Neue EU-Regeln: Ängste der Beschäftigten vor KI bleiben, Bosch-Boss beschwichtigt
Künstliche Intelligenz wird für den Normalbetrieb in Unternehmen vorbereitet – welche Probleme dabei auftreten.
KI könne zu einer "Idiokratie" führen, warnt Zack Kass, ehemaliger Open-AI-Manager Unternehmen stehen erst ganz am Anfang, das Potenzial dieser Technologie zu heben, sagt der langjährige Produktentwickler. Er habe die Sorge vor der Vorstellung, "dass wir alle unsere Probleme lösen werden, dadurch aber nur dümmer werden".
Auf die Geschäftsentwicklung haben diese Bedenken keine Auswirkungen. KI boomt und steigert die Gewinne – so hat der US-Chiphersteller Nvidia seinen Nettogewinn versiebenfacht, wie die neuesten Quartalszahlen zeigen.
McKinsey sieht Arbeitsplätze gefährdet
Welche Auswirkungen KI auf die Beschäftigten hat, will eine aktuelle Studie des McKinsey Global Institute (MGI) beschreiben. Hierzulande könnten sieben Prozent der Gesamtbeschäftigung von Veränderungen durch KI betroffen sein.
Gerade im Verwaltungsbereich sind Arbeitsplätze gefährdet. Betroffene können sich durch Qualifikationsmaßnahmen davor schützen, von KI ersetzt zu werden. Denn die Nachfrage nach technischen Kompetenzen wird stark zulegen, allein in Europa um 25 Prozent, so die Studie.
Sandra Durth, die an der Studie mitgearbeitet hat, empfiehlt Unternehmen mehr in Weiterbildung und Umschulung zu investieren:
Ohne eine Qualifizierungs-Offensive bei den Arbeitskräften kann KI ihr Potenzial nicht entfalten.
Betroffen seien vor allem Hilfstätigkeiten in den Büros.
Unternehmen müssen lernen, "den zukünftigen Bedarf an Fähigkeiten für sich selbst und ihre Mitarbeiter zu prognostizieren. Es wird eine präzise Analyse der sich wandelnden Berufsprofile notwendig, um den Herausforderungen des Wandels proaktiv zu begegnen", ist sich Claus Verfürth, Geschäftsführer der Karriereberatung "The Boardroom", sicher.
Vor besondere Herausforderungen beim KI-Einsatz werden Führungskräfte gestellt.
In naher Zukunft könnten Chatbots in bestimmten Branchen eingesetzt werden, um Mitarbeiter zu begrüßen, den Arbeitstag zu organisieren, Aufgaben zuzuweisen und die Ergebnisse zu überwachen.
Claus Verfürth
KI werde jedoch "vorerst keine Führungspositionen übernehmen". Aber neben Technik-Wissen benötigen Führungskräfte "in einer KI-geprägten Arbeitswelt auch Kompetenzen wie Anpassungsfähigkeit, kontinuierliches Lernen, ethisches Urteilsvermögen im Umgang mit der KI", macht der Berater deutlich.
Neue Pflichten für Unternehmen durch die EU
Der Europäische Rat hat mit dem "AI Act" einheitliche Vorgaben zum KI-Einsatz gebilligt. Er kann nun in Kraft treten, sobald er im EU-Amtsblatt veröffentlicht wurde. "Wir waren sehr zurückhaltend" bei der entsprechenden Rechtsetzung, erklärte Präsidentin der EU-Kommission, Ursula von der Leyen, im EU-Parlament.
Die Neuregelung umfasst neue Pflichten für Unternehmen. Welche Regelungen für Betreiber gelten, hängt zunächst vom System ab. Es werden Risikostufen für KI-Systeme benannt, die maßgeblich für die Bestimmung des Pflichtenprogramms sind. Erleichtert wird der Einsatz von KI-Systemen, mit denen sich nur geringe Risiken verbinden.
Für diese Anwendungen – wie beispielsweise KI-gesteuerte Spamfilter oder Firewalls – gibt es wenige Vorgaben. Werden hingegen Hochrisiko-Systeme angeboten oder betrieben, müssen umfangreiche Voraussetzungen erfüllt werden. "Für Hochrisiko-KI-Systeme wie z. B. HR-Software gilt der strengste Pflichtenkatalog", erläutern die Rechtsexperten Marc Hilber und Kathrin Vossen.
Beschäftigte, die von der Entscheidung eines Hochrisiko-KI-Systems betroffen sind, können zudem Auskunft über die wesentlichen Entscheidungselemente verlangen.
Der Einsatz verbotener KI kann mit einer Geldstrafe von bis zu 35 Millionen Euro oder sieben Prozent des weltweiten Umsatzes geahndet werden. Verstöße gegen Betreiberpflichten können eine Geldstrafe von bis zu 15 Millionen Euro oder drei Prozent des weltweiten Umsatzes nach sich ziehen.
Marc Hilber und Kathrin Vossen
Der Anteil der Unternehmen, die KI oder Machine Learning einsetzen, hat sich im Vergleich zum Vorjahr von 13,8 auf 26,8 Prozent verdoppelt, zeigt eine Umfrage der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK).
Ein weiteres Drittel plant den Einsatz von KI für die Zukunft. Das ist ein Anstieg um starke 24 Prozentpunkte. Die Digitalisierung erfordert eine Neugestaltung von Prozessen. Doch dies braucht Zeit und finanzielle Mittel – Langfristige Entwicklungen und Innovationen sind nur für 37 Prozent der befragten Unternehmen Motivation für die Digitalisierung. "Im Schnitt reicht es zwar nur für die Schulnote drei, aber wir sehen einen Zug nach oben", kommentiert Ilja Nothnagel, Mitglied der DIHK-Hauptgeschäftsführung, die Befragungsergebnisse.
Unternehmer beschwichtigt bei Personalabbau
Im Industrieumfeld spielt KI schon seit einiger Zeit eine zentrale Rolle: Sie wird bei vernetzten Produkten eingesetzt, aber auch zu Auswertungen im Produktionsprozess genutzt.
Dass KI eine neue Massenarbeitslosigkeit verursache, bestreitet Stefan Hartung, Geschäftsführer der Robert Bosch GmbH. Klar sei, dass manche Berufe eher wegfallen werden, andere sich verändern. Es entstünden aber auch viele neue Jobs. Insgesamt sei er sehr optimistisch, denn "zu arbeiten gab es bisher immer genug".
Unternehmen müssten allerdings massiv in Weiterbildung investieren. Ängste vor KI liegen nicht im Geschäftsinteresse der Bosch-Unternehmensgruppe, die längt im Geschäftsfeld "KI" aktiv. Bereits 2017 wurde das Bosch Center for Artificial Intelligence (BCAI) gegründet, das nicht nur die Anwendung von KI-Methoden, sondern auch deren Grundlagenforschung vorantreibt.
Eine aktuelle, groß angelegte Umfrage von SD Worx zeigt, welche Ängste um den Arbeitsplatz in Europa bestehen. Die Umfrage, an der mehr als 5.000 Unternehmen und 18.000 Beschäftigte in 18 europäischen Ländern teilnahmen, ergab, dass jedes dritte europäische Unternehmen bereits KI in seinen Betrieb integriert hat. Gleichzeitig zeigen sich die Sorgen der Belegschaften. Jeder fünfte Befragte befürchte, dass KI einen großen Teil der eigenen Arbeit ersetzen könne.