"Nährboden für religiösen Fanatismus"

Vorabveröffentlichungen einer Studie über junge Muslime in Deutschland geben CSU-Politikern die Gelegenheit, das bewährte Stimmungspaket "Islam, Integration, Gewaltbereitschaft" neu zu öffnen

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Eine ganze Zeit war es relativ still geworden um das Reizthema "Integrationsbereitschaft von Muslimen". Der Rettungsschirm, Griechenland und die Affäre Wulff hatten das Thema zur Seite gedrängt. Das ändert sich nun gerade wieder. Noch ist die Studie im Auftrag des Bundesinnenministeriums mit dem Titel "Lebenswelten junger Muslime in Deutschland" gar nicht erschienen - sie soll erst heute vorgestellt werden - , doch haben vorab veröffentlichte Ergebnisse CSU-Politiker zu Kommentaren veranlasst, die das Stimmungspaket "Islam, Integration, Gewaltbereitschaft" wieder unters Volk bringen.

Den Auftakt dazu liefert die Bild-Zeitung, der die Studie "exklusiv vorliegt". Bereits gestern hatte sie damit begonnen, in typischer Weise knapp gefasste Ergebnisse der "Schockstudie" zu veröffentlichen. So soll die Studie herausgefunden haben, dass 24 Prozent der Muslime zwischen 14 und 32 Jahren in Deutschland, die keinen deutschen Pass haben, durch folgende Eigenschaften auffallen: "streng Religiöse mit starken Abneigungen gegenüber dem Westen, tendenzieller Gewaltakzeptanz und ohne Integrationstendenz".

Nur 52 Prozent der nicht-deutschen Muslime befürworten laut Studienexzerpte der Bildzeitung Integration, 48 Prozent würden "starke Separationsneigungen". Die Zeitung gibt auch gleich im Untertitel die große Verallgemeinerungstendenz vor: "Junge Muslime verweigern Integration".

Der CSU-Bundestagsabgeordnete und innenpolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Hans-Peter Uhl, nahm den Ball auf und sprang damit auf das nächste Verallgemeinerungs-Spiellevel - mit einer Äußerung, die das Studienexzerpt mit der Bedrohung durch Terrorismus verknüpft:

Diese Integrationsverweigerung muss nicht, aber kann den Nährboden für religiösen Fanatismus und Terrorismus darstellen.

Hans-Peter Friedrich; Quelle; Lizenz: CC-BY-SA-3.0

Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) warnt gegenüber der Bild-Zeitung vor einem "Import autoritärer, antidemokratischer und religiös-fanatischer Ansichten", der nicht zu akzeptieren sei:

Wer Freiheit und Demokratie bekämpft, wird hier keine Zukunft haben - dies klarzumachen, ist die Aufgabe eines jeden.

Ein Satz, der eher für Wahlkampfreden taugt, als dass er sich mit den Studienergebnissen auseinandersetzt. So drängt sich der Eindruck auf, dass die Studie ganz nützlich ist für jene Konservative, die allgemein anschlussfähig bleiben wollen für ein Milieu rechts der Mitte, das seinen politischen Halt in der Abwehr "islamistischer Gefahren" findet bzw. wo dies ein wichtiges Element der politischen Position ist. Zwar bemüht man sich in offiziellen Stellungnahmen um generelle Abgrenzungen Richtung Rechtsaußen, aber man tut sich schwer, wenn es um konkrete, eindeutige Abgrenzungen geht, wie sich dies auch bei Merkels Zukunftsdialog zeigte Merkels Zukunftsdialog wird von rechts unterwandert - und die Kanzlerin schweigt:

Anstatt Gerüchten, die den Islamhassern in die Hände spielen, entgegenzutreten, schweigt die Kanzlerin und das Bundespresseamt, welches die Aktion betreut. Man lässt den braunen Spuk einfach laufen.

Man darf nun gespannt sein, wie die Ergebnisse der Studie im Detail aussehen und wie darüber diskutiert wird. So kritisierte der integrationspolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Serkan Tören, der sich ebenfalls auf die Vorabergebnisse stützte, dass die Studie nur Schlagzeilen aber "keinerlei Erkenntnisse" produziere - auf Kosten des Steuerzahlers. Seiner Einschätzung nach geht es auch um Pose: Das religiöse Bekenntnis sei oft nur "eine leere Hülse", die weniger mit gelebter Religion zu tun habe, sondern mit "Provokation und kultureller Abgrenzung".

Update

Mittlerweile ist die Studie auf der Webseite des Bundesinnenministeriums veröffentlicht. Das PDF hat mehr als 700 Seiten - es ist kaum anzunehmen, dass Friedrich oder Uhl sie gelesen und sich näher mit den Ergebnissen befasst haben. Laut einem Bericht des Spiegels betonen die Verfasser, dass man die Ergebnisse der Studie nicht auf alle Muslime in Deutschland hochrechnen dürfe.