Neue Erkenntnisse zur Sicherheit der Covid-19-Impfstoffe

Wie schwerwiegende, aber sehr seltene Impfkomplikationen bei allen vier zugelassenen Vakzinen einzuordnen sind. Ein Update

Herzmuskel- und Herzbeutelentzündungen sowie Entzündungen des peripheren Nervensystems und das Thrombosen-mit-Thrombozytopenie-Syndrom sind schwerwiegende, aber sehr seltene Impfkomplikationen im Zusammenhang mit zugelassenen Vakzinen gegen das Coronavirus.

Der folgende Text ist die Fortschreibung eines kürzlich in Telepolis erschienenen umfangreichen Artikels und zugleich eine Zusammenfassung des aktuellen 12. Sicherheitsberichts des Paul-Ehrlich-Instituts (PEI) vom 15. Juli 2021. Das PEI ist bekanntlich die Behörde, die für die Überwachung der Impfungen mit den vier in Deutschland zugelassenen genetischen Impfstoffen zuständig ist.

Übersicht über die Meldeergebnisse

Das PEI berichtet über 106.835 aus Deutschland gemeldete Verdachtsfälle von Nebenwirkungen oder Impfkomplikationen im zeitlichen Zusammenhang mit der Impfung mit den mRNA-Impfstoffen Comirnaty und Spikevax (früher: Covid-19-Impfstoff Moderna) und den Vektorimpfstoffen Vaxzevria und Covid-19-Impfstoff Janssen vom Beginn der Impfkampagne am 27. Dezember 2020 bis zum 30. Juli 2021.

In diesem Zeitraum wurden 74.871.502 Impfungen durchgeführt, davon 54.898.640 mit Comirnaty, 6.471.052 mit Spikevax, 11.570.155 mit Vaxzevria und 1.931.655 Impfungen mit dem Covid-19-Impfstoff Janssen.

49.735 Verdachtsfälle wurden zur Impfung mit Comirnaty gemeldet, 14.153 zu Spikevax, 39.398 zu Vaxzevria und 3.061 Meldungen zum Covid-19-Impfstoff Janssen. Die Melderate betrug für alle Impfstoffe zusammen 1,4 pro 1.000 Impfdosen und für Meldungen über schwerwiegende Reaktionen insgesamt 0,1 pro 1.000 Impfdosen.

Wie bisher werden in der folgenden Darstellung nur die Verdachtsfälle von schwerwiegenden Reaktionen nach der Impfung näher besprechen. Dabei handelt es sich um Impfkomplikationen, die mit einer langfristigen erheblichen Beeinträchtigung der Gesundheit einhergehen und zu einer Krankenhauseinweisung oder zum Tode führen können.

Nicht dazu gehören die typischen und nach einer Impfung häufig auftretenden Nebenwirkungen wie Rötung, Schwellung und Schmerzen an der Impfstelle und auch Allgemeinreaktionen wie Fieber, Kopf- und Gliederschmerzen und Unwohlsein, die auch die große Mehrzahl der oben gemeldeten Verdachtsfälle ausmachen.

Myokarditis und Perikarditis nach mRNA-Impfstoffen

Eine Myokarditis ist eine Herzmuskelentzündung und eine Perikarditis eine Entzündung des Herzbeutels. Als Ursachen kommen Toxine, Bakterien vor allem verschiedene Viren in Frage.

Auch im 12. Sicherheitsbericht heißt es, dass sehr selten Fälle einer Myokarditis und/oder Perikarditis nach Impfung mit Comirnaty bzw. Spikevax beobachtet wurden. Neu ist, dass der europäische Ausschuss für Risikobewertung (Pharmacovigilance Risk Assessment Committee, PRAC) jetzt beschlossen hat, Myokarditis und Perikarditis in die Fach- und Gebrauchsinformationen beider mRNA-Impfstoffe als mögliche Nebenwirkung aufzunehmen.

Nach den bislang vorliegenden Daten sind offenbar vor allem junge Männer nach Gabe der zweiten Impf-Dosis betroffen, typischerweise innerhalb von 14 Tagen. Der PRAC betont, dass das Nutzen-Risiko-Verhältnis der mRNA-Impfstoffe weiterhin positiv sei.

Einzelne gut dokumentierte Fallserien einer Myokarditis aus Israel und den USA sind publiziert worden. Ein Bericht beschreibt vier Fälle einer Myokarditis (zwei Fällen nach Comirnaty, zwei Fälle nach Spikevax) bei drei jungen Männern im Alter von 23 bis 36 Jahren und einer 70 Jahre alten Frau. Alle vier Fälle traten nach der zweiten Dosis auf. Eine Fallserie mit 23 Berichten bezieht sich auf männliche US-Militärangehörige im Alter von 20 bis 51 Jahren (mittleres Alter 25 Jahre), davon 20 Fälle nach der zweiten Dosis.

Die Zahl der Fälle einer Myokarditis nach Impfung war deutlich höher als die auf Basis der Hintergrundinzidenz erwartete Zahl in den USA (1 bis 22 pro 100.000 Personen pro Jahr). Demnach wurden null bis acht Fälle in der geimpften Population statistisch zufällig erwartet, tatsächlich aber 19 Fälle einer Myokarditis nach der zweiten mRNA-Impfung beobachtet.

In einer weiteren Publikation wurden sieben Fallberichte einer Myokarditis oder Perimyokarditis bei Jugendlichen im Alter von 14 bis 19 Jahren innerhalb von vier Tagen nach der zweiten Dosis veröffentlicht. Eine andere Arbeitsgruppe berichtete über sechs Männer (Altersmedian 23 Jahre), die nach der Impfung mit Comirnaty eine Myokarditis entwickelten, davon fünf Patienten nach der zweiten Dosis und ein Patient nach der ersten Dosis.

Die Autoren beschrieben den klinischen Verlauf in allen Fällen als mild. Trotz zum Teil umfangreicher Untersuchungen konnten keine alternativen Ursachen, wie z. B. eine gleichzeitige Virusinfektion, identifiziert werden. Der kurze zeitliche Abstand, die klinischen Gemeinsamkeiten und das Fehlen anderer identifizierbarer Ursachen lassen daher einen Zusammenhang mit der mRNA-Impfung als zumindest möglich erscheinen. Die Patienten in diesen Fallserien erholten sich von den Krankheitssymptomen oder waren auf dem Weg der Besserung.

Bislang fehlen epidemiologische Studien, sodass die Häufigkeit einer Myokarditis und/oder Perikarditis nach mRNA-Covid-19 Impfung nicht ermittelt werden kann. Allerdings scheint eine Myokarditis nach mRNA-Impfstoffen sehr selten zu sein. Aus den US-Fallserien kann eine Häufigkeit von weniger als 1:100.000 Impfdosen abgeschätzt werden.

Das israelische Gesundheitsministerium berichtete kürzlich über 121 Myokarditis-Fälle, die innerhalb von 30 Tagen nach einer zweiten Dosis Comirnaty bei 5.049.424 Personen auftraten, was einer grob kalkulierten Häufigkeit von etwa 2,4 Fällen pro 100.000 Personen nach einer zweiten Dosis entspricht. In Israel wurden 95 Prozent der Fälle als mild beschrieben mit einem zumeist kurzen Krankenhausaufenthalt.

Dem PEI wurden seit Beginn der Covid-19-Impfungen insgesamt 228 Fälle gemeldet, in denen die Diagnose einer Myokarditis oder Perikarditis im zeitlichen Zusammenhang mit einer Impfung gegen Covid-19 gestellt wurden. Die Mehrzahl der Berichte bezieht sich auf die mRNA-Impfstoffe Comirnaty und Spikevax. Die Daten zeigen, dass die meisten Meldungen junge Männer im Alter von 16 bis 29 Jahren betreffen.

In Deutschland wurden bis zum 30.6.2021 insgesamt 173 Fälle einer Myokarditis und/oder Perikarditis in unterschiedlichem zeitlichem Zusammenhang nach Comirnaty bei insgesamt mehr als 54 Millionen verimpften Dosen sowie 31 Fälle nach Spikevax bezogen auf mehr als 6,4 Millionen Impfdosen berichtet. Daraus ergibt sich derzeit eine Gesamtmelderate in allen Altersgruppen von 0,32 bzw. 0,48 Meldungen einer Myokarditis und/oder Perkarditis auf 100.000 Impfdosen der beiden mRNA-Impfstoffe.

Neun Personen (sechs Männer im Alter von 90, 80, 71, 59 und 56 Jahren und drei Frauen im Alter von 84, 67 und 64 Jahren), bei denen unter anderem eine Peri-oder Myokarditis diagnostiziert wurden, sind in unterschiedlichem zeitlichem Zusammenhang nach Impfung mit Comirnaty verstorben.

Seit dem 31. Mai 2021 ist auch Comirnaty für die Impfung von zwölf- bis 15-Jährigen in Deutschland zugelassen. Das PEI erhielt bisher einige Meldungen über Nebenwirkungen bei Jugendlichen bis 15 Jahre, aber bisher keine über eine mögliche Myo- oder Perikarditis.

Thrombosen-mit-Thrombozytopenie-Syndrom nach Gabe von Vektorimpfstoff

Thrombosen sind Verstopfungen der venösen oder arteriellen Blutgefäße durch Blutgerinnsel, während eine Thrombozytopenie ein Mangel an Blutplättchen bedeutet.

Über das sehr seltene, aber schwerwiegende TTS-Syndrom, das vor allem nach der Gabe der Vektorimpfstoffe Vakzevria, aber auch von Covid-19-Impfstoff Janssen beobachtet worden ist, wurde schon ausführlich im letzten Artikel über den 11. Sicherheitsbericht informiert, auf den ich hier verweisen möchte.1

Dort wurde auch ausgeführt, dass für das weitere Schicksal der Patienten mit TTS die frühzeitige Diagnose entscheidend ist. Deshalb sollten alle Personen, die nach der Impfung mit Vakzevria oder Covid-19-Impfstoff Janssen neurologische Symptome wie starke oder anhaltende Kopfschmerzen, verschwommenes Sehen bzw. Krampfanfälle aufweisen oder bei denen nach einigen Tagen auf der Haut Blutergüsse (Petechien) außerhalb der Injektionsstelle der Impfung auftreten, sich umgehend in ärztliche Behandlung begeben.

Personen, bei denen innerhalb von drei Wochen nach der Impfung eine Thrombozytopenie diagnostiziert wird, sollten aktiv auf Anzeichen einer Thrombose untersucht werden. Ebenso sollten Personen, bei denen nach der Impfung eine Thrombose auftritt, unverzüglich auf eine Thrombozytopenie untersucht werden.

Wichtig ist, dass bei Patientinnen und Patienten mit Thrombose und normalen Thrombozytenzahlen oder solchen mit Thrombozytopenie ohne nachweisbare Thrombose nach Impfung ein frühes Stadium des TTS vorliegen kann. Daher sind in diesen Fällen wiederholte Untersuchungen auf TTS erforderlich.

Nach den Meldungen an das PEI sind aktuell Frauen und Männer aller Altersgruppen von TTS betroffen, wobei sich in den vergangenen Wochen der prozentuale Anteil der Männer an der Gesamtzahl der TTS Fälle erhöht hat.

Zum Zeitpunkt dieser Auswertung beziehen sich 42 Prozent der Meldungen auf Männer und 58 Prozent auf Frauen. Im Vergleich dazu betrafen im letzten Sicherheitsbericht vom Juni 2021 noch 66 Prozent der TTS-Meldungen Frauen und 34 Prozent Männer.

Die sehr seltene, gleichwohl schwerwiegende Nebenwirkung eines TTS seien stets im Kontext des nachgewiesenen Nutzens der Impfung, nämlich Schutz vor schweren und tödlichen Covid-19-Erkrankungen, zu sehen. Wie in einer Analyse der Europäischen Arzneimittelagentur (European Medicines Agency, EMA) gezeigt wurde, nehme der individuelle Nutzen der Impfung mit steigendem Alter und steigenden Infektionszahlen zu, heißt es im aktuellen Sicherheitsbericht.

TTS nach Vaxzevria

Im aktuellen Sicherheitsberichts ist eine Übersicht über die Häufigkeit und die Alters- und Geschlechtsverteilung einschließlich der Todesfälle (in Klammern) dargestellt (Tabelle 5, S. 17).

Betroffen sind 94 (14) Frauen und 63 (zehn) Männer mit einem Durchschnittsalter von 49,5 Jahren. Hirnvenenthrombosen wurden bei mehr als der Hälfte der TTS-Patientinnen und -Patienten festgestellt. Tödliche Verläufe waren überwiegend mit Hirnvenenthrombosen und Hirnblutung als Komplikation einer Hirnvenenthrombose assoziiert. Die Häufigkeit tödlicher Verläufe bei Personen, die eine Hirnvenen-/ Sinusvenenthrombose entwickelten, ist mit 28,3 Prozent höher als in der Literatur für ungeimpfte Personen beschrieben (3 Prozent).

110 Berichte entsprechen der Falldefinition eines TTS mit Thrombose mit ungewöhnlicher Lokalisation wie Sinusvenenthrombose, Mesenterial-, Pfortader oder Milzvenenthrombose und einer Thrombozytopenie (kleiner als 150 G/L) oder Thrombozytopenie und Thrombose wie Lungenembolie, tiefe Beinvenenthrombose und Nachweis von Anti-PF4-Antikörpern (siehe dazu auch das entsprechende Kapitel in "Sicherheit von Covid-19-Impfstoffen: Offene Fragen zu Vaxzevria"). Weitere Lokalisationen des TTS waren Lungenembolie, venöse Thrombosen im Mesenterialgebiet einschließlich Lebervenenthrombosen und Pfortader- und Mesenterialvenenthrombosen sowie tiefe Beinvenenthrombosen. Ein Fall eines TTS trat nach zweiter Impfung auf. Unter Berücksichtigung der Vaxzevria-Impfdosen ergibt sich eine Gesamtmelderate von 1,35 Fällen eines TTS auf 100.000 Erstimpfungen mit Vaxzevria.

Diese Melderate stelle vermutlich jedoch eine Unterschätzung des Risikos dar, da nicht alle Fälle eines TTS gemeldet werden (Dunkelzifferrate) bzw. ohne Angabe der Thrombozytenzahl gemeldet werden. Diese Meldungen werden zwar vom PEI nachverfolgt, was aber zu einer deutlichen Verzögerung der Klassifizierung der Meldung als TTS führt, sagt der Sicherheitsbericht. Außerdem betrage die Zeit zwischen Impfung, Auftreten erster Symptome, Krankenhauseinweisung und Meldung ans PEI zuweilen mehrere Wochen.

Trotz der Limitierungen weisen die Spontanmeldungen laut aktuellem Sicherheitsbericht darauf hin, dass TTS alle Altersgruppen und beide Geschlechter betreffe. Bedauerlicherweise lasse sich derzeit keine aktuelle alters- und geschlechtsstratifizierte Melderate eines TTS errechnen, da diese Informationen im Rahmen des Impfquotenmonitorings im Bereich der niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte erst später zur Verfügung stehen.

TTS nach Covid-19-Impfstoff Janssen

Es wurden sechs Fälle eines TTS bei fünf Männern und einer jungen Frau berichtet. Ein Mann verstarb an einer Hirnblutung in Folge einer Sinusvenenthrombose. Vier Meldungen entsprechen der TTS-Falldefinition. Die Melderate einer Thrombose mit Thrombozytopenie beträgt derzeit 0,31 Fälle auf 100.000 Impfungen. Da erst kürzlich mit der Impfung mit dieser Vakzine begonnen wurde, ist die Melderate mit Vorsicht zu interpretieren. Auch wird ein Vergleich mit Vaxzevria derzeit nicht als valide eingeschätzt.

TTS nach mRNA-Impfstoffen

Nach der Impfung mit Comirnaty ist zwar über mehr als zwölf Fälle von Thrombosen mit parallel festgestellter Thrombozytopenie und nach Spikevax über einen derartigen Fall berichtet worden, aber in keinem Fall konnte bisher ein TTS nach der Falldefinition bestätigt werden. Aber es ist auch nicht ausgeschlossen, dass Einzelfälle eines TTS auch nach Verimpfung von mRNA-Impfstoffen auftreten könnten.

Blutungen

Die Meldungen über klinisch relevante Blutungen haben die folgenden Ergebnisse gebracht: 356 Fälle wurden für Comirnaty gemeldet, davon 31 mit tödlichem Verlauf, 43 für Spikevax mit zwei Todesfällen und 727 für Vaxzevria mit zwölf tödlichen Verläufen. In der überwiegenden Mehrzahl der gemeldeten Fälle ist aber keine Information zu den Thrombozytenwerten vorhanden. Bei Blutungsereignissen, die über unmittelbare Lokalreaktionen kurz nach der Impfung hinausgehen, ist es wichtig, die Thrombozytenzahl zu untersuchen und zu berichten, um frühzeitig eine mögliche Thrombozytopenie zu erkennen.

Die oben dargestellten Blutungen umfassen auch Meldungen über Zyklusstörungen, etwa starke Menstruationsblutung, vaginale Blutung, Zwischenblutungen, aber auch Dysmenorrhoe und postmenopausale Blutungen. Aufgrund der Spontanmeldungen und unter Berücksichtigung der Impfquote wird vom PEI derzeit kein Risikosignal für das Auftreten von Blutungen gesehen.

Thrombozytopenie

Im Zusammenhang mit der Impfung mit Vaxzevria wurden Fälle einer idiopathischen thrombozytopenischen Purpura (ITP)/ Thrombozytopenie mit und ohne Blutungen berichtet, darunter auch vereinzelte Fälle mit fulminanten Hirnblutungen. Thrombozytopenie ist als Nebenwirkung in der Produktinformation genannt.

Dass eine Thrombozytopenie als Nebenwirkung in der Produktinformation genannt wird, wurde schon im 11. Sicherheitsbericht erwähnt. Nicht erwähnt wurde und wird, dass diese dort als "häufige Nebenwirkung" beschrieben wird.2 Das bedeutet, dass sie bei 1 bis 10 Prozent der Geimpften beobachtet wird.

Guillain-Barré-Syndrom (GBS)

Das GBS ist eine akute Entzündung des peripheren Nervensystems und der Nervenwurzeln (Polyradikuloneuritis) mit der Folge einer aufsteigenden Lähmung. In den meisten Fällen bildet sich die Symptomatik zurück. Allerdings kommt es bei manchen Patienten zu einem verlängerten Krankheitsverlauf, neurologischen Restsymptomen oder relevanten bleibenden Schädigungen. Auch Todesfälle können vorkommen.

Das Miller-Fisher-Syndrom (MFS) ist eine seltene Variante des GBS und ist charakterisiert durch Ataxie (Störung der Bewegungskoordination), Augenmuskellähmung und Verlust/Abschwächung der Muskeleigenreflexe. Bis zum 30.06.2021 wurden dem PEI 51 Fälle eines GBS sowie drei Fälle eines MFS nach Impfung mit Vaxzevria gemeldet. In fünf Fällen wurde über einen eventuell konkurrierenden Auslöser des GBS im Sinne einer infektiösen Genese berichtet.

Die Erstsymptome traten im Mittel 14,6 Tage (Median: 14 Tage) nach der Impfung auf. Bei den geimpften Personen handelt es sich um 30 Frauen und 24 Männer im Alter zwischen 32 und 93 Jahren (Median 57 Jahre). 23 Personen waren älter als 60 Jahre.

Eine intensivmedizinische Behandlung war bei sechs Patienten aufgrund eines stark progredienten Krankheitsverlaufs erforderlich. Vier dieser Patienten mussten invasiv beatmet werden. In zwei Fällen war der Ausgang tödlich und in zwei Fällen zum Berichtszeitpunkt noch unbekannt. Bei einer Patientin stabilisierte sich nach etwa sechs Wochen allmählich die Atemfunktion bei fortbestehender Tetraplegie und schlechtem Ansprechen auf eine Therapie mit Immunglobulinen. Bei einer weiteren Patientin wurde eine Besserung nach Plasmapherese berichtet.

Nach Impfung mit Comirnaty wurden 27 Fälle eines GBS sowie ein Fall eines MFS gemeldet. Die betroffenen Personen (16 Männer und zwölf Frauen) waren zwischen 22 und 82 Jahre alt (Median: 61 Jahre). Die Erstsymptome traten bis zu 24 Tage (Median sieben Tage) nach der Impfung auf.

In den meisten Fällen war der Gesundheitszustand zum Zeitpunkt der Meldung noch nicht wiederhergestellt. In einem Fall war die Diagnose eines GBS zum Meldezeitpunkt als nicht abschließend gesichert beschrieben. In acht weiteren Fällen wurde im zeitlichen Zusammenhang zur Impfung über eine Verschlechterung bereits bestehender Polyneuropathien berichtet.

In Zusammenhang mit einer Impfung mit Spikevax wurden insgesamt vier Fälle eines GBS und ein Fall eines MFS gemeldet. Das Zeitintervall zwischen Impfung und Erstsymptomatik betrug im Mittel 7,6 Tage. Die betroffenen Personen - vier Männer und eine Frau - waren zwischen 57 und 83 Jahre alt.

Weitere vier Fälle eines GBS wurden nach Impfung mit dem Covid-19-Impfstoff Janssen gemeldet. Das Zeitintervall zwischen Impfung und Erstsymptomatik/Diagnose betrug im Mittel 15 Tage. Die betroffenen Personen - drei Männer und eine Frau - waren zwischen 36 und 64Jahre alt.

Bis zum 30. Juni 2021 wurden insgesamt 91 Meldungen von GBS/MFS-Fällen vom PEI anhand der Falldefinition der Brighton Collaboration (BC)-Level 1 bis 4 bewertet (Level 1 entspricht dem höchsten, Level 2 und 3 geringeren Graden der diagnostischen Sicherheit, Level 4 sind Meldungen eines Verdachts auf GBS/MFS mit unvollständigen Angaben zur Erfüllung der Kriterien von Level 1-3).

Anaphylaktische Reaktionen

Diese wurden sehr selten nach Impfungen mit beiden mRNA-Impfstoffen sowie nach Impfung mit beiden Vektorimpfstoffen berichtet (siehe auch "Sicherheit von Covid-19-Impfstoffen: Offene Fragen zu Vaxzevria").

Das mögliche Vorgehen nach anaphylaktischer Reaktion auf die beiden Covid-19-mRNA-Impfstoffe sowie Empfehlungen zur Vorgehensweise bei jeglicher Allergie in der Anamnese ist auf der Homepage des PEI dargestellt.3

Offenbar ist weiterhin keine Person aufgrund von anaphylaktischen Reaktionen nach einer Impfung gestorben.

Schlussfolgerungen

1. Der vorliegende Text ist eine gekürzte Zusammenstellung der wichtigsten neuen Aspekte des 12. Sicherheitsberichts des PEI über Verdachtsfälle von Nebenwirkungen und Impfkomplikationen nach Impfung zum Schutz vor Covid-19 mit den vier bisher in Deutschland zugelassenen genetischen Impfstoffen im Berichtszeitraum vom Beginn der Impfkampagne am 27.12.2020 bis zum 30.6.2021. Zugleich handelt es sich um ein Update meines Telepolis-Artikels vom 29.6.2021.

2. Die große Mehrzahl der gemeldeten Verdachtsfälle von Nebenwirkungen und Impfkomplikationen sind typisch für Symptome, die nach einer Impfung häufig als Anzeichen für eine Auseinandersetzung des Organismus mit dem Impfstoff auftreten und folglich in der Regel für die Sicherheit unbedenklich sind.

3. Im aktuellen Sicherheitsbericht des PEI werden neben dem TTS-Syndrom (Thrombose mit Thrombozytopenie-Syndrom) nach der Gabe von Vektorimpfstoffen auch eine Myokarditis und /oder Perikarditis nach mRNA-Impfstoffen und eine akute periphere Nervenstörung wie das Guillain-Barré Syndrom bei allen vier Vakzinen als mögliche, aber sehr seltene Impfkomplikationen aufgeführt.

4. Es muss weiterhin darauf hingewiesen werden, dass in der Produktinformation des Impfstoffs Vaxzevria eine Thrombozytopenie als häufige Nebenwirkung aufgeführt wird.4

5. Auch der aktuelle Sicherheitsbericht des PEI empfiehlt, dass Personen, bei denen innerhalb von drei Wochen nach der Impfung mit Vaxzevria eine Thrombozytopenie diagnostiziert wird, aktiv auf Anzeichen einer Thrombose untersucht werden sollten. Weiterhin wird empfohlen, alle Geimpften, bei denen eine Thrombose oder eine Blutung auftritt, auf das Vorliegen einer Thrombozytopenie zu untersuchen.

6. Um das Risiko für das Auftreten eines TTS, aber auch von Blutungen, nach Impfungen mit den genannten Vektorimpfstoffen, insbesondere Vaxzevria, zu vermindern, wird vorgeschlagen, vor Einsatz dieser Vakzine und danach die Thrombozytenzahl und eventuell zusätzlich die D-Dimere zu bestimmen. Mit der Bestimmung der D-Dimere im Labor kann man bei einem negativen Befund Thrombosen weitgehend ausschließen.5

7. Vor dem Hintergrund der geschilderten Impfkomplikationen von Vakzevria muss man sich die Frage stellen, ob nicht auf diesen Impfstoff zugunsten der mRNA-Impfstoffe generell verzichtet werden kann, wie das einige Länder wie Norwegen und Dänemark inzwischen schon tun.

8. Prinzipiell wäre eine größere Auswahl bei den in Deutschland zur Verfügung stehenden Impfstoffen wünschenswert. Deshalb ist es bedauerlich, dass bis heute keine weiteren wirksamen Impfstoffe wie z. B. der russische Impfstoff Sputnik V oder der chinesische Impfstoff Coronavac von der EMA zugelassen worden sind. Bei Letzterem handelt es sich um einen traditionell hergestellten inaktivierten Virus-Impfstoff, der kürzlich von der WHO gelistet worden ist.6 Hinter diesen Entscheidungen sind eher geopolitische als medizinische Gründe zu vermuten.

Klaus-Dieter Kolenda, Prof. Dr. med., Facharzt für Innere Medizin - Gastroenterologie, Facharzt für Physikalische und Rehabilitative Medizin- Sozialmedizin, war von 1985 bis 2006 Chefarzt einer Rehabilitationsklinik für Erkrankungen des Herz-Kreislaufsystems, der Atemwege, des Stoffwechsels und der Bewegungsorgane. Seit 1978 ist er als medizinischer Sachverständiger bei der Sozialgerichtsbarkeit in Schleswig-Holstein tätig. Zudem arbeitet er in der Kieler Gruppe der IPPNW e.V. (Internationale Ärztinnen und Ärzte für die Verhinderung des Atomkriegs und für soziale Verantwortung) mit. E-Mail: klaus-dieter.kolenda@gmx.de Der Autor erklärt, dass kein Interessenkonflikt besteht.