Nato-Truppen übten die Verteidigung der "Suwalki-Lücke"
Nach Ansicht der Nato könnte Russland versuchen, die baltischen Staaten vom Rest Europas auf dem Landweg zu isolieren, weswegen ein Vordringen von Polen nach Litauen zur Abschreckung trainiert wurde
Nato-Strategen haben die Befürchtung geäußert, dass Russland im Konfliktfall versuchen würde, die baltischen Staaten von der Rest-EU auf dem Landweg abzuschneiden. Im Kalten Krieg war Deutschland das Gebiet, wo ein Überfall erwartet wurde. Man erwartete, dass russische Truppen in die "Fulda-Lücke" bis zum Rhein vorstoßen könnten. Jetzt spricht man von der Suwalki-Lücke, eine Strecke von 100 km von der russischen Enklave Kaliningrad an der polnischen-litauischen Grenze entlang bis zur Grenzstadt Suwalki. Kein Wunder ist, dass nicht nur Kaliningrad hoch gerüstet ist, sondern dass auch die Nato-Truppen hier am dichtesten stationiert werden.
Für die US- und Nato-Strategen gilt diese "Lücke" oder dieser "Gap" deswegen als gefährdet, weil man annimmt, dass Russland womöglich die baltischen Staaten wieder vereinnahmen möchte. Das russische Militär könnte die Verbindung auf dem Landweg zwischen Polen und den baltischen Staaten schließen und diese dann schnell mit Soldaten oder "grünen Männchen" überrollen. Kaum vorstellbar ist, dass Moskau "Appetit" auf die baltischen Staaten hat, die Sorge von Moskau richtet sich wohl eher auf Kaliningrad. Zu der strategisch wichtigen Enklave gibt es keinen Landweg, sie wäre hingegen von Nato-Truppen womöglich isolierbar (Von der Fulda-Lücke des Kalten Kriegs zur Suwalki-Lücke der Nato).
Jetzt haben amerikanische und britische Truppen der Enhanced Forward Presence Battle Group Poland jedenfalls, um auf die angebliche russische Bedrohung hinzuweisen, das erste große Nato-Manöver im Rahmen der Übung "Saber Strike 17" an der polnisch-litauischen Grenze durchgeführt. Das Szenario war die Verteidigung der Suwalki-Lücke. Britische Flugzeuge und US-Hubschrauber übten zusammen mit amerikanischen, britischen, polnischen, lettischen und kroatischen Bodentruppen, einen simulierten Angriff abzuwehren. Einheiten der Enhanced Forward Presence Battle Group Poland "demonstrierten ihre Fähigkeit", wie es beim Europäischen Kommando der US-Streitkräfte heißt, von Polen aus Nato-Grenzen zu überschreiten und während eines "taktischen Straßenmarsches" bis Rukla in Litauen vorzudringen.
Der Oberkommandierende der europäischen US-Streitkräfte, Generalleutnant Ben Hodges, sagte dazu Reuters, dass die Lücke wegen der Geografie kritisch sei: "Es ist nicht unvermeidlich, dass dort ein Angriff stattfinden wird", äußerte er sich gewunden, "aber wenn sie geschlossen würde, gäbe es drei Alliierte im Norden, die potenziell vom Rest des Bündnisses isoliert wären". Das ist viel Konjunktiv, zumal ja nur die Landgrenze möglicherweise blockiert sein würde, über das Meer oder die Luft wären die Partner weiterhin erreichbar. Nach Hodges sei es für die Nato entscheidend, ihre Einsatzbereitschaft zu demonstrieren: "Wir müssen zeigen, dass wir die Verbündeten unterstützen können, um die Lücke offen zu lassen."
Ähnlich begründete Captain Brain Lee, der Kommandeur der Fox Troop, das Manöver, wobei immer auch interessant ist, wie so etwas militärisch formuliert wird: "Die Fähigkeit, Kampfkapazitäten an der europäischen Ostflanke zu massieren und diese von einem Land zu einem anderen zu verlegen und die Suwalki-Lücke zu überqueren zeigt, dass die Battle Group Poland schnell reagieren und manövrieren kann, wenn der Befehl kommt. Es ist wichtig, dass wir als Kollektiv interoperable Streitkräfte haben, die auf Befehl überall hingehen können."
Auch das kann man so wirklich nicht ernstnehmen. An der Übung am Wochenende haben gerade einmal 1500 Soldaten teilgenommen, was Russland nicht groß beeindrucken würde. Es geht um Symbolik, nachte der lettische Brigadegeneral klar, die Übung zeige, "dass die Verbündeten unsere Ängste teilen". Geübt wurde beispielsweise ein verdeckter Einsatz von in der polnischen Stadt Orzysz stationierten US-Soldaten in Litauen mit drei Hubschraubern.
Reuters zitiert Nato-Mitarbeiter, nach denen Russland zusammen mit Weißrussland viel größere Manöver unter dem Namen "Zapad" (Westen) im September durchführen wird. Bis zu 100.000 Soldaten könnten daran teilnehmen. Baltische "Offizielle" tragen dazu das Gerücht bei, dass hier wahrscheinlich auch ein Angriff auf die Suwalki-Lücke geübt würde. Russische Medien berichten, an der Übung "West-2017" würden 13.000 Soldaten teilnehmen. Während eines Treffens der Organisation des Vertrags über kollektive Sicherheit (OVKS bzw. CSTO) sagte der weißrussische Präsident Alexander Lukashenko, man werde trotz des großen Drucks umfangreiche Manöver abhalten. Man bedrohe aber niemanden, man mache nur, was auch "unsere potenziellen Gegner" üben. Es gehe lediglich um die Verteidigung.