"Noch kein Kalter Krieg mit China"

Seite 3: Warum die Neue Seidenstraße friedenspolitisch relevant ist

Welche Rolle spielt das Projekt der Neuen Seidenstraße oder Belt-and-Road-Initiative (BRI) aus friedenspolitischer Sicht?

Pascal Abb: Die BRI ist vor allem deshalb friedenspolitisch relevant, weil sich zahlreiche ihrer Investitionen in fragilen und konfliktanfälligen Staaten konzentrieren. Wir haben kürzlich einen Report zu ihren dortigen Auswirkungen veröffentlicht.

Einerseits hat das Vorteile, weil diese Länder dadurch eine bessere Chance auf wirtschaftliche Entwicklung erhalten, da ihnen andere Kapitalquellen oft verschlossen bleiben. Andererseits nimmt die lokale Implementierung von BRI-Projekten selten auf existierende Konfliktlinien Rücksicht, und Kosten und Nutzen sind meist sehr ungleich verteilt, wodurch diese teils noch weiter verschärft werden.

Wir denken, dass eine konfliktsensitivere Ausgestaltung der BRI grundsätzlich von Vorteil für alle beteiligten wäre, und werben da auch für eine konstruktive europäische Mitarbeit.

Herr Abb, nun sind Sie Sinologe und wissenschaftlicher Mitarbeiter bei der Hessischen Stiftung Friedens- und Konfliktforschung. Mal ehrlich: Wie verzweifelt sind Sie, wenn Sie den verengten Blick auf China in Medien und Politik sehen, wo wünschen Sie sich mehr Verständnis für das Reich der Mitte?

Pascal Abb: Ich sehe zwei große Probleme: Zum einen verfällt man teils in eine überzogene Ehrfurcht und sieht China als einen unaufhaltsamen, straff zentralistisch organisierten Koloss, dessen Handeln einem genau festgelegten Plan folgt. Die zahlreichen Probleme, mit denen sich das Land konfrontiert sieht, kommen meist nur punktuell zur Sprache, wie aktuell die Überalterung.

Die Pluralisierung von Chinas Gesellschaft, die zersplitterte Staatsbürokratie, die Paranoia des Regimes und der schwierige Umgang mit nationalistischen Graswurzelbewegungen zeichnen ein deutlich anderes Bild. Um China und sein Handeln in der Welt zu verstehen, sollten wir auch immer die Schwächen des Landes im Blick haben.

Zum anderen haben wir ein Problem damit, rational mit der Entfaltung von Chinas Macht in der Welt umzugehen. Wachsender chinesischer Einfluss wird häufig als etwas per se negativ dargestellt, anstatt zu fragen, was für Auswirkungen er in einzelnen Bereichen hat, und wo er sich vielleicht in die richtigen Bahnen lenken lässt.

Da würde ich mir differenziertere Darstellungen wünschen, im eigenen Interesse. Wenn die politische Stimmung zu einem reflexiven "Dagegenhalten" gegen chinesische Aktivitäten führt, verschenkt das nicht nur Kooperationspotentiale, sondern würde auch zwangsläufig zu einer Überdehnung europäischer Mittel führen.

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