Nationalsozial in den Wahlkampf?
Seite 2: Linkspartei ohne Parteilinke
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Im Gegensatz zu den ersten rechtspopulistischen Ausfällen Wagenknechts, die noch für Zoff in der Linken sorgten, herrscht nun in der Partei, die für sich beansprucht, links zu sein, nahezu totale Funkstille. Niemand protestiert mehr, es gibt keine Aufrufe zum Rücktritt der Spitzenkandidatin, der rechte Ungeist scheint auch in der "Linkspartei" hegemonial. Es ist aber mehr als nur ein "Gewöhnungseffekt", der durch die gesamtgesellschaftliche Rechtsentwicklung befördert wird. Dieser "Waffenstillstand", der Wagenknecht nun ihre populistische Ellenbogenfreiheit gewährt, resultiert auch aus wahltaktischen Überlegungen.
Die Linkspartei geht de facto ohne linken Flügel in den Wahlkampf. Wagenknecht ist Vertreterin des national-sozialdemokratischen Populistenflügels, während Bartsch ein Exponent der Realos in der Partei ist, die auf Regierungsbeteiligungen (wie aktuell in Berlin) setzen. Emanzipatorische, gar antikapitalistische Akzente während des Wahlkampfs - der ja während einer tiefen Systemkrise stattfindet - sind von diesem Spitzenpersonal nicht zu erwarten.
Stattdessen zeichnet sich bereits überdeutlich die Arbeitsteilung zwischen diesen beiden mächtigen rechten Flügeln der Linkspartei ab, die Gefahr läuft, zu einem politischen Oxymoron zu verkommen: Einer "Linkspartei" ohne Parteilinke. Der national-soziale Populismus soll die Wählerstimmen heranschaffen, die eine Regierungsbeteiligung der Linkspartei im Bund ermöglichen würden. Während Wagenknecht den Stammtisch fleißig bedienen soll, dürfte Bartsch beständig die Koalitionswilligkeit und Regierungsfähigkeit der "Linken" beteuern. Auf der Strecke wird jedweder Begriff dessen bleiben, was seit der Französischen Revolution als politisch Links bezeichnet wurde: fortschrittliche Politik, die auf die emanzipatorische Überwindung des Bestehenden abzielt.
Stattdessen wird der Blick auf die Vergangenheit fixiert: Der nationale Sozialstaat der 50er bis 70er gilt nun als keynesianisches Ideal - als ob die Krisenuhr der vergangenen Dekaden einfach so zurückgedreht werden könnte. Somit droht der Bundesrepublik im kommenden Jahr ein Wahlkampf, bei dem Sahra Wagenknecht mit Frauke Petry im Wettstreit um die effektivste Absonderung von Ressentiments treten könnte - was die bereits überdeutlich aufziehende reaktionäre Hegemonie in Deutschland zementieren dürfte.
Dass die Linke bei diesem Wettstreit mit der Rechten nur verlieren kann, belegt die deutsche Geschichte, insbesondere die Zeit des Vorfaschismus in der Endphase der Weimarer Republik, eindeutig. Damals war es die Kommunistische Partei Deutschlands (KPD), die den aufstrebenden Nazis durch die Übernahme nationalsozialistischer Argumentationsmuster - etwa im 1930 verabschiedeten Programm zur "nationalen und sozialen Befreiung des deutschen Volkes" - das Wasser abgraben wollte. Die Ergebnisse sind bekannt: Die Massen wählten das braune Original, nicht die rote Kopie.
Zwischen Anbiederei und Populismus
Als ob die damalige kommunistische Tragödie nun als sozialdemokratische Komödie neu aufgeführt werden sollte, will die Linkspartei jetzt offensichtlich mit rechten Sprüchen wiederum rechte Wähler ködern. Anstatt in Opposition zum dominanten reaktionären Krisendiskurs in der Bundesrepublik zu gehen, schwenkt diese Wahlallianz aus Populisten und Opportunisten auf einen stromlinienförmigen Kurs ein, der zwischen Anbiederei und Populismus oszilliert. Der Begriff dessen, was "links" ist, droht somit dem politischen Karrierestreben der Führung der Linkspartei geopfert zu werden.
Zugleich gilt Rot-Rot-Grün in Berlin als Testlauf für eine entsprechende Koalition auf Bundesebene, der die Linkspartei offensichtlich unter Zuhilfenahme rechter Stammtischparolen näherkommen will. Hierbei werden auch Signale in die Linke hinein gesendet.
Als ein genialer Schachzug hat sich hierbei die Ernennung des verdienten Aktivisten und Gentrifizierungskritikers Andrej Holm zum Staatssekretär erweisen. Hierbei werden auch potenzielle Karrierechancen innerhalb einer linken Regierungsmannschaft signalisiert, die gerade im prekären Umfeld der Linkspartei große Anziehungskraft entfalten. Im akademischen Vorfeld der Linkspartei droht somit das große Staatssekretärsfieber auszubrechen, wie einstmals innerhalb der Partei der Grünen am Vorabend von Rot-Grün unter Schröder-Fischer. Die Tendenz innerhalb der vielfältigen Aktivistenszene, notwendige Kritik an diesen national-sozialen Sprüchen Wagenknechts dem potenziellen Karrierekalkül zu opfern, wird so befördert.
Für die verbliebenen Linken innerhalb wie außerhalb der "Linkspartei" stellt sich aber akut die Frage, wie der Widerstand gegen diese rechtspopulistischen Ausfälle zu organisieren ist, der den gesamten Wahlkampf zu vergiften droht. Innerhalb der üblichen Salamitaktik kann davon ausgegangen werden, dass diese rechtspopulistischen Sprüche der Spitzenkandidatin der "Linkspartei" noch zunehmen werden. Angesichts der historischen Erfahrungen, wie auch der weit vorangeschrittenen Krisendynamik, kann Passivität keine Option sein. Dies würde nur die rechte Hegemonie in der Bundesrepublik zementieren.
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