Null Toleranz für Rassismus?
Spanien: Fast die Hälfte aller Festgenommenen sind Ausländer
Am Internationalen Tag gegen Rassismus hat die spanische Regierung "Null Toleranz gegen Rassismus" bekundet. Doch vor allem die Sicherheitskräfte stehen immer wieder wegen rassistischen Übergriffen in der Kritik. Stärker werdende Proteste gibt es auch an der derzeit laufenden Regulierung von Einwanderern. Eine Million Menschen sollen sich ohne gültige Papiere im spanischen Staat aufhalten, ein Großteil sollte durch die außerordentliche Maßnahme einen legalen Status erhalten. Doch der Vorgang läuft schleppend, weshalb die sozialistische Regierung die Kriterien aufweicht. Für den 2. April werden massive Proteste erwartet.
Vor 45 Jahren wurde am 21. März in der südafrikanischen Stadt Sharpeville eine friedliche Demonstration von der Apartheidregierung blutig unterdrückt. 69 Menschen wurden getötet und viele verletzt. 1966 hat die UN-Generalversammlung das Massaker zum Anlass genommen, um den 21. März zum Internationalen Tag gegen Rassismus zu machen. Auch der 45. Jahrestag wurde weltweit genutzt, um gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit zu demonstrieren und auf dessen Auswirkungen hinzuweisen.
Politische Rhetorik setzt derzeit verstärkt auf Vorurteile
So wurden erneut diverse Studien zum Thema veröffentlicht. Der französische Politologe Jean-Yves Camus stellte gestern in Paris eine Untersuchung zur Rhetorik der EU-Parteien vor der Europäischen Kommission gegen Rassismus und Intoleranz (Ecri) vor. Demnach finden rassistische Argumente auch starken Widerhall bei etablierten Parteien und nicht nur bei der extremen Rechten. Die politische Rhetorik setze derzeit verstärkt auf Vorurteile gegen den Islam: Gefahr vor terroristischen Anschlägen gelte als Ausrede für Islamophobie (vgl. Islamophobie nach Anschlägen in Madrid), andererseits werde auch Kritik an Israel als Vorwand für Antisemitismus benutzt (vgl. Antisemitismus).
Aber der Anti-Rassismustag wird auch genutzt, um großspurige Ankündigungen zu machen. Die haben mit der Realität oft wenig zu tun, weshalb meist schnell wieder zum Alltag übergegangen wird. Ein Beispiel dürfte die Erklärung der regierenden Sozialisten (PSOE) in Spanien sein. "Null Toleranz gegen den Rassismus" haben sie in einem Manifest zum Internationalen Tag gegen Rassismus gefordert und darin ein Ansteigen des Rassismus zugegeben. Sofort wurde ein "Integrierter Plan" angekündigt, um gegen jede "Form des Rassismus und der Fremdenfeindlichkeit" vorzugehen.
Inadäquate Anwendung der Gesetze
Dabei wäre erst einmal die Anwendung der Gesetze und Menschenrechte gefragt. Ecri kritisierte, in Spanien würde Rassismus schon durch die "inadäquate Anwendung" bestehender Rechtsnormen gefördert. "In der öffentlichen Debatte" würden zudem "ausschweifend Argumente und Bilder benutzt, die ein negatives Klima über die Einwanderung und der Einwanderer erzeugen". Dieses Klima werde nach Ansicht der Gewerkschaft USO über die Verknüpfung von Einwanderung und Kriminalität erzeugt und das Ergebnis spiegelt sich dann bei Festnahmen wieder. Deren große Zahl dient dann wieder als Argument für diesen angeblichen Zusammenhang. Dass in Spanien 46 Prozent aller Festgenommenen Ausländer seien, ist für Ecri "unverhältnismäßig". Auch "diskriminierende Kontrollen und Misshandlungen" werden anprangert.
Die Übergriffe sind seit Übernahme der Macht durch die Sozialisten vor einem Jahr sogar noch angestiegen, stellt auch die gestern vorgestellte Studie von SOS Rassismus in Katalonien fest. In der Region ist die Zahl der angezeigten rassistischen Übergriffe um 13 Prozent gewachsen. Hervor sticht, dass 26 Prozent dieser Fälle auf die Rechnung der Sicherheitskräfte gingen. Im Jahr zuvor waren es noch 21 Prozent. Dabei handelt es sich auch um massive Übergriffe, die Amnesty International als "rassistische Folter" bezeichnet (vgl. Isolationshaft ermöglicht Menschenrechtsverstöße). Statt neuer Pläne sollte also erst einmal die Beachtung elementarer Rechte, vor allem von Staatsdienern, garantiert werden.
Abschiebung statt Integration
Dass sich Spanien für die inadäquate Anwendung seiner Gesetze kritisieren lassen muss, sollte den Sozialisten besonders weh tun. Denn schließlich muss man sich zu Hause die scharfe Kritik gefallen lassen, die derzeit durchgeführte Regulierung von Einwandern werde auf der Basis eines "verfassungswidrigen und restriktiven Gesetzes" vorgenommen. Das hatten die konservativen Vorgänger verabschiedet (vgl. Spanien und die Ausländer), dass die PSOE als der Opposition noch heftig kritisiert hatte (vgl. Aufenthaltsgenehmigung, Abschiebung und Abschottung). Denn statt auf Integration setzt dieses Ausländergesetz auf Abschiebung und behält Einwandern sogar elementare Rechte wie das Streikrecht und die Organisationsfreiheit vor.
Aber selbst die Regulierung, mit der man sich progressiv geben wollte, droht zum Schlag ins Wasser zu werden. Deshalb hat die Regierung letzte Woche die Kriterien aufgeweicht, nach denen die Anträge gestellt werden können. Schließlich rechnet sie auch mit deutlichen Einnahmen in der Sozialversicherung. Beigetragen dazu haben aber auch die Proteste von Einwandern, Gewerkschaften und Menschenrechtsorganisationen. Die gehen davon aus, dass unter den bestehenden Kriterien etwa 70 Prozent der Betroffenen ausgeschlossen seien. Von den geplanten 600.000 Menschen kann in der Halbzeit der Regulierung keine Rede sein. In der letzten Woche waren ganze 130.000 Anträge eingegangen.
Administrative Tricks
So wurde zunächst die Regelung für die Landwirtschaft verändert. War hier ohnehin nur ein dreimonatiger Arbeitsvertrag nötig, dürfen nun sogar mehrere Verträge verschiedener Arbeitgeber summiert werden. Die praktische Handhabung wird schwierig. Nur der Arbeitgeber kann den Antrag auf Regulierung stellen. Nun fragt sich nur, welcher? Zudem kündigt die Regierung massive Kontrollen gegen die Schattenwirtschaft nach dem Ende der Regulierung am 7. Mai an, um Druck auf die Arbeitgeber zu machen.
Wahrscheinlich ist, dass die Summierung von Verträgen auch in anderen Bereichen erlaubt wird, wo bisher noch ein halbjähriger Vertrag gefordert wird. Änderungen dürfte es auch daran geben, wie der Nachweis geführt wird, seit dem 7. August 2004 im Land zu sein. Bisher gilt nur ein Auszug aus dem Melderegister. Denn es wurde bekannt, dass es vielen mit administrativen Tricks unmöglich gemacht wurde, sich anzumelden.
Wir haben Fälle, in denen die Meldeämter jetzt auf die Anträge reagieren, die vor einem Jahr gestellt wurden.
Antonio Lureña, Gewerkschaft UGT
Bisher fallen diese Betroffenen durch die groben Maschen des Dekrets.
Nach Demonstrationen, Hungerstreiks und Selbsteinschließungen von Einwandern, wird von etlichen Initiativen für den 2. April ein allgemeiner Aktionstag vorbereitet.