Nepal: Ein Jahr zum Vergessen
Seite 2: Der Streit um Amerikas "Millenium Challenge Corporation's Nepal Compact (MCC)"
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- Der Bürger stimmt mit den Füßen ab
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Was passieren kann, wenn ein Vorhaben in Nepals frigiden politischen Prozess hineingezogen wird, bemerken zurzeit ausgerechnet die Amerikaner. Die MCC ist eine staatliche Entwicklungsagentur des US-Außenministeriums, die Zuschüsse an arme Länder verteilt.
Berücksichtigt werden dabei, muss es erwähnt werden, auch Geberinteressen. 2017 wurde der Vertrag über einen Zuschuss (keinen Kredit, sondern "geschenkt") von einer halben Milliarde US-Dollar unterzeichnet. Weil dies tatsächlich der größte soweit bekannte Zuschuss an Nepal ist, verlangen die Amerikaner, dass dieses Abkommen, entgegen den üblichen Gepflogenheiten, auch vom Parlament ratifiziert werden muss. Dort hängen nun 500 Millionen US-Dollar fest.
In der Vergangenheit hat es in Kathmandu niemanden interessiert, wer zu welchen Bedingungen Geld kostenlos zu verteilen hatte. Ob ab den 1950ern der Westen oder die UdSSR, unabhängige Staaten wie die Schweiz oder Schweden, multilaterale Geldgeber oder in jüngerer Vergangenheit vermehrt der ungeliebte Nachbar Indien und immer umfangreicher der schwer auszurechnende Nachbar China, stets galt in Kathmandu die Devise "Geld stinkt nicht". Wohlgemerkt, es geht um Zuschüsse für den Bau von Stromtrassen und Autobahnen, rein zivile Projekte.
Der Ärger begann im Mai 2019, als ein Angestellter des US-Außenministeriums in Kathmandu sagte, MCC sei Teil der Indo-Pazifik-Strategie seiner Regierung. Als ob das laut gesagt werden müsste: Selbstverständlich hat alle amerikanische Politik (und die jedes anderen Landes) eine militärisch-strategische oder wie man defensiver sagt, eine Sicherheitskomponente, das wird bis auf weitere Zukunft sozusagen systemimmanent bleiben.
Der NC unter Deuba vereinbarte 2017 das Abkommen, die UML unter Oli wollte es durchs Parlament bringen. Dort stieß es auf den Widerstand UML-interner Oli-Kritiker, die ihrem Parteichef vorwarfen, das Abkommen würde die Souveränität im Konfliktfall gefährden. Wenn einem Politiker in Nepal nichts mehr einfällt, kommt dieser Joker zum Einsatz. Richtig kompliziert wurde es im Sommer 2020, als Dahal diese Kontroverse als Angriffsmittel gegen Oli einsetzte.
Das Abkommen ist nun völlig politisiert und Sachfragen der Art, ob MCC eine strategische (militärische) Komponente hat oder warum die Amerikaner darauf bestehen, dass das Abkommen vom Parlament unterzeichnet wird, sind irrelevant. Außerdem steckt nun Dahal (CPN-MC) in der Zwickmühle: Im Sommer 2020 lehnte er den MCC im Konflikt mit seinem damaligen NCP-Covorsitzenden Oli ab. Nun soll er ihn mit seinem neuen Koalitionspartner Deuba durchs Parlament befördern.
Wenn Dahal sich sein letztes Gramm Glaubwürdigkeit erhalten will, muss sich Deuba statt an ihn an seinen politischen Gegner Oli wenden. Dieser wiederum hat seinerseits seinen Wählern versprochen, den MCC bei einer Abstimmung durchzuwinken, theoretisch wäre so eine Allianz damit möglich usw. usf.
Ob die Amerikaner noch warten, bis das Projekt im Parlament überhaupt erst mal wieder diskutiert werden kann, ist fraglich. Dabei begrüßt ausgerechnet China, aus zunehmender Sorge um die Stabilität beim kleinen südlichen Nachbarn, explizit jede Form ausländischer Wirtschaftshilfe, darunter wortwörtlich die MCC-Initiative der USA. Solche Details interessieren jedoch nicht mehr im dysfunktionalen Politbetrieb Nepals.
Tödliche Unfähigkeit
Dass Nepals Polit-Elite nicht nur gegen die eigenen Bürger rücksichtslos vorgehen kann, sondern in der Tat auch gegen sich selbst, belegt das Schicksal von Rabindra Prasad Adhikari (UML), dem verstorbenen Bundesminister für Tourismus und Zivilluftfahrt. Am 27. Februar 2019 war er in einem Hubschrauber der Air Dynasty auf Inspektionsreise zu einer neuen Landepiste im Osten des Landes.
An Bord waren außer ihm und dem Piloten der Besitzer von Air Dynasty und vier weitere Passagiere. Es spricht Bände und gegen sämtliche Vorschriften, wenn sich in der sechssitzigen AS 350 B3e mit dem Piloten sieben Personen befanden, darunter der Minister für Zivilluftfahrt.
Richtig gefährlich wurde es jedoch erst, als Adhikari auf die Idee kam, den offiziellen Teil der Exkursion in einen inoffiziellen zu verlängern. In der nahen Umgebung befindet sich im Schatten des Kanchanjunga (8.586 m), des dritthöchsten Berges der Welt, der landesweit bekannte Tempel von Pathibara.
Als die kurze Pilgerfahrt beendet war, hatte allerdings Ostnepals berüchtigter Nebel schon zugezogen. Der Pilot befragte am Boden noch die Leute vor Ort nach den Aussichten, stieg dann in seine Maschine und startete. Nur wenige Augenblicke später stürzte der Helikopter ab, alle sieben Menschen an Bord kamen ums Leben.
Laut einhelliger Meinung von Flugspezialisten und Berufskollegen des Piloten in Kathmandu gibt es nur eine Erklärung: "Flight under pressure" – der Pilot war zum Start von seinen Passagieren genötigt worden. Zum Zeitpunkt des Unglücks herrschte in allen Gebirgsregionen des Landes Nebel, in der Nähe von Taplejung sogar Schneefall.
Es ist zu 99,9 Prozent ausgeschlossen, dass der Pilot aus eigener Überzeugung zum Start überging.