilian Becker und Lorenz Gösta Beutin.

"Ein erster Schritt wäre, dass Jennifer Morgan der aktuellen Bundesregierung das Pariser Klimaabkommen als aktuell wichtigstes Dokument der internationalen Klimapolitik noch einmal vorlegt", betonten sie. Sowohl der Koalitionsvertrag als auch das Agieren der Ampel in den ersten Wochen seien Ausdruck von klimapolitischer Verantwortungslosigkeit.

Die Antikorruptions-NGO Transparency International Deutschland sieht in der neuen Rolle von Morgan zumindest kein klassisches Lobbyismus-Problem: "Das Ziel ist, im Außenministerium den Klimaschutz voranzubringen. Dazu braucht man Fachleute", sagte der Vorsitzende Hartmut Bäumer, nach Bekanntwerden der Entscheidung dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). Schließlich gehe es nicht um finanzielle Vorteile für Greenpeace, sondern um ideelle Anliegen. "Das ist der Unterschied zu anderen Verbänden, bei denen Wirtschaftslobbyismus im Vordergrund steht."

Empfohlener redaktioneller Inhalt

Mit Ihrer Zustimmmung wird hier eine externe Buchempfehlung (Amazon Affiliates) geladen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen (Amazon Affiliates) übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.