Nachfrageschwund durch wachsende Ungleichheit
Seite 2: Anlagenotstand infolge mangelnder Konsumnachfrage
- Nachfrageschwund durch wachsende Ungleichheit
- Anlagenotstand infolge mangelnder Konsumnachfrage
- Verschuldung ohne Ende
- Konsequenzen für Kapitalanleger
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Die bisherigen Betrachtungen zusammenfassend können folgende Verwendungszwecke für Einkommen unterschieden werden:
- Durch den Erwerb von Konsumgütern werden Voraussetzungen zur Bedürfnisbefriedigung geschaffen. In dessen Folge verschwinden sie aus dem Wirtschaftskreislauf. Langlebige Produkte können im gebrauchten Zustand erneut in den Handel gelangen, aber mit der Zeit strebt ihr Verkaufswert gegen null.
- Investitionstätigkeit dient dem Ziel, zusätzliche Einkünfte zu generieren bzw. das bestehende Einkommensniveau zu sichern. In Privatunternehmen erfolgt der Mitteleinsatz nach Rentabilitätskriterien, d.h. die Investition muss sich amortisieren. Bei harter Konkurrenz oder bei einem erzwungenen Einsatz neuer Technologien sind zuweilen auch Verluste in Kauf zu nehmen, allerdings dürfen diese die Gesamtbilanz nicht übermäßig beeinträchtigen.
- Finanzmittel, die nicht für den Konsum oder für Investitionen eingesetzt werden, fließen allgemein in gewinnträchtige Anlageobjekte. Kleinere Summen werden zudem auf Girokonten und in Sparverträgen gehalten, auch werden zuweilen Privatkredite vergeben. Größere Kredite von Staaten, Gemeinden und Unternehmen werden meist verbrieft, wodurch sie zu handelbaren Wertpapieren werden.
Wachsen nun die Einkommen potentieller Konsumenten langsamer als jene Einkommen, die in Investitionen und andere Kapitalanlagen drängen, dann wird es zunehmend schwieriger, lukrative Objekte für die anlagesuchenden Geldbeträge zu finden. So mehren sich in letzter Zeit Klagen über einen sich verschärfenden Anlagenotstand.
Diesem Tatbestand wird offenbar sowohl unter Kritikern als auch unter Verteidigern des Kapitalismus zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt. So befindet sich Karl Marx mit der neoklassischen Sichtweise durchaus auf einer Linie, wenn er postuliert, dass der Verwertungszwang das Kapital in produktive Anlagen treibe, was dann unweigerlich zu einer Überproduktionskrise führe. Das Überangebot an Waren würde auf eine begrenzte Kaufkraft stoßen, in dessen Folge die Preise purzelten und Unternehmen mit geringerer Produktivität keine Gewinne mehr erzielen könnten. Fallende Preise würden die Konsumentenseite stärken und die Kapitalerträge schmälern. Die Schließung verlustbringender Produktionsstätten würde zwar ihrerseits die Lohnsumme senken, gleichzeitig bedeute sie aber Vernichtung von Kapital. Durch diese "Bereinigung" würde die Relation von in den Konsum strebenden und für produktive Zwecke bereit stehenden Einkommen ins Lot gebracht werden, sodass ein neuer Zyklus beginnen könne.
Die aktuelle Wirtschaftsentwicklung entspricht offensichtlich nicht diesem theoretischen Modell. Dies dokumentiert anschaulich der dramatische Rückgang der Investitionstätigkeit, wie der folgenden Grafik zu entnehmen ist. Angesichts des Überangebots anlagesuchender Finanzmittel hätte aus Sicht der "Klassiker" das Gegenteil eintreten müssen.
Nicht einmal ein Zinsniveau nahe Null vermag potentielle Investoren zu aktivieren. Doch dies ist eigentlich nicht erstaunlich. Infolge des fortschreitenden Konzentrationsprozesses, der seit der Aufgabe nationaler Kapitalverkehrskontrollen in den 1980er Jahren eine globale Dimension erreichte, verfügt eine begrenzte Anzahl von "Global Playern" in ihren jeweiligen Branchen über eine marktbeherrschende Stellung. Zwar stehen supranationale Konzerne weiterhin in Konkurrenz zueinander und sind bemüht, eigene Stärken auszuspielen und Marktanteile zu gewinnen. Jedoch werden Überproduktion und Preiskriege weitgehend vermieden. Man stelle sich etwa ein Fußballteam vor, in dem sich ein Starspieler veranlasst sieht, mannschaftsdienlich zu spielen, wohl wissend, dass dies zuweilen seinem Marktwert abträglich ist, aber dem Verein und damit auch ihm auf längere Sicht nützt.
Mithilfe moderner Informationstechnologien können sich Marktakteure jederzeit einen umfassenden und aktuellen Wissensstand aneignen. So sind sie in der Lage, das Warenangebot zu regulieren und bei Bedarf Investitionen zurückzustellen, um einem drohenden Preisverfall vorzubeugen. Gleichwohl wird schnell identifiziert, wer "ungeschriebene Regeln" verletzt.
Es sind aber nicht nur die ganz Großen, die Vorsicht walten lassen. Auch beim Mittelstand hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass Investitionen zunehmend Risiken in sich bergen. Insbesondere langjährige Firmeninhaber klagen über Probleme, die sich aus verkürztem Planungshorizont und wachsender Amortisationsdauer ergeben. So finden sich heute immer weniger jene archaischen Strukturen, die den Kapitalismus zu seiner Blütezeit prägten und Joseph Schumpeter zum Gebrauch des Begriffs "schöpferische Zerstörung" veranlassten.
Sinkender Konsum durch Investitionen zur Kosteneinsparung
Der signifikante Rückgang der Investitionstätigkeit wird von Ökonomen und Politikern gewöhnlich als eine der Hauptursachen für schwaches Wirtschaftswachstum angesehen. So versprechen sie sich von verstärkten Bemühungen zur deren Stimulierung eine Zunahme von Beschäftigung und Nachfrage. Doch werden diese Erwartungen erfüllt? Im Folgenden wird aufgezeigt, dass unter Bedingungen zurückgebliebenen Konsums vielmehr das Gegenteil eintritt.
Investitionsgüter werden zur Herstellung anderer Produkte benötigt. Diese wiederum können für Investitions- oder Konsumzwecke bestimmt sein. Jede Investition dient daher unmittelbar oder mittelbar der Konsumgüterproduktion. Bei jedem Schritt von einer Investitionsebene auf die nächsthöhere bis schließlich zum Konsumgut muss der Output den Input wertmäßig übertreffen, soll der Mitteleinsatz für das betreffende Unternehmen gewinnbringend sein.
Investitionen lassen sich in drei Kategorien unterteilen, die meist gleichzeitig, wenn auch zu jeweils unterschiedlichen Anteilen, Anwendung finden:
- Ersatzinvestitionen, die für den Fortbestand der Produktion zu gleichen Konditionen vorzunehmen sind
- Investitionen zur Erhöhung des Wertausstoßes, d.h. Vergrößerung der Produktmenge oder Verbesserung von Eigenschaften und Qualität der Produkte
- Investitionen zur Kosteneinsparung, d.h. Effektivierung der Produktionsabläufe sowie Senkung der Beschaffungskosten bei Rohstoffen und Halbfertigwaren wie auch der Produktionskosten durch Einsparung von Löhnen und Material.
Ersatzinvestitionen sind in gewissen Zeitabständen unumgänglich. In deren Bereich gehört auch die Wartung der Anlagen. Für die Ausweitung der Produktion bzw. für deren Wertsteigerung durch Produktinnovation bedarf es neuer Kunden. Auch wenn ein Betrieb nur Investitionsgüter produziert, muss dennoch der Konsumentenmarkt wachsen, da sie wertmäßig Eingang in irgendein Endprodukt finden. Um also rentabel zu sein, benötigen wertsteigernde Investitionen in ihrer Gesamtheit eine Zunahme der kaufkräftigen Nachfrage von Konsumentenhaushalten.
Hingegen existieren für Investitionen zum Zweck von Kosteneinsparungen keine derartigen Schranken. Auch bei stagnierender Konsumnachfrage lässt sich, zumal wenn die Branche des Produzenten oligopolistische Strukturen aufweist, eine ansehnliche Zusatzrendite erwirtschaften. Kann das Preisniveau gehalten werden, dann entspricht diese gerade der Verminderung der Produktionskosten.
Die Möglichkeiten von Kosteneinsparungen sind vielfältig. So lässt sich der Nutzungsgrad des Produktionsapparats durch technologische Erneuerungen, bessere Organisation, eine Verminderung von Ausschuss und Stillstandzeiten sowie sachkundigerem Umgang mit den Produktionsmitteln erhöhen. Ist dieses Potential ausgeschöpft, richtet sich der Blick auf die laufenden Kosten, also jene der Ausgangsmaterialien und Löhne.
Zweifellos profitiert ein Unternehmen von heftiger Konkurrenz unter den Anbietern von Rohstoffen und Halbfertigwaren. Es bringt ihm Vorteile, wenn diese geschürt wird, wobei neben wirtschaftlichen auch politische Hebel in Gang gesetzt werden können. Ein hoher Arbeitslosensockel sowie die Globalisierung der Kapital- und Warenströme bieten ein günstiges Umfeld, um Lohnkosten einzusparen. Während Outsourcing etwa von Reinigungs- und Wachdiensten sowie bei der Logistik für nahezu alle Produzenten in Frage kommt, profitieren von einer Verlagerung in Billiglohnländer insbesondere arbeitsintensive Branchen.
Jeder Ersatz eines gut bezahlten Beschäftigten durch einen Geringverdiener vermindert - bedarfsweise global betrachtet - die Konsumenteneinkommen um den Betrag der Lohndifferenz. Von den dadurch erzielten Gewinnen profitieren Aktionäre. Da diese in der Regel Großverdiener sind, wird Konsumnachfrage unter dem Strich vernichtet. Denselben Effekt hat aber auch jede andere Form der Kosteneinsparung. Organisatorische Verbesserungen und die Anwendung neuer Technologien ermöglichen die Freisetzung eines Teils der Belegschaft. Im Fall der Verbilligung von Ausgangsmaterialien können Leidtragende die Regierungen in Entwicklungsländern sein (Die weltweite Ausbeutungspyramide am Beispiel Afrika), die wegen gesunkener Exporterlöse Infrastruktur- und Sozialprojekte aufgeben müssen, oder auch heimische Lieferanten, die mit ausländischen Anbietern nicht preislich konkurrieren können.