Nächstes "schwarz-grünes" Debakel: Kampf um Fechenheimer Wald geht in heiße Phase

Seite 2: Fechenheimer Wald – ein Hot Spot der Artenvielfalt

Bei dem umkämpften Stadtwald handelt sich um einen so genannten Sternmieren-Eichen-Hainbuchenwald auf feuchtem Aueboden. In ihm dominieren Stieleichen, Hainbuchen, Feld-Ahorn, Esche, Hasel, Pfaffenhütchen und Vogelkirsche. Neben Buschwindröschen blühen Große Sternmiere, Wald-Segge, Zittergras-Segge, Kleine Goldnessel, Wald-Ziest, Wald-Knäuelgras und Erdbeer-Fingerkraut.

Im Alt- und Totholz siedeln Heldbockkäfer, Eremit und Hirschkäfer. Zahlreiche Insektenarten bieten Nahrungsgrundlage für Bechstein- und Nymphenfledermaus sowie für Mittelspecht, Grau- und Schwarzspecht, Hohltauben und viele andere Vogelarten.

Bei einer Kartierung im Jahr 2009/10 wurden 42 Vogelarten nachgewiesen, darunter sechs Spechtarten, 18 Arten waren gefährdet. Neben typischen Stadtbewohnern fanden sich Bewohner von parkartigem Offenland sowie an alte Laubwälder gebundene Arten.

Die Erdkröte ist hier ebenso heimisch wie Grasfrosch, Bergmolch, Blindschleiche und Waldeidechse. Forscher zählten 16 Libellenarten. Besonders häufig wurde die Keilflecklibelle (Anaciaeschna isosceles) beobachtet, die in Hessen vom Aussterben bedroht ist. Wird der Wald zerschnitten, leiden Fledermäuse und viele andere Tierarten darunter.

Alte, artenreiche Wälder sind besonders wertvoll, denn sie reinigen und speichern Wasser, reinigen Luft und erzeugen Sauerstoff und speichern Kohlenstoff sowohl in der oberirdischen und unterirdischen Biomasse (Holz, Laub/Nadeln, Wurzeln) als auch im Boden.

Naturnahe Wälder mit ihren vielfältigen heimischen Baumarten sind widerstandsfähiger gegenüber dem Klimawandel als artenarme Forstbestände, weiß Julia Krohmer von der Senckenberg Gesellschaft. Mischwälder wie der Fechenheimer Wald sind besonders resilient, also widerstandsfähig gegenüber Witterungsextremen. Dennoch sind sie anfällig gegenüber Trockenheit, vor allem bei sinkdendem Grundwasser.

Die Wasserentnahme aus dem Stadtwald und den umliegenden Entnahmegebieten ist prekär, mahnte Wolf-Rüdiger Hansen vom BUND Kreisverband Frankfurt, auf einer Demo im Mai 2022. Er ist besorgt, dass wegen der gigantischen Baugruben Grundwasserspiegel sinken und der Fechenheimer Wald, Riederwald und Teufelsbruch Schaden nehmen könnten. Wenn die Bäume keine Zugriff aufs Wasser mehr haben, werden die restlichen Bäume um Frankfurt dann sterben? Immerhin sind mehr als 90 Prozent der Bäume in der Stadt infolge der Klimaerwärmung schwer geschädigt.

Der Kampf für eine bessere Klimapolitik geht weiter

Wie kann es sein, dass in einer Zeit des massiven Baumsterbens immer mehr Wald für Autobahnen geopfert wird, weil 50 Jahre alte Baupläne umgesetzt werden müssen? Im 21. Jahrhundert dürfen keine Autobahnen neu gebaut oder ausgebaut werden, erklärt Alexis Passadakis, Aktivist bei Ende Gelände Frankfurt. Das sei weiteres Öl ins Feuer in der Klimakrise.

Um das zu verhindern, besetzen sie den Wald. In Frankfurt protestierten am ersten Januar-Wochenende rund 500 Menschen gegen den Bau des geplanten Riederwaldtunnels. In den nächsten Tagen werden weitere Demonstrationen erwartet.

Sollte der Frankfurter Wald geräumt und gerodet werden, könnten sich ähnliche Szenen abspielen wie vor zwei Jahren im Dannenröder Forst bei Stadtallendorf. Dort sind mittlerweile auf der gerodeten Schneise die Bauarbeiten in vollem Gange. Wenn auch nicht immer störungsfrei: Anfang Juni drangen Unbekannte in das Gelände ein, zerstörten Fahrzeuge, zerschnitten Leitungen, bohrten Öltanks auf und klauten Fahrzeugschlüssel. Die Polizei schätzte den Schaden auf eine sechsstellige Summe.

In dem kleinen Ort Dannenrod haben sich unterdessen seit der Räumung rund zwanzig Aktivisten niedergelassen. In einem alten Gasthof veranstalten sie Workshops und planen Protestaktionen. Es fühle sich falsch, nach der Räumung den Ort zu verlassen, nur weil die Bäume weg sind, erklärt eine der Zugezogenen im Interview. Und:

Wir stehen nicht nur für diese Bäume, sondern für eine ganze Wende, letztlich für eine ökologische Revolution.

Das gäst-innenhaus soll ein Ort werden, an dem "eine sozial-ökologische und klimagerechte Transformation erprobt und gelebt werden kann", versprechen die Aktivisten auf ihrer Website. Hier soll politischer Aktivismus gelebt und Wissen geteilt werden.

Dannenröder Forst und Fechenheimer Wald sind nur zwei Beispiele für Wälder und Biotope, die vernichtet wurden oder vernichtet werden sollen, weil sie Straßenbauprojekten im Wege stehen.

Gleichzeitig stellen sich immer mehr Menschen quer, installieren Baumhäuser, leisten Widerstand, sind Sand im Getriebe. Kein Geld der Welt, keine neue Straße und kein Wirtschaftswachstum kann uns eine saubere Atemluft, verfügbares Trinkwasser und Biodiversität ersetzen. Das begreift jedes Kind. Nur bei politischen Entscheidungsträgern ist die Botschaft offensichtlich noch nicht angekommen.