Netzfragen zur Bundestagswahl: Frankreich und USA waren "deutliche Warnzeichen" für Bundestagswahl

Seite 5: Autonome Fahrzeuge und digitaler Binnenmarkt

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In absehbarer Zukunft fahren Autos in weiten Teilen autonom. Wer soll bei einem Unfall haften? Fahrzeughalter oder Autobauer?

Thomas Jarzombek: Die Haftung wird je nach Automatisierungsgrad unterschiedlich geregelt. Beim hochautomatisierten Fahren gilt: Wenn der Fahrer fährt, übernimmt er bzw. der Halter die Haftung. Waren hingegen die automatisierten Fahrfunktionen aktiviert und das Fahrzeug ist selbständig gefahren, übernimmt der Autobauer die Haftung. Sobald Fahrzeuge vollständig autonom unterwegs sind, wird der Fahrer ebenso vollständig von der Haftung befreit sein. Der Fahrer muss sich sicher sein, dass für ihn keine Nachteile entstehen, wenn er ein automatisiertes Fahrsystem benutzt. Letztlich wird die vollständige Haftung also beim Hersteller des automatisierten Fahrsystems liegen.

Eine Blackbox, die Fahrtprofile und Verhalten von Autofahrern aufzeichnet, soll die Sicherheit der Fahrer, auch im Versicherungsfall, erhöhen. Wägen Sie Vor- und Nachteile einer solchen Einrichtung ab.

Thomas Jarzombek: Mit der Blackbox werden keine Fahrtprofile aufgezeichnet, sie speichert lediglich Uhrzeit und die dazugehörige Information, ob der Fahrer oder das System das Fahrzeug steuert. Daraus können keine Bewegungsprofile erstellt oder abgeleitet werden. Die gespeicherten Informationen sind für den Versicherungsfall unentbehrlich. Sie stellen sicher, dass die Haftung im Falle eines Unfalls klar geklärt werden kann.

Folgendes Szenario: Der Autobauer erhält tagtäglich tausende Fahrzeugdaten automatisch auf seinen Server und weiß genau, welches Auto bei welcher Versicherung versichert ist. Diese Gelegenheit nutzt der Autobauer und verkauft komplett alle ausgewerteten Daten über das Fahrverhalten an die entsprechenden Versicherungen weiter. Ein Szenario, das möglicherweise noch gar nicht bedacht worden ist?

Thomas Jarzombek: Das Szenario ist bedacht worden. Dieses ist jedoch gänzlich unabhängig von der Entwicklung und dem Fortschritt des automatisierten Fahrens. Die Automobilhersteller erhalten auch heutzutage schon viele Daten aus ihren Fahrzeugen. Inwieweit Versicherungen Zugriff auf diese Daten haben und anhand derer auf den Fahrer zugeschnittene individuelle Tarife anbieten können, wird noch Gegenstand künftiger Debatten sein.

Mit dem digitalen Binnenmarkt soll Geoblocking innerhalb der europäischen Union abgeschafft werden. Auch die CDU begrüßt die Abschaffung, doch welche Vorteile ergeben sich dadurch genau für Verbraucher?

Thomas Jarzombek: Ein einheitlicher Rechtsrahmen für die europäische Wirtschaft ist ein wichtiger Eckpfeiler für zukünftiges Wachstum und Beschäftigung in Europa. Mit einem geschätzten langfristigen Wachstum von 500 Milliarden Euro ist die Vollendung des digitalen Binnenmarkts für uns eine klare Priorität. Die Bürgerinnen und Bürger, Arbeitnehmer und Unternehmen sollen in Europa alle Chancen im digitalen Markt der EU nutzen können. Wir begrüßen deshalb die Vorhaben der Europäischen Kommission zur Rolle von Online-Plattformen auf digitalen Märkten, wie etwa Suchmaschinen, soziale Medien, Videoplattformen und App-Stores, eine wichtige wirtschaftliche Rolle. Sie bringen vor allem einen großen Nutzen.

Dennoch werfen sie auch Fragen beispielsweise in Bezug auf ihre Transparenz, die Nutzung von Inhalten und ihre Auswirkung auf den Wettbewerb zwischen Unternehmen sowie mit den Verbrauchern auf. Wir prüfen, ob im Bereich der Online-Plattformen ein zusätzlicher Regulierungsbedarf besteht oder ob wir eine Reihe von Fragen nicht bereits durch die richtige und vollständige Anwendung bestehender europäischer Gesetzgebung lösen können. Ziel ist es, gleiche Wettbewerbsbedingungen zwischen Online-Plattformen und etablierten Spielern auf dem Markt zu schaffen. Auf europäischer Ebene konnten mit der Abschaffung von Roaming-Gebühren und einer verbindlichen Regelung zur Netzneutralität große Erfolge erzielt werden.

Ein wichtiger Aspekt des Digitalen Binnenmarkts ist außerdem die einheitliche Datenschutzgrundverordnung für die gesamte Europäische Union. Die Verabschiedung und Umsetzung der EU-Richtlinie zur Netz- und Informationssicherheit, mit der ein Mindestniveau an IT-Sicherheit in den Mitgliedstaaten sichergestellt werden soll, ist eine sinnvolle Ergänzung des deutschen IT-Sicherheitsgesetzes.

Wodurch können Internetnutzer in Ihren Augen noch durch den digitalen Binnenmarkt profitieren?

Thomas Jarzombek: Mit dem Beschluss des Europäischen Union zur grenzüberschreitende Portabilität von Online-Inhalten im europäischen Binnenmarkt können Verbraucher in Zukunft ihre Online-Inhalte aus dem Heimatland auch bei vorübergehenden Aufenthalten im EU-Ausland nutzen. Damit werden kulturelle Werke einfacher zugänglich sein, ohne territoriale und exklusive Lizenzen und damit auch das gut funktionierende europäischen Filmfinanzierungssystem zu gefährden.

Der digitale Binnenmarkt ist nicht neu. Schon länger werden die Maßnahmen geplant, allerdings scheint sich nicht wirklich etwas zu bewegen. Bis wann ist mit den ersten Gesetzen und Umsetzungen zu rechnen?

Thomas Jarzombek: Die aktuell laufenden Verhandlungen zur Revision der AVMD-Richtlinie über audiovisuelle Medieninhalte werden wir konstruktiv begleiten. Hier sollen die Regeln für das klassische Fernsehen und Online-Medienplattformen angeglichen werden. Wir wollen sinnvolle Regeln für die Medienwelt des 21. Jahrhundert schaffen.