Neuer Wasserstoff-Streit zwischen Berlin und Paris

EU debattiert Renewable Energy Directive III: Deutschland wehrt sich noch gegen den Versuch Frankreichs, über Atomkraft erzeugten Wasserstoff als "grün" zu kennzeichnen. Wahrscheinlich wird die Regierung Scholz wieder umfallen. Kommentar.

Es ist eine lächerliche Debatte, die als angeblicher Streit zwischen Paris und Berlin über Wasserstoff aus Atomstrom breitgetreten wird, an dem auch Spanien am Rand als Deutschland-Unterstützer mitspielen darf.

Erst ging der Streit um die MidCat-Pipeline, die schon zum Teil schon gebaut ist. Über sie sollte neben Gas angeblich auch Wasserstoff aus Spanien über die Pyrenäen nach Frankreich und dann nach Deutschland geleitet werden. Diesen Kampf hat Bundeskanzler Olaf Scholz schon verloren, das Projekt wurde beerdigt.

Man hat zwischenzeitlich aber einen neuen Kompromiss gefunden. Der wird noch teurer, erscheint noch unsinniger und wird über EU-Gelder finanziert: "H2Med". Über die Röhre soll angeblich "grüner" Wasserstoff aus dem katalanischen Barcelona unter dem Mittelmeer nach Marseille geleitet werden, wo er dann auch nach Deutschland transportiert wird.

Doch den Wasserstoff, der aus überschüssigem Strom aus erneuerbaren Quellen aus der Iberischen Halbinsel produziert wird, gibt es nicht. Das hat Telepolis ebenso aufgezeigt, wie wir auch darauf verwiesen haben, dass es ein unsinniges Unterfangen ist, die erste Wasserstoff-Pipeline, für die enorme Materialanforderungen gelten, nicht zuletzt an die Dichtigkeit, ausgerechnet als Unterwasser-Projekt zu planen.

Etikettenschwindel

Letztlich ist wohl allen klar, dass auch das nur eine Gaspipeline werden wird, dass man es real mit einem Etikettenschwindel zu tun hat, vor allem wenn man den Zeitrahmen bis 2030 einhalten will. Dieser Vorspann ist wichtig, weil sich Frankreich darauf bezieht, wie wir sehen werden.

Man kann die absurde Debatte um das Wasserstoff-Märchen offenbar noch weiterdrehen. Das passiert gerade, denn nun ist ein virtueller Streit darüber entbrannt, dass Paris Wasserstoff aus Atomstrom nun "grün" kennzeichnen will.

Dagegen wendet sich Scholz (noch), weshalb Emmanuel Macron in Paris angeblich wieder einmal verstimmt sein soll. Die Verstörungen haben in der letzten Zeit vermutlich aber nur deshalb zugenommen, weil Macron mit seiner schwachen Regierung unter Druck steht.

Derzeit muss er offensichtlich die nationalistische Karte gegen Deutschland spielen, da er innenpolitisch wegen seiner Rentenreform erneut im Kreuzfeuer steht und er im Land mit einer riesigen Widerstandsbewegung konfrontiert ist.

Die Nachrichtenagentur Reuters berichtete kürzlich von dem angeblichen neuen "Streit". Frankreich will bekanntlich (angeblich) über seine Atomkraftwerke auch Wasserstoff produzieren.

Aus rotem Wasserstoff soll grüner werden

Das Land führt eine Kampagne mit Polen und sieben weiteren Ländern an, um aus Atomstrom produzierten Wasserstoff – bisher "roter" Wasserstoff genannt – genauso wie die Atomkraft an sich nun auch als "grün" bezeichnen. Das Greenwashing ist den Atomfreunden im Nachbarland über die Taxonomie schon gelungen. Jetzt soll konsequenterweise eben auch roter Wasserstoff grün angestrichen werden.

Derzeit wird die Renewable Energy Directive III (RED III) debattiert und in den neuen EU-Zielen für erneuerbare Energien soll nach Lesart aus Paris eben auch Wasserstoff aus Atomstrom berücksichtigt werden, wobei man sich eigentlich auf grünen Wasserstoff konzentrieren wollte.

Paris wirft jetzt Deutschland und Spanien vor, sich nicht an die Zusagen zu halten, die ihre Staats- und Regierungschefs bei Treffen in Barcelona und Paris gemacht haben, um "kohlenstoffarme" Energie als sauber anzusehen. Macron habe nach Angaben aus Paris dem H2Med-Projekt nur zugestimmt, weil es dafür als Gegenleistung das OK für das Greenwashing von rotem Wasserstoff aus Berlin und Madrid gegeben habe.

Die französische Energieministerin Agnès Pannier-Runacher hatte erklärt:

Diese Verhandlungen nehmen keine gute Wendung. Es wäre unverständlich, wenn Spanien und Deutschland in Brüssel unterschiedliche Positionen einnehmen und ihre Verpflichtungen nicht einhalten würden.

Agnès Pannier-Runacher

Da die SPD von Scholz und die Grünen in der Frage, ob Atomkraft in die Taxonomie aufgenommen wird, schon umgefallen sind, wird die Ampelregierung auch beim Unterfangen mitspielen, roten Wasserstoff grün anzustreichen.

Scholz tut für die Bundesregierung nur so, als wolle er das verhindern, um im Atom-Eiertanz nicht noch stärker unter Druck zu kommen. Schließlich ist die Ampel in Deutschland sogar in der Atomkraftfrage umgefallen und hat die Laufzeit für drei gefährliche Meiler verlängert.

Dort stehen wichtige Prüfungen für etliche Jahre aus. Den Strom braucht bestenfalls nur das Atomstromland Frankreich, um den anstehenden Blackout zu vermeiden.

Wie absurd die Debatte über die Umwidmung von roten zum grünen Wasserstoff ist, zeigt sich daran, dass Frankreich keinen Atomstrom übrig hat, mit dem man roten Wasserstoff erzeugen könnte. Das verstärkt den Eindruck, dass es sich nur um ein Ablenkungsmanöver von Macron handeln kann, bei dem die Berliner Ampel mitspielt.

Am Tropf

Seit mehr als einem Jahr hängt Frankreich am europäischen Strom-Tropf, weil der altersschwache Atompark entweder wegen Korrosionsproblemen keinen Strom liefert, weil Kühlwasser fehlt, Brennstäbe abgebrannt sind, Gewerkschaften gegen die Rentenreform streiken oder man das "neue" Atomkraftwerk in Flamanville schon seit 10 Jahren nicht ans Netz bringt.

Am Freitag musste das Land in der Spitze fast acht Gigawatt aus dem Ausland importieren. Am Vortag waren es mehr als zehn Gigawatt.

Wie es aussieht, wird sich an der misslichen Lage in den nächsten 15 bis 20 Jahren in Frankreich auch nichts ändern. Sogar die optimistischsten Planungen der EDF sehen vor, dass frühestens bis 2043 die geplanten sechs neuen EPR-Meiler gebaut sein sollen. Die würden aber bestenfalls nur die Ausfälle anderer Uralt-Rissmeiler ersetzen, die immer anfälliger und gefährlicher werden.

Das weiß aber auch die EDF, weshalb man dort schon davon fabuliert, die Laufzeiten für Meiler sogar auf 80 Jahre zu verlängern, die für eine Laufzeit von 40 Jahren konzipiert wurden. Es ist abzusehen, dass damit das Risiko für einen Super-GAU steigt.