Netzausbau-Dilemma: Wer zahlt den Preis der Energiewende?
Die Energiewende erfordert massive Netzinvestitionen. Kosten treffen bisher vor allem Regionen mit viel Ökostrom. Doch wer trägt künftig die Last der Transformation?
Auf dem Weg zur Klimaneutralität hat sich die Bundesregierung das Ziel gesetzt, bis 2030 einen Anteil von 80 Prozent erneuerbarer Energien am Bruttostromverbrauch zu erreichen. Das bedeutet einen vollständigen Umbau der bisher auf fossilen Energieträgern wie Atomkraft und Kohleverstromung basierenden Stromversorgung.
Dazu kommt noch, dass der Stromverbrauch künftig massiv ansteigen wird, da die Dekarbonisierung in anderen Sektoren ebenfalls mithilfe von grünem Strom erfolgen soll. Beispiele hierfür sind Wärmepumpen und Elektroautos und -Lkws.
Mit dem durch die Energiewende ausgelösten Wechsel von etwa 300 fossilen Kraftwerken hin zu mehreren Millionen volatilen erneuerbaren Einspeisern ist eine Anpassung des heute bestehenden Strommarktdesigns an die neuen Realitäten dringend erforderlich.
Hier stellt sich die Frage, macht man es schnell und einfach und riskiert dabei, politisch gewünschte Entwicklungen wirtschaftlich auszubremsen oder berücksichtigt man die komplexe Struktur und die Tatsache, dass die erneuerbare Stromerzeugung und der Strombedarf regional immer stärker auseinanderdriften?
Warum betrifft das Strommarktdesign den privaten Stromverbraucher?
Der Strom wird auch in Zukunft aus der Steckdose kommen. Dabei ändern sich jedoch die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen. Daraus resultieren dann beachtliche Änderungen bei der Preisgestaltung.
So bezahlen bislang die Regionen mit einer hohen Einspeisung aus Windkraft und Sonne die Kosten für den Ausbau der dafür benötigten Netze. Die Regionen, welche sich aus politisch begründeten Vorbehalten dem Ausbau der zum Ausgleich benötigten Übertragungsnetze verweigerten oder den Ausbau durch die Verpflichtung auf Verkabelung um ein Vielfaches verteuerten, gingen bei der Zuteilung der Netzausbaukosten bislang leer aus.
Da die Netzausbaukosten aufgrund des hochregulierten Marktes derzeit von den Netzbetreibern nur vorfinanziert und nicht aus den aktuellen Einnahmen gestemmt werden, werden diese Kosten auf kurz oder lang mit voller Macht auf die Endverbraucher durchschlagen.
Zeitpunkt und Höhe dieses Effekts können schlecht vorhergesagt werden, weil es sich bei der Transformation der Stromversorgung letztlich gewissermaßen um eine Operation am Herzen bei vollem Bewusstsein handelt.
Bundeswirtschaftsministerium will komplexe Modelle realisieren
Obwohl es Appelle aus der Energiebranche gibt, sich auf das Machbare zu fokussieren und dabei auch größere Verwerfungen in Kauf zu nehmen, wenn davon nur kleinere Player betroffen sind, besteht das BMWK auf einer für möglichst viele gerecht erscheinenden Lösung bei der Reform des Strommarktdesigns.
Mit der "Plattform Klimaneutrales Stromsystem" (PKNS) hat das BMWK im vergangenen Jahr den Dialog und die Einbindung breiter Stakeholdergruppen initiiert um in verschiedenen Arbeitsgruppen und Sitzungen die Frage zur Disposition zu stellen, mit welchen Finanzinstrumenten der massive Zubau der erneuerbaren Energien abgesichert werden kann.
Dominiert wird die öffentliche Debatte dabei von der Herausforderung, dass Deutschland einen Kapazitätsmechanismus benötigt, mit dem das Vorhalten von Kraftwerkskapazität honoriert wird. Wenn es für das Vorhalten von Kapazitäten, auch wenn diese nicht genutzt werden, kein Geld gibt, wird sich kein Marktteilnehmer die Kosten für die Bereitschaft übernehmen.
Erforderlich sind Kraftwerke, die sowohl sinnvoll übers Land verteilt werden, als auch sicher mit dem benötigten Brennstoff versorgt werden können, als auch zusätzliche Speicher, welche die benötigten Flexibilitäten liefern. Zudem müssen alle Flexibilitätspotenziale auf regionaler und lokaler Ebene effizient genutzt werden können.
Energiebranche hat Vorschlag vorgelegt
Die Stromversorger denken traditionell in Stromerzeugungskapazitäten und haben zur benötigten Flexibilisierung schon im vergangenen Jahr einen Plan zum Bau neuer Gaskraftwerke vorgelegt.
Bis 2030 müssen aus Sicht der Netzbetreiber Dutzende neue Gaskraftwerke in Betrieb gehen. Sie sollen als Back-up-Kapazitäten genutzt werden, wenn Wind und Sonne keinen Strom liefern. Doch wer diese Kraftwerke bauen soll, ist unklar.
Diese Reserveerzeugung wird in der Hauptsache im Süden der Republik benötigt, wo die Kapazitäten der Erneuerbaren bislang nur mangelhaft ausgebaut sind, weil sich Anlieger oftmals sowohl gegen eine "Verspargelung" der traumhaft schönen Landschaft durch Windkraftanlagen und die Beeinträchtigung des Ortsbildes durch PV-Anlagen ebenso wehren wie gegen den Bau von Übertragungstrassen zur Versorgung mit Strom aus dem Norden.
Da der Südwesten bis auf Weiteres kein Teil der bundesdeutschen Wasserstoffstrategie ist, wundert es nicht, das hier der Übertragungsnetzbetreiber TransnetBW sowie die Kraftwerksbetreiber Steag und GKM einen eigenen Vorschlag zur Umsetzung der Finanzierung der aus ihrer Sicht benötigten Back-up-Kraftwerke erarbeitet haben.
Die Unternehmen plädieren dafür, einen Neubauvorschuss für diese Kraftwerke einzuführen. Sie fordern, dass die Vergütungen, die schon heute im Rahmen des benötigten Redispatch für Kraftwerkseinsätze zur benötigten Netzstabilisierung gezahlt werden, bereits zum Zeitpunkt der Investition in ein neues Kraftwerk garantiert werden.
Diese Vergütungen könnten dann ohne Risikoabschlag in die Investitionsrechnung eines Kraftwerkbetreibers aufgenommen werden und so die Finanzierung absichern.
Damit könnte man zumindest die Flexibilisierung der Stromversorgung im Süden der Republik mithilfe konventioneller fossiler Technik absichern. Wenn für diese Maßnahmen jedoch auch Laufzeitgarantien gegeben werden müssen, damit sich die Investitionen rechnen, könnte die garantierte Abnahme den realen Bedarf übersteigen, weil die Energiewende nicht wirklich planbar ist.