"Noch kein Kalter Krieg mit China"

Seite 2: "Biden fährt in vielen Bereichen ähnliche Linie wie Trump"

Ist es aber nicht die Entspannungspolitik Joe Bidens, die die Europäer entlastet - in Bezug auf China wie auch Russland -, nicht aber die eigene außen- und geopolitische Leistung?

Pascal Abb: Biden fährt tatsächlich in vielen Punkten eine ähnliche Linie gegenüber China, wie das auch schon Trump getan hat. Die Wahrnehmung Chinas als strategische Bedrohung ist in den USA inzwischen klar überparteilicher Konsens. Der Stil ist natürlich unterschiedlich, und besonders wichtig für Europa ist der stärkere Wille zur Einbindung von Alliierten. Das sorgt allerdings auch für mehr Druck, sich einer US-geführten Anti-China-Front anzuschließen, was ich persönlich für keine gewinnbringende Idee halte.

Insgesamt ist der Umgang mit China eine enorme Herausforderung für die europäische Außenpolitik, die auch gnadenlos ihre Probleme offenbart: Die Einzelstaaten müssen irgendwie unter einen Hut gebracht werden, und sowohl Washington als auch Peking können gezielten Druck auf sie ausüben. Zudem ist es immer schwierig, eine differenzierte Position wie das "Partner, Konkurrent, Rivale"-Modell zu vermitteln.

Sowohl die USA als auch China drängen auf eine klare Positionierung, und reagieren vergrätzt auf Zurückweisungen oder Richtungsänderungen. Die gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik bleibt eine Baustelle, aber die Blaupausen und Steine existieren schon.

Wie kann die EU denn losgelöst von der Nato, der ja die meisten ihrer Mitglieder angehören, überhaupt eine Vermittlerrolle einnehmen? Oder, anders gefragt, inwieweit steht der Nordatlantikpakt als Relikt des Kalten Krieges einer geopolitischen Friedensordnung im Weg?

Pascal Abb: Europäische Länder haben schon während des Kalten Krieges eine eigenständige Entspannungspolitik gegenüber der Sowjetunion betrieben, ohne dabei die transatlantische Bindung in Frage zu stellen. Warum sollte uns dasselbe nicht heute auch gelingen, in einem vergleichsweise niederschwelligen Konflikt? Die EU ist dafür aus mehreren Gründen die geeignete Plattform. Als geeinter Markt hat sie ein nicht unerhebliches geopolitisches Gewicht, sie steht für Inklusion statt Lagerdenken, und genießt zudem in der Welt Glaubwürdigkeit als multilateral orientierter, selbst nicht hegemonialer Akteur. Der Wunsch nach einer größeren "strategischen Autonomie" Europas wird auch nach Trump bestehen bleiben und dafür sorgen, dass man weiter an den eigenen Kapazitäten feilt.

Mitunter ist in westlichen Medien beim Blick auf China von einem neuen Kalten Krieg die Rede. Besteht dem gegenüber aber nicht die Chance, dass sich westlicher Liberalismus und die chinesische Vision von gesellschaftlicher Entwicklung ergänzen?

Pascal Abb: In einem neuen Kalten Krieg mit China befinden wir uns noch nicht, und so schlimm wird es angesichts der bestehenden, vielfältigen Beziehungen zu China hoffentlich auch nicht kommen. Wir sehen auch nach wie vor einige Bereiche, in denen Europa und China trotz ihrer weltanschaulichen Differenzen kooperieren können. Konkret nennen wir neben der BRI im Friedensgutachten etwa auch das geteilte Interesse an Stabilisierungsmaßnahmen in Afrika.

China hat sich dort an zahlreichen Peacekeeping-Operationen beteiligt und entwickelt inzwischen auch ein breiteres Interesse an Peacebuilding, der nachhaltigen Befriedung von Konfliktländern. In diesem Bereich wird sich etwa zeigen, wie kompatibel der westlich-liberale Fokus auf politischer Inklusion mit den chinesischen Vorstellungen eines Primats wirtschaftlicher Entwicklung ist. Zumindest bislang hat das ein Nebeneinander nicht verhindert, auch wenn ein stärkeres Miteinander hilfreich wäre.

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