Nur die USA können den IS besiegen?

US-Special-Force-Soldat im Irak, 2015. Bild: US-Verteidigungsministerium/gemeinfrei.

Freilaufende IS-Milizen in Syrien und eingesperrte IS-Dschihadisten mit einer europäischen Nationalität: Probleme nach dem Niedergang des Kalifats

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Ungefähr 4.000 IS-Kämpfer sollen nach Behördenangaben in der Autonomen Region Kurdistan hinter Schloss und Riegel sitzen; im Irak sollen insgesamt 20.000 verdächtige Dschihadisten inhaftiert sein. Die letztere Zahl ist aber lediglich eine Schätzung von Experten, wie Le Monde berichtet. Die irakischen Behörden hätten dazu noch niemals eine Zahl genannt.

Mit den Zahlen lässt sich politischer Druck ausüben, so der Eindruck, der in den letzten Wochen entstanden ist. In Frankreich sind, wie hier mehrfach berichtet, seit Wochen IS-Anhängerinnen Thema in den Medien, weil die französischen Staatsbürgerinnen nach dem Niedergang des IS-Kalifats mit ihren Kindern wieder zurück wollen, die Regierung dies aber nicht will (siehe Dschihadistinnen sollen bleiben, wo sie sind).

Frankreich will sich nicht einmischen

Die Frauen, um die es in diesen Fällen geht, befinden sich in Gewahrsam der YPG in Nordsyrien. Dort sollen sie auch abgeurteilt werden, erklärte der französische Regierungssprecher. Wenn es gerecht zugehe und den Frauen eine Verteidigung vor Gericht gestellt würde, so werde sich Frankreich nicht einmischen.

Dass die Rechtsprechung der syrischen Kurden international nicht die Gültigkeit beanspruchen kann, wie sie die Rechtsprechung eines offiziellen syrischen Gerichts hat, spielte in der Argumentation der Regierung in Paris noch keine Rolle (siehe Französische IS-Anhängerin König: Politikum der besonderen Art).

Die französische Justizministerin hatte sich kürzlich noch einmal zur Sache geäußert und bekräftigt, dass sich Frankreich nur einmischen werde, wenn französische Staatsbürger zum Tod verurteilt werden (siehe Zum Tode verurteilte Dschihadisten: Welches Recht soll gelten?).

Dschihadisten mit europäischem Pass - ein politisch verwertbares Pfand?

Der Journalist Wassim Nasr, in Frankreich bekannt als Experte des Konfliktes in Syrien und im Irak mit Kontakten zu Dschihadisten, machte mehrfach geltend, dass die Regierung die französischen Staatsbürger besser unter ihre Kontrolle bringen sollte, da sie sich politisch erpressbar machen könnte, wenn sich diese in der Gewalt anderer befinden - zumal in den Krisengebieten wenig auf längere Frist vorhersehbar sei.

Sollten die IS-Anhängerinnen zum Beispiel von den syrischen Kurden in den Gewahrsam der Regierung Baschar al-Assad gelangen, so könnte das der Regierung in Paris "Kopfschmerzen bereiten", argumentiert Nasr. Die französische Staatsbürgerschaft der Dschihadisten könnte sich als Pfand, das "politisch verwertbar" wäre, herausstellen. Das ist die Annahme, die dieser Position zugrunde liegt.

Le Drian: Dschihadisten sind persona non grata

Man kann davon ausgehen, dass der französische Außenminister Jean-Yves Le Drian eine andere Annahme verfolgt. Für ihn, wie für die Regierung, der er angehört, sind die Dschihadisten persona non grata, unerwünschte gefährliche Personen, die man, wenn es irgendwie geht, auf keinen Fall im Land haben will.

Angesprochen auf den Umgang mit "einer Hundertschaft" französischer IS-Dschihadisten, die in Gefängnissen der Kurden im Nordirak von weiteren Gräueltaten abgehalten werden, bekräftigte Drian denn auch laut Le Monde, dass sie seiner Auffassung nach dort auch abgeurteilt werden sollen .

"Sie werden nicht repatriiert. Weil sie Kämpfer sind - Feinde, das gilt für den Irak und das gilt für Syrien -, die Bürger in Syrien bekämpft haben, die Türken bekämpft haben, die vergewaltigt haben, die barbarische Akte begangen haben", wird Le Drian zitiert.

Angesprochen auf sechs Familien antwortete er wie die Justizministerin zuvor: Man überlasse das Verfahren der irakischen Justiz. Einschreiten werde die französische Regierung nur im Falle eines Todesurteils. Mit den Kindern werde anders verfahren - wie, das ist noch nicht bekannt.

Einmischung nur bei Todesstrafe

Seit der Abschaffung der Todesstrafe in Frankreich 1981 versuchen die Regierungen in Paris zu verhindern, dass ein französischer Staatsangehöriger in einem anderen Land zum Tode verurteilt wird. Der letzte Fall einer solchen Verurteilung stammt von 1977. Wahrscheinlich ist, dass die französischen Vertreter im Irak darauf drängen werden, dass die französischen IS-Dschihadisten zu langjährigen Gefängnisstrafen verurteilt werden statt zum Tode.

Wie sehr sie sich engagieren werden, muss sich aber erst zeigen. Bislang ist noch nicht klar, mit welchem Härtegrad die Gerichte in Nordkurdistan in diesen Fällen verfahren werden. Bei über hundert Fällen ist es möglich, dass die Sache eine politische Dimension bekommt.

Indessen zeigt ein kürzlich erschienener Artikel der New York Times auf, wie das Wenige oder Ungefähre, das der Öffentlichkeit über die Zahl der IS-Milizen und ihren Verbleib nach dem Fall des IS-Kalifats bekannt ist, zur politischen Instrumentalisierung taugt.