"Nationalsozialismus" ist ein Lügenwort
Seite 3: Wenn die Sprache lügt, gerät die Welt aus den Fugen
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Hier geht es aber nicht um die großen politischen Lügen, sondern um die Ehrlichkeit der Sprache an sich: Bezeichnen die Wörter das, was gemeint ist, oder verhüllen sie dies eher, werten sie ihren Gegenstand unzulässig ab oder auf, grenzen sie bestimmte Gruppen aus oder diffamieren sie sogar? Wäre es um all das gut bestellt, bräuchte es keine Diskussion um Political Correctness und "Gendersprech" und vor allem keine "Unwörter des Jahres".
Die Sensitivität für Wörter, die euphemistisch die Wirklichkeit verzerren oder glatt umlügen, hat zugenommen, aber auch die Erfindung und Verwendung solcher Wörter. Hieß es vor einem Jahrhundert noch brutal und ehrlich "Kriegsministerium", haben heute alle Staaten nur noch "Verteidigungsministerien", Kriege dürfte es also gar nicht mehr geben.
Ähnliche Lügenwörter sind "Freihandel", "Gotteskrieger" (Unwort des Jahres 2001) oder das 2013 von Ingo Schulze zum Unwort vorgeschlagene Wortpaar "Arbeitnehmer / Arbeitgeber". Aber auch die Staatsbezeichnung "Sowjetunion" wurde spätestens 1938 zum Lügenwort, als die Räte (Sowjets) von Stalin endgültig entmachtet waren.
Political Correctness und vor allem Wahrhaftigkeit sind – mit Verlaub – in der politischen Sprache notwendiger und folgenreicher als bei angeblich diffamierenden Benennungen wie "Zigeunersoße" oder "Mohrenstraße". Das Wort "Nationalsozialismus" hat es seltsamerweise nie in irgendeine Liste von Unworten geschafft, es wird in keiner (mir bekannten) Publikation zur Nazisprache (z.B. "Verbrannte Wörter") auch nur hinterfragt, geschweige kritisiert.
Dabei ist es die zentrale Demagogieformel der deutschen Faschisten. Die selbstverständliche und unkritische Weiterverwendung macht das Wort zur Jahrhundertlüge. Deshalb ist es überfällig, seinen demagogischen Gehalt wenigstens durch Anführungszeichen zu kennzeichnen, wenn es denn überhaupt verwendet werden muss.
Laut Ludwig Wittgenstein reicht unsere Welt so weit, wie unsere Sprache reicht (wörtlich: "Die Grenzen meiner Sprache bedeuten die Grenzen meiner Welt.") Woraus sich folgern lässt: Wenn die Sprache lügt, dann gerät die Welt aus den Fugen. Die Sprache markiert die Welt als erfahrbare Landschaft, ihre Wörter sind unsere bevorzugten Wegweiser in einem immer unübersichtlicher werdenden Terrain.
Wenn diese links dort anzeigen, wo eigentlich rechts ist – und umgekehrt –, dann brauchen wir uns über orientierungslos zwischen Querfronten irrende Menschen nicht zu wundern.
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