Nach der Finanzkrise trübt die Rezession die Stimmung an den Börsen
Erste Schritte auf dem Weg zur Verabschiedung der Rettungspakete
Schon am Dienstag hatte die französische Nationalversammlung in Paris dem Rettungspaket für die Finanzmarktbranche mehrheitlich zugestimmt und heute ist der Senat gefolgt. In Deutschland verstummt die Kritik gegen die Pläne nicht, trotzdem zeichnet sich eine Mehrheit im Bundestag und im Bundesrat ab, der am Freitag entscheiden soll. Das Aufatmen an den Börsen ist allerdings nach einem Strohfeuer am Montag schon wieder vorbei. Am Dienstag drehten die Standardwerte in den USA ins Minus und die Finanzmärkte in Europa sind am Mittwoch wieder regelrecht abgestürzt, weil nun die Rezession um sich greift, die nun auch Frankreich fest im Griff hat. Die Zentralbank stellte fest, dass die Wirtschaftsleistung in zwei Quartalen hintereinander geschrumpft ist. In Spanien sollen sich bis zum Ende des Jahres Link auf /tp/blogs/8/117445 aufgestaut haben, womit sich das Madrider Rettungspaket für angeblich stabile Banken erklärt.
Die Uhren schlagen anders in Paris als in Berlin. Das zeigt sich nicht nur daran, dass schon jetzt in Frankreich über den ersten Fall eines gestrauchelten Finanzjongleurs zu Gericht gesessen wird (Affäre Kerviel vor Gericht). Nicolas Sarkozy hat auch schon sein Rettungspaket in einer Höhe von insgesamt 360 Milliarden Euro unter Dach und Fach, das er erst am Montag vorgestellt hatte. Im Eilverfahren hatten es am Dienstag und Mittwoch beiden Kammern des Parlaments beschlossen. Das Paket, das bis auf 40 Milliarden für Eigenkapitalhilfen ebenfalls auf Staatsbürgschaften für Kredite im Rahmen des Interbankenverkehrs beruht, wurde zunächst in der Nationalversammlung verabschiedet und am Mittwoch gab auch der Senat, die zweite Kammer des französischen Parlaments, grünes Licht.
Doch das Ziel von einer Einheit aller Franzosen, also der Zustimmung aller Parlamentarier, verfehlte Sarkozy. Die 23 kommunistischen Parlamentarier stimmten dagegen, die Parlamentarier der Sozialisten und der Grünen enthielten sich, womit das Gesetz nur eine Zustimmung in der Nationalversammlung nur von 224 der 577 Abgeordneten erhielt. Sarkozys "Volksbewegungsunion" (UMP) blieb auch am Mittwoch im Senat allein, allerdings stimmte auch hier nur die PCF gegen den Plan.
Frankreichs Premierminister François Fillon hatte von den Abgeordneten ein "starkes Zeichen für den gemeinsamen Willen" zur Lösung der Finanzkrise gefordert. Bei einer Zustimmung von nicht einmal der Hälfte aller Parlamentarier kann aber davon nicht gesprochen werden. So bemerkten auch Mitglieder der UMP, dass die "Enthaltungen eine Absage an das politische Engagement" seien. Trotz allem bezeichnete Finanzministerin Christine Lagarde das Gesetz als "historisch". Das Paket habe keinerlei "direkte Auswirkungen" auf den Haushalt, merkte der Budgetminister Eric Woerth an. Die Kommunisten (PCF) kritisierten, es handele sich bei den 360 Milliarden um eine "Prämie für die Raubtiere".
Die Debatten waren überlagert von Meldungen, wonach Frankreich nun offiziell in die Rezession abgerutscht ist und sich in den Kreis von Irland und Dänemark begeben habe, die schon offiziell eingeräumt hatten, dass in ihren Ländern in zwei aufeinander folgenden Quartalen die Wirtschaftsleistung geschrumpft ist. Das hat nun die Zentralbank verkündet und damit hat die Banque de France (BdF) ihre kürzliche Schätzung nach unten korrigiert. Schon im zweiten Quartal war das Bruttoinlandsproduktes (BIP) um 0,3 % geschrumpft. Auch im dritten Quartal werde die Wirtschaftleistung schrumpfen, schloss sich die BdF nun einer Prognose des Statistikinstituts Insee an.
Auch wenn sich in Frankreich keine vergleichbare Immobilienblase wie in den USA, Großbritannien, Irland oder Spanien aufgeblasen hat, steckt auch Frankreichs Immobilienmarkt in der Krise. Die Immobilienpreise fallen deutlich und einige Banken rechnen damit, dass sie bis 2010 sogar um bis zu 25 % sinken könnten. Die zögernde Kreditvergabe und die gestiegenen Zinsen sind in Frankreich zudem wichtige Gründe, warum viele Verkäufe nicht getätigt werden. Anders als in Spanien wird es hier aber nicht zu großen Kreditausfällen kommen, weil die Zinsen fast immer zu einem festen Zinssatz vergeben werden und die Käufer nur ein Drittel des Einkommens zur Kreditrückzahlung verwenden dürfen. Wegen der Unsicherheit, gestiegener Preise und hoher Inflation lassen viele in Frankreich nun die Finger von Immobilien. Viele spekulieren auf weiter fallende Preise und das löst einen Schneeball-Effekt aus, der die Bauwirtschaft in Mitleidenschaft zieht.
Auch Deutschland steht vor der Rezession, steigende Arbeitslosenzahlen drohen
Auch Deutschland steht wie erwartet vor einer Rezession, das hat nun auch das Herbstgutachten vorhergesagt. Nach Angaben der führenden Wirtschaftsforschungsinstitute haben sich Wachstumsaussichten mit der Zuspitzung der Lage an den Finanzmärkten deutlich verschlechtert. Deutschland als Exportnation sei vom internationalen Abschwung besonders betroffen, weil vor allem die Nachfrage nach Investitionsgütern zurückgehe. "Der größte Unsicherheitsfaktor der Prognose besteht im Ausmaß und der Dauer der Finanzkrise an den internationalen Finanzmärkten“, heißt es in dem Gutachten. In den ersten drei Monaten dieses Jahres wuchs das BIP noch um 1,3 %, doch schon im zweiten Quartal schrumpfte es um 0,5 %. Zwar gibt es noch keine Zahlen für das dritte Quartal, doch wird davon ausgegangen, dass es erneut kein Wachstum gab, weshalb dann von einer Rezession gesprochen werden muss.
Düster werde die Lage 2009. Statt mit 1,4 % Wachstum, das zuvor prognostiziert worden war, wird nur noch mit 0,2 % gerechnet. Dabei wird von einem optimistischen Szenario gesprochen. In einem "Risikoszenario" wird davor gewarnt, dass die Wirtschaftsleistung 2009 sogar um 0,8 Prozent schrumpfen könnte. "In diesem Fall geriete Deutschland in eine ausgeprägte Rezession, wie sie beispielsweise nach dem Ölpreisschock in den 70er und zu Beginn der 80er Jahre zu beobachten war“, heißt es in dem Gutachten. "Das Risiko, dass die geschilderte ungünstigere Entwicklung eintritt, hat sich in den vergangenen Wochen vergrößert", schreiben die Experten. Doch schon beim Positivszenario ergeben sich negative Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt. 2009 würden demnach insgesamt 350.000 Menschen ihren Job verlieren.
Vor diesem Hintergrund debattierte der Bundestag am Mittwoch über die Rettungspläne der Bundesregierung. Dabei kristallisierte sich heraus, dass nur noch die Linkspartei eine grundsätzlichere Kritik daran äußert, dass 500 Milliarden Euro zur Hilfe derer bereitgestellt werden, die das Debakel angerichtet haben. Die Bundesländer wollen ihren Anteil senken und sprechen von Doppelbelastungen, weil sie schon für die Landesbanken haften. Mit einem Appell warb die Bundeskanzlerin in ihrer Link auf /tp/blogs/8/117414 um die Unterstützung für das Paket: "Lassen Sie es mich deutlich sagen, dass die Gefahr noch nicht gebannt ist", sagte Angela Merkel (CDU). Sie appellierte an den Patriotismus und forderte "Zustimmung zu diesem Gesetz, weil es Deutschland dient". Die Weltwirtschaft stehe vor der schwersten Bewährungsprobe seit der Weltwirtschaftskrise, der Finanzmarkt sei fast völlig gelähmt, weshalb nun international gehandelt werden müsse.
Erstaunlich waren die Ausführungen von Finanzminister Peer Steinbrück (SPD), der das Rettungspaket als unverzichtbar bezeichnete. "Wenn es auf den Finanzmärkten brennt, muss gelöscht werden, auch wenn es sich um Brandstiftung handelt", meinte er. Bei Brandstiftung ermittelt üblicherweise die Staatsanwaltschaft und versucht, die Verantwortlichen zu bestrafen. Doch davon sprach Steinbrück nicht. Er will lieber "Brandbeschleuniger verbieten". Dabei rettet der Bund nun die Brandstifter aus dem Haus, das sie selbst angezündet haben und zahlt ihnen auch noch den Neubau. Allerdings soll es für die Hilfen Auflagen bei Gehältern und Boni und Ausrichtung bei der Kreditvergabe geben.
Kritik kam auch von der FDP und von den Grünen. Guido Westerwelle (FDP) fragte, warum die parlamentarische Kontrolle sinke, wenn die Summen extrem ansteigen: "Warum sollen die Notverordnungen vollständig am Parlament vorbeigehen, warum soll die Kontrolle des Bundesrechnungshofs in weiten Teilen ausgeschlossen sein?" Die FDP wollte auch wissen, wie eine Rückzugsstrategie aussehe und wie die Regierung davon ausgehen könne, dass dieses Gesetz keinen spürbaren Zinseffekt habe und sich nicht negativ auf die Verbraucherpreise auswirken werde.
Als "Murks" bezeichnet der Grünen-Fraktionsvorsitzende Fritz Kuhn den Gesetzesentwurf. "Wir haben um das Ob nicht zu streiten, aber wir haben um das Wie zu streiten", erklärte Kuhn. Er kritisierte, dass die private Seite nicht wirklich in Anspruch genommen werde. Die Bankmanager, die wesentliche Teile des Privatvermögens auch in Aktien in den Instituten angelegt haben, müssten damit haften, bevor der Staat einspringe. Für die Linkspartei kritisierte deren Chefökonom Oskar Lafontaine das Gesetz grundsätzlich: "Wir sind unter der Kontrolle der Finanzmärkte" und man werde auch weiterhin von ihnen beherrscht.
Dass es keinerlei Garantie gibt, ja es sogar sehr zweifelhaft ist, dass diese Rettungsaktivitäten wirklich die Probleme lösen, das sagte auch Lafontaine nicht. Dabei hätte den Parlamentariern auffallen können, dass die Börsenkurse schon wieder in den freien Fall übergehen. Nach den negativen Vorgaben aus den USA, wo schon am Dienstag die Kurse wieder ins negative gedreht hatten, verlor der deutsche Leitindex am Mittwoch 6,5 % und schloss mit 4861 Punkten. Es war zu erwarten, dass die Börsenkurse nach dem Strohfeuer am Montag, als die gesammelten Rettungspläne der EU-Staaten in Billionenhöhe angekündigt wurden, wieder abstürzen würden. So geschah es auch in den USA, weil auch die Börsianer wissen, dass die Pakete nicht an die Wurzel gehen. Was sie aber nicht wissen, ist, wie viel faule Kredite noch tief in den Büchern der Banken schlummern oder sich im Rahmen der Finanzkrise und Rezession noch entwickeln.
Dass die USA nach dem Einsatz von 700 Milliarden US-Dollar nun auch direkt bei den Banken einsteigt und sie teilweise verstaatlicht, deutet an, was wohl angesichts dieser Rettungsmaßnahme auch für Europa die Devise gilt: Nach dem Rettungspaket ist vor dem Rettungspaket. Denn alle Pakete haben bisher eines gemein, sie stützen nicht die darbenden Familien. Doch mit der Rezession werden immer mehr europäische Familien zahlungsunfähig und damit werden neue Kredite faul.