Neue Demonstrationen nach Macrons Tote-Ecken-Ansprache

Symbolbild: Ella86. Lizenz: Pixabay

Neben gelben waren am Samstag auch rote Westen zu sehen

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Am Donnerstagabend hatte der französische Staatspräsident Emmanuel Macron in einer Fernsehansprache gemeint, er habe wegen der Gelbwesten-Demonstrationen die "toten Ecken" Frankreichs besucht und dort Leute gefragt, warum sie unzufrieden sind, aber der von ihm eingeschlagene Weg sei schon "der richtige". Verändert werden müssten lediglich Feineinstellungen (vgl. Macrons Gelbwesten-Rede: Viele Versprechen, wenig Konkretes).

Gewerkschaft CGT und Parteien beteiligt

Gelbwesten-Sprecher gaben sich nach der Rede mit Macrons eher wenig konkreten Versprechen, die aktuell 9-prozentige Arbeitslosigkeit bis 2025 in eine Vollbeschäftigung zu verwandeln, nicht zufrieden. Jacline Mouraud meinte beispielsweise, die konkreter angekündigten Steuersenkungen nützten Landwirten, Teilzeitbeschäftigten, "arbeitenden Armen" und "all den Uberern der Gesellschaft" nichts oder wenig. Gestern kam es deshalb am bislang 24. Samstag zu Protesten dieser Bewegung. Dabei beteiligten sich den Behördenangaben nach mit rund 24.000 Personen weniger Franzosen als am letzten Wochenende, an dem offiziell knapp 28.000 demonstriert hatten (vgl. Frankreich: "Autoritär agierende Polizei ohne Kontrollinstanz").

In Paris (wo sich Demonstranten dem französischen Nachrichtensender BFMTV zufolge auch vor den Sitzen großer Medien versammelten, wo sie eine andere Darstellung forderten) hatten neben den Gelbwesten auch die Gewerkschaft Confédération générale du travail (CGT), die früher eng mit ihr verbundene und inzwischen weitgehend in die Bedeutungslosigkeit abgesunkene Parti communiste français (CPF), Olivier Besancenots ebenfalls eher marginale Nouveau Parti anticapitaliste (NPA) und Jean-Luc Mélenchons bei neun Prozent stehende Partei La France Insoumise (LFA) zu Protesten aufgerufen. Deshalb sah man dort nicht nur gelbe, sondern auch rote Westen.

Nicht an der Demonstration beteiligt, aber ebenfalls eher unzufrieden mit Macrons Ankündigungen war Marine Le Pens Rassemblement National (RN). Ihr Sprecher Sébastien Chenu twitterte: "Macron ändert seinen Kurs nicht - schlimmer noch: Er beschleunigt ihn." Vorher hatte der italienischstämmige RN-Europawahlspitzenkandidat Jordan Bardella gemeint, er "befürchte, dass die Wut der Franzosen [nach der Ansprache des Staatspräsidenten] noch viele schöne Tage vor sich hat".

Europaparlament in Straßburg abgesperrt

Während es in Paris, Lyon und Bordeaux (anders als an vergangenen Samstagen) am 27. April nicht zu schwereren Zusammenstößen zwischen Demonstranten und der Polizei kam, gab es im elsässischen Straßburg einen Tränengaseinsatz, drei verletzte Gelbwesten, drei durch Steinwürfe von Vermummten verletzte Polizeibeamte, eine verletzte Unbeteiligte und 42 Festnahmen. Die Präfektur warf den Gelbwesten danach vor, sie hätten Sachbeschädigungen verursacht, Baumaterial entwendet und versucht, in die für sie gesperrte Altstadt vorzudringen.

Das Europaparlament, auf das die Demonstranten zumarschieren wollten, war ebenfalls abgesperrt. Da Macron Mitte April erklärt hatte, die Stadt sei als Sitz des Europaparlaments "nicht verhandelbar", dürfte Manfred Webers in der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung (WAZ) abgegebenes Wahlversprechen, durch die Gelegenheit einer Komplettabwanderung nach Brüssel jährlich 103 Millionen Euro einzusparen, kaum realistisch sein: Der Sitz im Straßburg steht nämlich in einem EU-Vertrag, für dessen Änderung Einstimmigkeit erforderlich ist.

Aber auch Macron stehen europäische Regeln im Wege: Da er das im Vertrag von Maastricht erlaubte Haushaltsdefizit in Höhe von maximal drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts durch finanzielle Zugeständnisse in Höhe von inzwischen 15 Milliarden Euro im laufenden Jahr aller Voraussicht nach deutlich überschreiten wird, bleibt ihm wenig weiterer Spielraum, um die Gilet jaunes ruhigzustellen. Die Option, ihnen Volksentscheide zu gewähren, lehnt er bislang ab. Lediglich Volksbefragungen sollen erleichtert werden - und auch die vor allem auf lokaler Ebene.

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