Nachfrageschwund durch wachsende Ungleichheit

Seite 4: Konsequenzen für Kapitalanleger

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Als Geldanlagen treten vor allem Schuldentitel und Aktien ins Blickfeld. Daneben gibt es eine Vielzahl anderer Anlageobjekte, die allerdings - mit Ausnahme von Immobilien - keinen Ertrag abwerfen. Ihr Wert beruht auf Knappheit, hat ideellen Charakter oder erklärt sich aus der Hoffnung auf spekulative Gewinne (u.a. Antiquitäten, Kunstgegenstände, Rohstoffe, Derivate). Was geschieht nun, wenn ein permanent wachsender Anteil der Privateinkommen in Kapitalanlagen strebt? Da es nur begrenzt Anlageobjekte gibt, begünstigt die Angebot-Nachfrage-Konstellation die Anbieterseite.

In der Folge steigen Preise und Kurse, jedoch ohne dass sich Angebot und Nachfrage angleichen würden. Dies führt einerseits zu immer neuen Wertrekorden in allen Anlageklassen, andererseits erhöht sich die Volatilität. Die Ausschläge sind desto heftiger, je mehr "Glücksritter" mit geliehenem Geld einsteigen. Private Großanleger und Fondverwalter ziehen bei dem fortwährenden Auf und Ab in der Regel den Längeren. Kleinaktionäre wie auch ahnungslose private Anbieter von Wertgegenständen werden hingegen systematisch geprellt. So vollzieht sich eine Konzentration des Anlagevermögens, die jener in der produktiven Wirtschaft in nichts nachsteht.

Angesichts des andernfalls drohenden wirtschaftlichen Kollapses werden die Zentralbanken weiterhin direkt oder indirekt über Offenmarkt- und Kreditgeschäfte Staatsanleihen erwerben müssen. Wenn die durch Monetarisierung der Staatsschulden kreierten Geldmittel auch zeitweilig den Konsum stärken und sogar in gewissem Umfang Investitionen in Gang bringen, so werden sie früher oder später unweigerlich in den Kapitalmarkt drängen. Zudem ist anzunehmen, dass ein Teil der Neuverschuldungsbeträge direkt der Kapitalseite zugeschanzt wird.

Die Wirtschaft wird nur noch bescheiden wachsen, wenn nicht gar stagnieren oder schrumpfen. Für die Unternehmen wird es immer schwieriger sein, die Gewinnmargen zu erhöhen oder auch nur zu halten. Die Zinserträge für Anleihen sind bereits jetzt auf ein historisches Tief gesunken. Der ständige Zustrom neuer Finanzmittel auf den Kapitalmarkt wird die Preise der Anlageobjekte weiter in die Höhe treiben. Für Anlagen, die in Gestalt von Dividenden, Zinsen oder Mieten regelmäßig Erträge erwirtschaften, besteht die kuriose Situation, dass zwar die Werte der Objekte steigen, die Gewinne hingegen relativ oder sogar absolut sinken. So klagen bereits jetzt institutionelle Anleger, die für gewöhnlich allzu hohe Risiken meiden, über Schwierigkeiten, die angepeilten Renditen zu erreichen.

Was sich hier in der Praxis vollzieht, ist der "tendenzielle Fall der Profitrate", der für Karl Marx eine der zentralen Schlussfolgerungen in seiner Analyse des Kapitals war. Allerdings werden die Kapitalanleger durch die nominal steigenden Werte quasi entschädigt und gleichzeitig in ihrer exklusiven Lage zunehmend abgeschirmt. Potentielle Newcomer können erfolgreich abgeblockt werden, da die Anlageobjekte für sie einfach zu teuer werden. Zusammen mit Entscheidungsträgen aus Politik und Wirtschaft verfügen sie über eine nie zuvor gekannte Machtfülle. Diese wird ihnen keiner streitig machen können, solange das gegenwärtige Wirtschafts- und Finanzsystem Bestand hat.

Natürlich gibt es auch eine Alternative. Diese wäre eine Politik der Umverteilung, die dafür Sorge trüge, dass weder potentielle Investoren noch die Konsumentenseite bevorzugt würden. Zentrales Instrument wäre ein System der Besteuerung, das beiden Parteien im erforderlichen Umfang Finanzmittel belassen bzw. zuteilen würde. Ein solches Szenarium ist gegenwärtig unrealistisch, zumal da es durch globale Absprachen flankiert sein müsste oder einer strengen Reglementierung auswärtiger Kapital- und Warenströme bedürfte. So erscheinen Quantitative Easing und Niedrigzinspolitik zumindest für eine Übergangszeit als einzige Lösung.