Netzzensur

Französische Firmenchefs verhaftet

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Was sich vor einigen Monaten in Deutschland ereignete, als Compuserve 300 Newsgruppen sperrte, wiederholt sich nun in noch drastischerer Form in Frankreich.

Dienstag und Mittwoch letzter Woche (6.u.7.Mai) wurden die Leiter der französischen Internet Provider World-Net und France-Net von der Polizei vorübergehend festgenommen und das Equipment der Firmen beschlagnahmt, weil sie den Zugang zu Newsgruppen ermöglichten, über die kinderpornographische Inhalte verbreitet wurden. Um es in aller Deutlichkeit zu sagen: World-Net und France-Net waren nicht die Erzeuger dieser Inhalte, sondern haben ihren Kunden den Zugang zu dem Gros der weltweit vorhandenen Usenet Newsgruppen ermöglicht. Sie wurden damit für Inhalte verantwortlich gemacht, die fern außerhalb ihres Einflußbereichs ins Internet gestellt wurden.

In einem Akt der vorauseilenden Selbstzensur hatte der Dachverband der französischen Internet Provider A.F.P.I vor einigen Wochen beschlossen, von sich aus alle Newsgruppen zu sperren, deren Name bereits auf zensurverdächtige Inhalte verweist, wie z.B. alt.binaries.pedophilia.

Dessen ungeachtet hat die Polizei nun zugeschlagen, offensichtlich auch in Unkenntnis der Aussage des französischen Ministers für Post und Telekommunikation Francois Fillon, der vor kurzem vor der Presse erklärt hatte, daß Access Provider nicht für Inhalte verantwortlich gemacht würden.

Als Reaktion auf das Vorgehen der Behörden hat die A.F.P.I nun dazu aufgerufen, daß alle Access Provider kurzfristig alle Newsgruppen sperren, damit der Fall genügend Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit erlangt. Diese Art der Öffentlichkeitsarbeit bleibt aber nicht unwidersprochen. Aus der amerikanischen Antizensurszene kam der Aufruf, stattdessen frei zugängliche Newsserver zu nutzen, wie z.B. http://mediafilter.org, um den Behörden zu verdeutlichen, daß es unmöglich ist, das Internet zu zensurieren.

Update: Wie Patrick Robin, Mitbegründer der A.F.P.I. per Email meldete, haben sich inzwischen 15 wichtige französische Provider am Newsgruppenstreik beteiligt, darunter auch die Internet-Provider Firma der France Telekom. Die Aktion scheint also doch von Erfolg gekrönt zu sein. Patrick Robin hofft insbesondere auf die wiederholte Äußerung des Telekommunikationsministers Fillon, daß Provider nicht für die Inhalte verantwortlich gemacht werden können und daß nun diesbezüglich schnell eine rechtliche Grundlage geschaffen wird.

Da diese Ereignisse ja nicht nur von lokalem französischen Interesse sind, sondern in Deutschland, wie der Fall Compuserve gezeigt hat, die selbe Rechtsunsicherheit herrscht, verwundert es umsomehr, daß über die Polizeiaktion und Gegenreaktion der Provider in der gedruckten deutschen Presselandschaft bisher noch kein Wort erschienen ist. Innenminister Kanther bastelt, wie in der Juni cŽt nachzulesen ist, fleißig an Zensurplänen und die "freie Presse" schläft, ist es doch wesentlich bequemer und wohl auch vielversprechender, was die Quoten betrifft, Negativschlagzeilen über das Internet zu verbreiten.

Quelle: Pressemeldung von Patrick Robin, Präsident von ImagiNet und Mitbegründer der A.F.P.I, vom Mittwoch, 7.Mai, erhalten über die MailingList Nettime