Nach UN-Urteil: Deutsche Organisationen kritisieren Rüstungsexporte nach Israel
Dutzende Verbände für Stopp von Waffenhilfe. Appell an Deutschlands völkerrechtliche Verpflichtungen. Verfahren vor UN-Gericht anhängig.
In einem offenen Brief an die Bundesregierung haben 37 Organisationen und Netzwerke aus den Bereichen Entwicklung, Frieden, Menschenrechte und humanitäre Hilfe einen sofortigen Stopp von deutschen Rüstungsexporten nach Israel gefordert.
Die Unterzeichner – darunter Amnesty International, Oxfam Deutschland und Terre des Hommes – appellieren an die Verantwortlichen in Berlin, den völkerrechtlichen Verpflichtungen Deutschlands nachzukommen.
Die Forderungen an die Bundesregierung
Die Organisationen richten ihren Appell an Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und weitere Mitglieder der Bundesregierung, die für Rüstungsexportgenehmigungen nach Israel, die Einhaltung völkerrechtlicher Verpflichtungen und die Finanzierung der humanitären Hilfe Deutschlands verantwortlich sind.
Sie fordern die Bundesregierung auf, den Empfehlungen des UN-Menschenrechtsrats und von Experten wie der UN-Sonderberichterstatterin für die besetzten palästinensischen Gebiete, Francesca Albanese, zu folgen und den Export von Rüstungsgütern nach Israel, die in Gaza eingesetzt werden könnten, sofort zu stoppen.
Hinweis auf völkerrechtliche Verpflichtungen
Die Unterzeichner des Briefes verweisen auf die Völkermordkonvention von 1948, die die Vertragsstaaten verpflichtet, alle ihnen zur Verfügung stehenden Mittel einzusetzen, um Völkermord in einem anderen Staat so weit wie möglich zu verhindern.
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Sie betonen, dass jede Lieferung von Waffen oder Munition an Israel, die im Gazastreifen eingesetzt werden könnten, gegen das humanitäre Völkerrecht verstoßen könnte. Dieses Risiko könne nur durch einen Stopp der Waffenlieferungen ausgeräumt werden.
Mögliche strafrechtliche Konsequenzen
Die Mitglieder des Bundessicherheitsrates, die über Rüstungsexporte entscheiden, könnten "individuell strafrechtlich für die Beihilfe zu Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder Völkermord verantwortlich sein", heißt es in einer Einschätzung von UN-Experten aus dem Februar dieses Jahres.
Internationale Verträge und Gerichtsurteile
Der für Deutschland verbindliche Arms Trade Treaty (ATT) und der "Gemeinsame Standpunkt" der EU schreiben vor, dass Ausfuhrgenehmigungen zu versagen sind, wenn die Gefahr besteht, dass mit den gelieferten Rüstungsgütern Verletzungen des humanitären Völkerrechts begangen oder erleichtert werden.
Ein niederländisches Gericht in Den Haag hat am 12.2.2024 entschieden, dass die niederländische Regierung aus diesem Grund "jegliche Ausfuhr und Durchfuhr von F-35-Teilen mit Endbestimmung Israel innerhalb von sieben Tagen nach Zustellung dieses Urteils einstellen" müsse.
Verurteilung von Menschenrechtsverletzungen
Die unterzeichnenden Organisationen verurteilen den brutalen Angriff der Hamas und anderer bewaffneter Gruppen auf Israel am 7. Oktober vergangenen Jahres und erkennen das Recht Israels auf Selbstverteidigung an.
Sie kritisieren jedoch die militärischen Maßnahmen der israelischen Regierung in Gaza, die gegen die Menschenrechte und das humanitäre Völkerrecht verstoßen, darunter die gezielte Bombardierung ziviler Ziele und die unverhältnismäßige Tötung von Zivilisten.
Humanitäre Krise in Gaza
Die Organisationen zeigen sich überaus besorgt über die humanitäre Krise in Gaza. Laut der Integrated Food Security Phase Classification (IPC) vom 18. März 2024 seien alle 2,23 Millionen Einwohner massiv und akuter von Ernährungsunsicherheit betroffen. Die Hälfte der Bevölkerung in Gaza leide unter einer Hungersnot. Im nördlichen Teil von Gaza stehe eine Hungersnot unmittelbar bevor.
Forderungen an die Bundesregierung
Die Unterzeichner des Briefes fordern die Bundesregierung auf, den Export von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern nach Israel zu stoppen, die in Gaza oder im besetzten Westjordanland eingesetzt werden können. Bei diesen Gütern bestehe die Gefahr, dass damit Menschenrechtsverletzungen oder Verletzungen des humanitären Völkerrechts begangen oder erleichtert werden.
Die Unterzeichner fordern einen sofortigen Waffenstillstand und die Freilassung der Geiseln. Zudem appellieren sie an die Bundesregierung, sich dafür einzusetzen, dass Israel die völkerrechtswidrige Blockade des Landweges für substanzielle humanitäre Hilfe für die Zivilbevölkerung in Gaza beendet.
Der Internationale Gerichtshof (IGH) hatte am 30. April einen Antrag Nicaraguas auf vorläufige Maßnahmen gegen Deutschland abgewiesen. Nicaragua hatte Deutschland vorgeworfen, gegen bestimmte internationale Verpflichtungen im Zusammenhang mit dem besetzten palästinensischen Gebiet verstoßen zu haben. Das oberste UN-Gericht kam zu dem Schluss, dass die Umstände derzeit keine vorläufigen Maßnahmen erfordern.
Der Gerichtshof stellte jedoch klar, dass seine Entscheidung in keiner Weise die Frage der Zuständigkeit des Gerichts zur Behandlung der Klage im Hauptverfahren vorwegnimmt.