Netzfragen zur Bundestagswahl: Vorratsdatenspeicherung ist "einfach von Grund auf abzulehnen"

Seite 2: Fake News-Debatte

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Fake News sind wahrscheinlich zum Thema des Jahres geworden. Immerhin haben die Falschmeldungen womöglich sogar eine Präsidentschaftswahl beeinflusst. Steht auch die Bundestagswahl im September vor dieser Gefahr?

Petra Sitte: Welchen Einfluss Fake News auf die Wahl von Trump hatten, wissen wir im Moment schlicht nicht. Allerdings hat verzerrte Berichterstattung da definitiv ihre Rolle gespielt. Bei der Bundestagswahl wird auch das eine Rolle spielen. Aber ich glaube nicht in Form einer Überraschung: Dass es am rechten Rand ein stabiles, faktenresistentes und auch durch Falschmeldungen sich selbst bestätigendes Milieu gibt, wissen wir und können wir in den Umfragewerten der AfD ablesen.

"Lügen ist per se nicht verboten. Fake-News, also Falschmeldungen, wurden immer wieder auch von anerkannten Politikern und seriösen Medien verbreitet", heißt es auf Ihrer Website. Sind wir uns hier einig, dass die Linke Fake News demnach nicht als bedrohliches Instrument sieht?

Petra Sitte: Dass Lügen nicht verboten sind, heißt nicht, dass sie nicht bedrohlich sein können. Dafür gibt es genug traurige Beispiele in der Geschichte. Wir nehmen also die Verbreitung von Falschnachrichten als Problem ernst, wir haben nur Zweifel, was sich da mit Verboten sinnvoll erreichen lassen würde.

Sahra Wagenknecht postete Mitte Dezember auf Facebook, dass ein "aus den Reihen der Union gefordertes weiteres Verbot der Verbreitung von Fake-News [...] einer Zensur gleich [kommt] und wird von der LINKEN strikt abgelehnt". Warum sehen Sie das Netzwerkdurchsetzungsgesetz der SPD so kritisch?

Petra Sitte: Das Netzwerkdurchsetzungsgesetz leidet unter vielen Problemen, auch weil es ganz offensichtlich ziemlich übereilt zusammengeschrieben wurde. Die Änderungen daran haben ein paar davon behoben, aber das zentrale Problem bleibt. Ein großer Fehler in der Herangehensweise liegt für uns darin, dass dabei die privaten Unternehmen in die Rolle gedrängt werden, allein darüber zu entscheiden, ob ein Post jetzt rechtswidrig ist oder nicht. Genau das - also dass letztendlich private Monopolisten darüber entscheiden, was sagbar ist und was nicht - ist es aber doch, was wir auf keinen Fall wollen.

Glauben Sie, dass sich mit dem Netzwerkdurchsetzungsgesetz Fake News und Hate Speech eindämmen ließen?

Petra Sitte: Das ist eher unwahrscheinlich. Allein schon deshalb, weil es darin nur um Straftaten geht, darunter auch einige, die mit diesen Problemen gar nichts zu tun haben, wie die Verbreitung pornographischer Schriften. Andererseits ist aber das, was wir "Fake News" und "Hate Speech" nennen, oft gar nicht strafbar. Und wir müssen in einer offenen Gesellschaft auch akzeptieren, dass sich nicht jedes Problem mit dem Strafrecht erschlagen lässt. Wir haben da ein gesellschaftliches Problem und Rechtsdurchsetzung kann nur ein Baustein bei der Lösung sein. Die Defizite, die es da gibt, muss man sich anschauen, natürlich, aber ich setze wenig Vertrauen in das Netzwerkdurchsetzungsgesetz.

Wie sieht es Ihrer Meinung nach mit der Meinungsfreiheit aus?

Petra Sitte: Auch da haben wir Sorgen mit dem Netzwerkdurchsetzungsgesetz. Der Druck, Inhalte ohne genauere Prüfung zu löschen, wird erheblich sein.

Facebook hat im April mit Tipps geworben, wie Fake News leichter erkannt werden sollen. Außerdem will das soziale Netzwerk noch aktiver gegen Falschmeldungen vorgehen. Auch Google startete in Deutschland mit seinem eigenen Faktencheck. Sind diese Maßnahmen geeignet zur Entlarvung und Sensibilisierung der Öffentlichkeit für dieses Thema?

Petra Sitte: Es kann natürlich nicht schaden. Auch die öffentliche Debatte selbst trägt hoffentlich etwas zur Sensibilisierung bei. Auf der anderen Seite wird es weiter einen harten Kern von Menschen geben, die so tief in "alternativen Fakten" stecken, dass sie einen Faktencheck nur als Bestätigung sehen werden.

Ist der Thematik Bots im Social-Media-Bereich durch gesetzliche Maßnahmen zu begegnen und wie könnten diese aussehen?

Petra Sitte: Es gibt da ja verschiedene Vorschläge - angefangen von einer Kennzeichnungspflicht bis hin zu einem Verbot bestimmter Anwendungen. Allerdings ist das, was wir bisher über Wirkung und Bedeutung von Social Bots wissen, noch so dünn, dass wir uns hier noch zurückhalten sollten.

Eine Kennzeichnungspflicht ist mir einerseits sofort sympathisch: Natürlich sollte man ein Recht haben zu wissen, ob man gerade mit einem Menschen oder einem Computerprogramm kommuniziert. Andererseits ist so etwas wohl eher im Kundenservicebereich sinnvoll. Bei sozialen Netzwerken würde es ein erhebliches Durchsetzungsproblem geben. Wenn zum Beispiel Facebook jetzt schon nicht in der Lage ist, das Bot-Verbot in seinen AGBs durchzusetzen, bringt es nichts, über Kennzeichnung zu reden.

Das Internet ist mehr noch als andere Medien ein Spiegel der Meinungs- und Redefreiheit in einer Gesellschaft. Können gesetzliche Maßnahmen zur Regulierung von Bots unter diesem Gesichtspunkt als legitime Schritte gesehen werden?

Petra Sitte: Ein Eingriff in die Freiheit Bots einzusetzen ist auch ein Eingriff in die Redefreiheit. Das ist gar keine Frage. Damit das legitim ist, muss es also immer um einen Ausgleich mit anderen ebenso legitimen Rechten gehen.

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