New Yorks Polizei rüstet sich für die Proteste gegen das Weltwirtschaftsforum

Der Tagungsort des von Davos in die Weltmetropole geflüchteten WEF wird zur "Fortress Waldorf" ausgebaut

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Um die Proteste der wieder wachsenden Anti-Globalisierungsbewegung gegen das Treffen des von Davos nach New York ausgewanderten World Economic Forum klein zu halten, rüstet die Stadt massiv auf. Doch die Globalisierungsgegner wollen sich nicht mürbe machen lassen.

Ein furchterregendes Titelbild zierte vergangene Woche die Gratis-Stadtzeitung Village Voice, die an jeder Straßenecke von Manhattan ausliegt: ein Hotelpage, der die Aktentasche irgendeines Geschäftsmannes trägt, sich aber nur mit Gasmaske durch das Hotel bewegen kann. Denn davor tobt eine Straßenschlacht zwischen Globalisierungsgegnern und Polizei.

Die dahinter steckende Botschaft, die das Bild nur vage suggerierte, machte erst die Titelstory in dem ehemals links-alternativen Wochenblatt deutlich: durch die Geschichte der Antiglobalisierungsgegner zieht sich eine Blutspur, die auch an New York nicht vorübergehen wird. Geradezu gewalttätig hatte sich schon Tage zuvor die größte lokale New Yorker Tageszeitung Daily News aufgeführt, die sonst eher den Demokraten als den Republikanern nahe steht. Friedliche Demonstrationen ja, wenn es denn unbedingt sein müsse, aber jegliche Störung ihres Alltags würden die New Yorker mit einem "Tritt in den Arsch quittieren, kapiert?", pöbelte das Massenblatt.

"Message to protesters: New Yorkers have suffered enough of late. We're mad as hell and we're not going to take it anymore. You have a right to free speech, but try to disrupt this town, and you'll get your anti-globalization butts kicked. Capish?"

Schließlich sei das Treffen des "World Economic Forum" zum "Segen der Stadt" arrangiert worden. Wer meine, die WEF-Konferenz sei verschwendetes Geld, das besser den Leidtragenden der Anschläge vom 11. September zugute kommen solle, der solle sich ansehen, wer von einem WEF-Treffen profitiere.

"Hello? The World Trade Center victims include the folks who have been suffering economically since Sept. 11: the hotel and restaurant workers, cab drivers and the rest of the labor force now laboring to make ends meet. They are glad to have the forum here."

Und dann die Drohung des Radaublattes, die seit dem 11. September gereizte Volksseele werde möglicherweise überkochen:

"New York will not be terrorized. We already know what that's like. Chant your slogans. Carry your banners. Wear your gas masks. Just don't test our patience. Because we no longer have any."

Ihrer Informationspflicht als Mainstream-Medium kam die New York Times Ende vergangener Woche besser nach. Sie versuchte, dem WEF-Treffen, einer losen Party der Politiker- und Wirtschaftselite, wenigstens ihren Verschwörerruf zu nehmen - der vom WEF selbst als auch von einem Teil seiner Gegner gerne gepflegt wird, und ließ sogar einen WEF-Gegner zu Wort kommen.

Masters of the Universe

"Masters of the Universe" hatte die "Financial Times" vergangenes Jahr die Regierungschefs, Vorstandsvorsitzenden, ausgewählten Vertreter von Medien, Religionsgruppen, Intellektuellen und weitere Apologeten des sich globalisierenden Kapitals ironisch genannt, die sich 31 Jahre lang im Schweizer Davos getroffen hatten - bis sie angesichts der massiven Proteste ausweichen mussten (Von den Bergen in die Stadt).

New York bot sich nach dem 11. September als Tagungsort an. Denn die Stadt beherbergt nicht nur sämtliche Banken und Großkonzerne der Welt. Die Behörden sind darüber hinaus - Stichworte Jahr 2000-Feiern, UNO-Millenniumsgipfel, 600 angemeldete Demonstrationen pro Jahr - vertraut mit Überwachungen, Absperrungen und Abriegelungen aller Art. Das in Verruf geratene WEF würde, so lautete das Kalkül seiner Organisatoren, mit einer ostentativen "Solidaritätskonferenz" in der 11. September-Stadt ihr Image wieder aufbessern. Schließlich, so scheint es, liegen die Sympathien der Bevölkerung auf Seiten der Behörden. War nicht auch das "Volk von Seattle" seit dem 11. September verstummt ?

"Stop the WEF" - "Shut down the WEF".

Doch dass das WEF in New York ungestört tagen wird, gilt wenige Tage vor der Konferenz (31. Januar bis 4. Februar) als ausgeschlossen. Denn mehrere linke und linksliberale Bündnisse haben Veranstaltungen und Gegenproteste angekündigt.

Da sind nicht nur die Nichtregierungsorganisationen des Public Eye on Davos, des New York City Social Forum, einem Ableger des gleichzeitig stattfindenden World Social Forum im brasilianischen Porto Alegre und von Public Citizen, die gegen das WEF mobilisieren. Auch die New Yorker Linke hat sich zum Bündnis Another World is possible aufgerafft und zeichnet verantwortlich für die zentrale Gegendemonstration am Samstag vor der "Festung Waldorf".

Bis zu 30.000 Menschen, so optimistische Schätzungen, werden ihrem Unmut so nahe wie möglich am WEF-Treffpunkt, dem Nobelhotel "Waldorf-Astoria", Ausdruck verleihen. Zudem findet an der Columbia-Universität auf der Manhattener Upper East Side ein studentischer Gegengipfel statt. Der Chef der Gewerkschaft AFL-CIO John Sweeney wird schon am Donnerstag zu einer Rede erwartet, die Autonomen und Anarchisten der Anti-Capitalist Convergence setzen am Wochenende auf "direct action" mit dem erklärten Ziel: "WEF dichtmachen". Daneben ruft das International Action Center zur "Begrüßung" der WEF-Gäste auf. Und im Internet soll wieder einmal ein WEF-Streik stattfinden, ein virtuelles Sit-In oder eine Online-Demonstration also, um die Website lahm zu legen.

"Fortress Waldorf" - "Operation Decorum at the Forum"

Damit Störungen verhindert werden, rüstet die New Yorker Polizei zur Zeit massiv auf. Unter dem Codenamen "Operation Decorum at the Forum" übten NYPD-Schüler zwei Wochen lang in einem New Yorker Sportstadium Einsätze gegen Globalisierungsgegner. Das gesamte Arsenal der Aufstandsbekämpfung wurde aufgefahren: von Massenfestnahmen und Knüppelorgien bis hin zu Hubschraubereinsätzen.

Koordiniert wird die Operation vom New Yorker Polizeichef Ray Kelly, der einst die US-"Marines" in Haiti befehligte. Mit von der Partie sind der Ex-Polizeichef von Philadelphia, John Timoney, unter dessen Regie die Proteste gegen die Parteiversammlung der Republikaner im Jahr 2000 mit Massenfestnahmen und Misshandlungen in Gefängnissen endeten. Diverse private Sicherheitsdienste sollen, ebenso wie die Bundespolizei FBI, der "Secret Service" und eigene Bodyguard-Truppen, für die Zügelung der Demonstranten sorgen und die Unversehrtheit der WEF-Delegierten - etwa 3.200 werden erwartet - gewährleisten.

Kelly hält sich und seinen 40.000 blau Uniformierten zugute, "die beste Polizeitruppe der Welt" zu sein. Der Tagungsort soll über mehrere Häuserblocke hinweg zur "Fortress Waldorf" ausgebaut werden, die nur für Delegierte zugänglich ist, "so abgesichert, dass Mister Präsident jederzeit zu Besuch kommen könnte", wie es heißt.

So oder so ist das "World Economic Forum" darauf aus, seinen Ruf als exklusiven Club zu wahren, der nur die nobelsten Ziele vor Augen hat. Dem "Waldorf Astoria" fällt dabei die Aufgabe zu, ein Maximum an Angeboten zu unterbreiten und die WEF-Gäste möglichst innerhalb der "frozen zone" um das Hotel zu binden. Was aber auch bedeutet, dass das fünftägige Treffen als Angelegenheit der "nationalen Sicherheit" gilt: mit Scharfschützen auf Hausdächern, schwer bewaffneten zivilen Greiftrupps auf den Strassen und einsatzbereiten Kampfflugzeugen der USA-Luftwaffe.

George Walker Bush wird nicht erscheinen, so der WEF- Sprecher Charles McLean, dafür aber bis zu acht Kabinettsmitglieder, darunter auch Außenminister Colin Powell. Eröffnet werden soll das Forum am Donnerstag durch den neuen afghanischen Präsidenten Hamid Karsai.

Der New Yorker Linken und ihren Gästen, die aus allen Bundesstaaten an die Stadt am Hudson-Fluss reisen werden, fällt unterdessen die ebenso schwierige wie ehrenvolle Aufgabe zu, frischen Wind in die globalisierungskritische Bewegung zu bringen und damit den Anspruch zu erneuern, dass "die Verhältnisse zum Tanzen" gebracht werden können. Ob dies gelingt oder von der Staatsmacht unterbunden wird, ist weltweit über mehrere Webseiten, etwa die des New Yorker Indymedia Center, mitzuverfolgen.