Neue "Präzisionswaffen" für den Showdown in Falludscha

Der Angriff auf die "Widerstandsburg" steht kurz bevor, die US-Luftwaffe wird für den Stadtkampf neue Präzisionsbomben einsetzen

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Falludscha steht vor der Erstürmung (Die Fliege macht sich davon und das Pferd stirbt). Vermutlich dürften manche Schranken nach der Wiederwahl von Bush fallen. Die Stadt ist mittlerweile von 35.000 amerikanischen und irakischen Soldaten hermetisch abgeschlossen. Selbst amerikanische Schätzungen gehen davon aus, dass sich in der Stadt nur einige Tausend Aufständische aufhalten. 3.000 wird angenommen, es ist also tatsächlich ein "asymmetrischer Konflikt", auch was die Bewaffnung angeht. UN-Generalsekretär Kofin Annan hat wohl auch wegen der zu befürchtenden Zerstörungen die amerikanische, britische und irakische Regierung vor einem Angriff gewarnt, weil dieser die geplanten Wahlen ernsthaft gefährden könnte.

US-Flugzeuge haben wiederholt angebliche Stellungen von Aufständischen bombardiert. Die meisten der Einwohner sind bereits aus der Stadt geflüchtet, nachdem immer wieder "Präzisionsschläge" auch zivile Opfer gefordert haben und der angedrohte finale Angriff große Zerstörungen verursachen wird. Das US-Militär hat die Einwohner aufgefordert, die Stadt zu verlassen. Weiterhin ist unklar, ob überhaupt al-Sarkawi mit seiner Gruppe sich dort aufhält oder ob der mittlerweile meist gesuchte Terrorist noch lebt (Der Y-Mann in Syrien).

Die Gruppe, die al-Sarkawi zugerechnet wird, hat sich auf einer Website auch für den Selbstmordanschlag verantwortlich gemacht, bei dem drei britische Soldaten getötet wurden, die als Ersatz für die amerikanischen Truppen ins sunnitische Dreieck verlegt wurden, um den Angriff auf Falludscha zu ermöglichen. Die Gruppe will aber offenbar gleichzeitig auch "politisch korrekt" erscheinen und fordert von den Geiselnehmern Margaret Hassans, der britischen Leiterin der Hilfsorganisation CARE im Irak, dass sie diese freilassen sollen, wenn nicht bewiesen werden könne, dass sie mit den Amerikanern zusammen arbeite und gegen Muslims konspiriere. Nach dem Islam sei es untersagt, gegen Frauen vorzugehen, die nicht mit dem Feind zusammen arbeiten.

Für die geplante Einnahme der Stadt, wie üblich durch Bombardierungen vorbereitet, was vermutlich mindestens so große Schäden wie in Nadschaf verursachen dürfte, werden die F-16 Kampfflugzeuge mit einer neu entwickelten Präzisionsbombe ausgerüstet. Der Einsatz in Falludscha wird damit der erste große Test für die GBU-38 werden, die nur halb so groß ist wie die bislang kleinsten satellitengesteuerten Bomben der Joint Direct Attack Munition. Schon Anfang Oktober sind die ersten 500-Pfund GBU-38s eingesetzt worden, um ebenfalls irgendwo im Irak einen sogenannten "Treffpunkt" von al-Sarkawi-Anhängern zu zerstören. In diesem Fall handelte es sich um ein zweistöckiges Haus, auf das in der Nacht gleichzeitig zwei Raketen von zwei F-16 abgefeuert wurden. Es habe sich, so die Air Force, um einen "erfolgreichen Präzisionsschlag" gehandelt.

Die neuen Bomben sollen nicht nur ihre Ziele genauer treffen, sondern wegen der geringeren Sprengkraft auch helfen, "Kollateralschaden" zu vermeiden, also Menschen zu töten oder Schäden zu verursachen, die nicht beabsichtigt waren - ein im Irak kaum mehr zu kaschierendes Problem (Irakmethik: Die Zahlenspiele mit den zivilen Opfern). Allerdings dürften die besten Präzisionsraketen nichts helfen, wenn die Informationen über die Ziele falsch waren, was bei vielen der "Präzisionsschläge" gerade in Falludscha der Fall zu sein scheint (Präzisionsschläge sorgen für Kollateralschaden). Die Air Force preist die kleinere Präzisionswaffe an, die vor allem dann wichtig sei, wenn man "weiterhin Aufständische und ihre Treffpunkte angreift, die sich normalerweise inmitten von dicht bevölkerten Wohngebieten befinden". Es sind also Waffen für den Stadtkampf (Die Stadt im Krieg).

Ein Major Brian wird von der Air Force nach dem ersten Einsatz zitiert: "Das vermittelte uns ein großes Gefühl persönlicher Befriedigung, weil wir wirklich den Eindruck hatten, dass wir einen direkten Einfluss auf den Krieg gegen den Terror hatten." Damit nähert sich der militärische Angriff über die Präzisionsbomben den "gezielten Tötungen", die bislang den Geheimdiensten oder Spezialeinheiten vorbehalten waren. Der Krieg gegen den Terrorismus und die technischen Innovationen ebnen gleichermaßen die traditionellen Unterschiede zwischen Militär, Geheimdiensten, Sondereinheiten und Polizei ein.

Während Terroristen und Aufständische möglicherweise von ihren "gezielten Anschlägen" auf leichter herzustellende und einzusetzende Massenvernichtungswaffen übergehen könnten, scheint sich das Militär von den konventionellen Massenvernichtungswaffen, die wie Bombardierungen aus der Luft oder Geschütze am Boden große Schäden bei nur ungefährer Zielausrichtung hervorrufen, zu trennen. Die Ausrichtung des Kampfes entspricht dieser gegensätzlichen Entwicklung: Während die Terroristen möglichst große Schäden hervorrufen wollen, um Medienereignisse zu schaffen, muss das Militär, wenn es sich nicht um eine Diktatur handelt, ihre Einsätze in "asymmetrischen Konflikten" durch möglichst geringen "Kollateralschaden" legitimieren und will auch möglichst nicht negativ in die Medien gelangen.

Captain Joe Sablatura, der das Kommando über die Bombardierungsflüge hat, äußerte Hoffnung, die Bomben bald in Falludscha einsetzen zu können. Die Crews seien schon "ganz aufgeregt": "Das ist eine wichtige neue Waffe für die F-16."

Die Air Force entwickelt bereits eine noch leichtere satellitengesteuerte Präzisionsbombe, die 250 Pfund schwere Small Diameter Bomb mit einer 50 Pfund-Sprengladung. Der Vorteil von kleineren und leichteren Bomben ist nicht nur die größere Chance, unerwünschte Schäden reduzieren zu können, sondern man kann auch mehr dieser Bomben auf einem Flug mitführen, also mehrere Ziele oder ein Ziel wiederholt angreifen. Überdies soll sie auch befestigte Ziele zerstören können, die bislang nur mit weitaus größeren Bomben angegriffen werden konnten. Die Small Diameter Bomb (SDB) soll auch mit Drohnen eingesetzt werden.