"Nosferatu – Der Untote": Der Horror haust in den Karpaten

Ein Bild aus dem Film: Frau, die sich erschreckt, voller Panik das Kleid zerreißt

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Ein Vampir für die Tik-Tok-Generation: Robert Eggers allzu beflissenes Remake. Ein Klassiker unter dem Brennglas der Gegenwart – was bleibt, was verblasst.

I will show you fear in a handful of dust.

T.S.Eliot

"Der Trailer war echt gut geschnitten", sagte eine Zuschauerin direkt nach der Weltpremiere von "Nosferatu – Der Untote", am 2. Dezember im Berliner Zoo-Palast. Eine typische Zuschauerreaktion nach einem Film, der im Trailer und der übrigen Marketingkampagne schon ein bisschen sehr aufgeblasen daherkommt.

Die Geschichte von "Nosferatu", grob angelehnt an Bram Stoker weltberühmte Novelle "Dracula" dreht sich um einen mächtigen Vampir. Und wieder einmal ist das Opfer einer Frau nötig, um das Monster zu besiegen.

Friedrich Wilhelm Murnau hat diese Geschichte 1922 erstmals verfilmt, und damit den Grundstein für alle Vampirfilme gelegt. Werner Herzog 1979 und Francis Ford Coppola 1992 haben sie neu verfilmt, mit jeweils sehr eigener Note – jetzt hat sich der US-amerikanische Horrorspezialist Robert Eggers des Stoffes angenommen: "Nosferatu – Der Untote" heißt sein Remake, das am Donnerstag in die Kinos kommt.

Erschütternde Wirkung auf das Unbewusste

In "Nosferatu" adaptierte Friedrich Wilhelm Murnau 1922 Bram Stokers Novelle "Dracula" für das immer noch neue Medium des Kinos. Man kann daher bereits diesen Film selbst als ein Remake oder eine Kopie bezeichnen.

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Allerdings fügte Murnau den Worten der Erzählung etwas Neues, Unvergleichliches hinzu: Bilder, die kraftvoll und poetisch unmittelbar das Publikum berührten und den inneren Vorstellungen der Leser unerahnte äußere Abbilder hinzufügten, deren starker sinnlicher, erschütternder Wirkung auch auf das Unterbewusste sich kaum entziehen konnte.

"Nosferatu" traf mit seinen Licht-Schatten-Effekten und seinem Naturalismus das Publikum ins Mark, ließ auch durch Max Schrecks abgründige Vampirfigur erschauern, und war damit tatsächlich eine bis in die Gegenwart unter die Haut gehende "Symphonie des Grauens", wie es der Untertitel versprach.

Der Film wurde so ähnlich epochemachend wie die Vorlage, und direkt nach seinem Erscheinen ein sofortiger, sehr wirkungsvoller Klassiker, und Grundstein wie Auslöser einer ganzen Welle von Horror-Literaturverfilmungen und Nachahmungen (deren berühmteste Dreyers "Vampyr" von 1932 war).

Art-Horror-Held in Ehrfurcht erstarrt

Ähnliches wird man bei allem Respekt in 50 oder 100 Jahren über Robert Eggers Remake "Nosferatu – Der Untote" wohl nicht behaupten können. Dafür ist das Original vielleicht einfach zu stark; vor allem aber ist dieser neue Film selbst viel zu respektvoll.

Eggers, in dem manche mit guten Gründen einen Genre-Auteur und Begründer des "Art-Horror"-Booms erkennen, jedenfalls aber ein origineller und eigenwilliger Regie-Kopf, erstarrt hier allzu sehr in Ehrfurcht vor seinem erklärten Lieblingsfilm, den er im Alter von acht Jahren erstmals gesehen haben will.

Pest und Grusel

Die Geschichte von Nosferatu darf als bekannt vorausgesetzt werden. Grob angelehnt an Bram Stokers weltberühmte Novelle "Dracula" dreht sich alles um einen mächtigen Vampir – und wieder einmal ist das Opfer einer Frau nötig, um das Monster zu besiegen.

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Eggers' "Nosferatu" ist ein in seiner Erzählung über weite Strecken haargenaues Remake des Murnau-Films: Es geht um einen unbedarften, frisch verheirateten Jüngling namens Hutter (hier gespielt von Nicholas Hoult), der aus seiner Heimatstadt Wisborg in die Karpaten geschickt wird, um dort in wichtigen Geschäften den mysteriösen Grafen Orlok (Bill Skarsgaard) aufzusuchen.

Die ganze Reise lässt bereits Schlimmes ahnen: Die Menschen aus dem Volk reagieren abergläubisch auf die Erwähnung seines Reiseziels, Hutter wird gewarnt, böse Vorzeichen häufen sich, seine Umgebung meidet ihn wie einen Aussätzigen, er wird Zeuge von Zigeunerfolkore und von Ritualen, die vielleicht heidnisch, vielleicht satanistisch sind, und in denen unbekleidete junge Frauen eine zentrale Rolle spielen.

Endlich auf gefahrvollen Wegen im Schloss des Grafen angekommen, entpuppt Orlok sich bald als Vampir. Knapp dem Tod entronnen, hat Hutter aber das Monster nun auf die Spur seiner Braut Ellen (Lily-Rose Depp) gesetzt. Per Schiff reist es nach Wisborg, im Gefolge eine pestübertragende Rattenschar, und bringt der Stadt Tod und Verderben, bevor Ellen sich opfert und dadurch auch Orlok in den Tod reißt und den Fluch beendet.

Die Erotik des Vampirs und seines Blutdurstes

Diese Story erzählt Eggers getreulich nach, gegenüber Murnau erweitert um Farbe und Ton – aber auch dies ist nicht grundsätzlich neu. Werner Herzog hat es bereits 1979 in seinem ansonsten sehr antiquarischen Remake – mit Klaus Kinski als Vampir – unternommen.

Und Francis Ford Coppolas Glam-Variante von 1992 ("Bram Stokers Dracula") erzählt die ganze Story einerseits weitaus schneller, abgespeckter uns ökonomischer, zugleich aber betont Coppola den Charakter dieser Geschichte als einer männlichen Phantasie – und malt die sexuellen Verführungen für Hutter stärker aus, ebenso die Erotik des Vampirs und seines Blutdurstes.

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Zugunsten von Eggers könnte man sagen, dass er die weibliche Seite, Ellens Begehren und Sehnen stärker macht – aber Nein! Auch das gelang Coppola besser: Im Zusammentreffen von Winona Ryder und Gary Oldman sprühen jede Sekunde mehr Funken, als zwischen Lily-Rose Depp und Bill Skarsgaard im ganzen Film.

Biederes Remake

Warum also der ganze Aufwand, außer um einen Klassiker zeitgeistig und etwas modisch für die Tik-Tok-Generation aufzupeppen? So wie jede Zeit ihren Shakespeare hat, darf es auch alle paar Dekaden ein neuer "Nosferatu" sein. Vielleicht genügt diese Feststellung.

"Nosferatu – Der Untote" ist ein gut gemachter, technisch zum Teil perfekter Film. Seine Bilder und Effekte erlauben es, sich gepflegt zu gruseln – der perfekte Date-Movie, bei dem die Publikumsleiber sich schutzsuchend aneinanderschmiegen können.

Aber es ist kein Film, der das große Vorbild an irgendeiner Stelle erweitert, überschreitet oder gar konterkariert. Ihm fehlt die Seele und die Poesie, das Ungreifbare, das große Filme unvergesslich macht. Auch damit verrät "Nosferatu – Der Untote" uns allerdings einiges über den herrschenden Zeitgeist.

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Zum einen über ein Kino, das selbst in seinen ehrgeizigeren Teilen künstlerisch wenig bis gar nichts wagt, das sich lieber risikoscheu auf vertrauten Bahnen bewegt. Wo die schlichteren Gemüter mit der x-ten Variante eines Marvel-"Epos" abgespeist werden, bekommt die Arthouse-Fraktion eben einen "Nosferatu", der es bei der Hommage belässt, aber weder ernsthaft schockiert, noch die Vorlage infrage stellt.

Es ist nicht weiter als ein weitgehend biederes und wie man so sagt zeitgemäßes Remake. Bloß keine Fehler machen, scheint sich Eggers gedacht zu haben. Diese Haltung ist nicht genug.

Wer sündigt, der muss sterben

In Eggers' historistischer Herangehensweise liegt aber noch ein zweites, beunruhigenderes Element: Schon Murnaus Zeitgenossen bemerkten ein klischiertes Bild Osteuropas, das schmutzig, gefährlich, ein bisschen pervers, höchst mysteriös und entweder von Idioten oder von Monstern bevölkert erscheint.

Und "das Fremde" war in "Nosferatu" 1922 ausschließlich mit Krankheit und Tod konnotiert, nicht ohne Untertöne, die manchen gar als "antisemitisch" erschienen. Zumal der "Blutsauger" schon bei Marx zudem ein Kapitalist ist.

Auch diese Bilder werden von Eggers' Adaptation getreulich reproduziert, aber nie gebrochen. Zumindest in dieser Hinsicht wendet sich die beflissene Verehrerhaltung gegen den Film selbst.

Nicht besser wird es, weil hier Horror nicht benutzt wird, um die Gesellschaft infragezustellen, zu destabilisieren, sondern um sie im Gegenteil zusammenzubinden. Wie bei den Taliban sind Frauen hier die Sünderinnen, die die die patriarchale Welt destabilisieren durch ihre Träume, Wünsche, Gelüste. Wer sündigt, der muss sterben.

Pandemiemetapher, Feier des Irrationalismus, Paranoia - wo ist der Punkt?

Die Eigentliche Frage, die dieser Film aber aufwirft, ist: Wozu gibt es ihn überhaupt? Was will Robert Eggers von "Nosferatu"? Von Murnau? Und vom Vampirstoff?

Wo ist der Punkt?

Man kann den Film "nach Corona" nicht sehen, ohne auch eine Pandiemiemetapher zu entdecken, an Ausgangssperren und Ansteckungsdiskurse zu denken. Auch als solche ist "Nosferatu – der Untote" ein reaktionärer Film, der in der Angst der Menschen nicht den Wahn und das soziale Konstrukt findet, sondern die Wahrheit, die "reale" Ursache, die nur Idioten leugnen oder in ihren Gefahren minimieren.

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Bei Eggers gibt es auf sie auch nur eine Antwort, und einige wenige "große", "einzelne" Männer, die sie kennen und durchzusetzen wissen. Und wenn Eggers uns diese Geschichte erzählt, meint er es ernst.

Es war die vor 20 Jahren gestorbene US-amerikanische Jahrhundertintellektuelle Susan Sontag, die 1977 in ihrem berühmten Essay "Krankheit als Metapher" forderte, Krankheiten ausschließlich als physiologische Phänomene zu verstehen und nicht in sie den Befund hineinzuinterpretieren, dass etwa Krebs eine Krankheit "unzureichender Leidenschaft sei, die diejenigen befalle, die sexuell unterdrückt, gehemmt, unspontan sind und unfähig, Wut auszudrücken". Oder 1989 ("Aids und seine Metaphern"), dass Aids als Bestrafung für "fehlgeleitetes" sexuelles Verhalten oder Drogenkonsum interpretiert würde.

Den Irrationalismus feiert Eggers, so wie er in den Wikingern seines "Northman" den Exzess und das Barbarische entdeckte, nicht die frühe Hochkultur. Das Zurück zur Natur, nicht, das, was ihr abgerungen wird.

Hier ist es ähnlich: Der Vampir ist weniger eine andere Kultur, ein entfernter Verwandter des Menschen, als "das Andere" der Gegenkultur. Es ist etwas, das getötet werden muss, nicht erlöst.