Zum Tode verurteilte Dschihadisten: Welches Recht soll gelten?
- Zum Tode verurteilte Dschihadisten: Welches Recht soll gelten?
- Ein Todesurteil gegen eine deutsche Dschihadistin
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Frankreich und Deutschland haben ein sehr ähnliches Problem mit ihren Staatsbürgern, die sich dem IS angeschlossen haben
Frankreich und Deutschland haben ein sehr ähnliches Problem mit ihren Staatsbürgern, die sich in Syrien oder Irak dem IS angeschlossen haben und in den letzten Wochen bei Gefechten zwischen irakischen und syrischen oder kurdischen Einheiten mit IS-Milizen gefangen genommen wurden. Die Frage ist, welche Gerichtsbarkeit für Verfahren gegen die IS-Mitglieder zuständig ist und was geschehen soll, wenn deutsche oder französische Staatsbürger von Gerichten in Syrien oder im Irak zum Tode verurteilt werden.
Die französische Justizministerin Nicole Belloubet, früher Richterin im Verfassungsrat, bestätigte am Sonntag gegenüber Medien das von Macron ausgerufene Leitprinzip, wonach "von Fall zu Fall" entschieden werde. Dann tat Belloubet eine Aussage, die aufhorchen ließ.
Im Falle einer Verurteilung zum Tod würde sich die Regierung aus Paris einschalten und mit dem fraglichen Staat verhandeln, so die Justizministerin. Als Erklärung für die von einem minimalen Engagement geprägte Haltung fügte die Justizministerin hinzu, dass "diese Leute sich freiwillig dorthin begeben haben, um an der Seite von Daesh (Umschreibung des IS, Anm. d.Verf.) zu kämpfen. Sie sind damit verantwortlich und haben eine Wahl getroffen." Als Justizministerin sei sie den Regeln der Gerechtigkeit verpflichtet.
Lieber an Ort und Stelle verurteilen
Belloubet bestätigte damit im Großen und Ganzen eine Linie, die Regierungssprecher Benjamin Griveaux mit einer Äußerung Anfang Januar öffentlich gemacht hatte. Auf Anfragen von Anwälten französischer Dschihadistinnen, die zurück nach Frankreich wollen und sich in Syrien in Gewahrsam von Kurden befinden, reagierte Griveaux mit der Aussage, dass Prozesse gegen die IS-Anhänger nicht notwendigerweise in Frankreich geführt werden müssen.
Wenn rechtsstaatliche Grundsätze gewahrt seien, wenn ihnen Verteidiger zu Seite gestellt werden und der Prozess nach Maßgaben der Gerechtigkeit verlaufe, so könnten französische Staatsbürger auch an Ort und Stelle vor Gericht kommen.
Französische Regierung: Nicht an einer Rückkehr interessiert
Die Aussage des Regierungssprechers sorgte in der französischen Öffentlichkeit für einige Aufmerksamkeit, weil damit glasklar wurde, dass die Regierung nicht an einer Rückkehr der Dschihadisten mit französischer Staatsbürgerschaft interessiert ist (Frankreich: Dschihadistinnen sollen bleiben, wo sie sind). Allerdings gibt es ein paar Probleme, wie der Fall Emilie König (siehe: Politikum der besonderen Art) deutlich vor Augen führt.
Die angeblich reumütige IS-Anhängerin, die früher für den IS rekrutierte, dessen Ideologie in Videos pries und zur Gewalt gegen französische Soldaten aufrief, befindet sich in Gefangenschaft von Kurden in Nordsyrien. Wie derzeit beim Einmarsch der Dschihadisten unter türkischer Fahne und den Angriffen der türkischen Luftwaffe offensichtlich wird, ist dieser Teil von Syrien kein Territorium, wo rechtsstaatliche Prinzipien nach europäischen Maßgaben gewährleistet sind.
Wessen Rechtssprechung gilt?
Unsicher ist generell, ob die Kurden wegen des türkischen Einmarsches überhaupt Gerichtsverhandlungen abhalten können. Und: Auch in den Gebieten kurdischer Selbstverwaltung außerhalb Afrins stellt sich die grundsätzliche Frage, welche Gültigkeit die Rechtssprechung der Kurden beanspruchen kann.
Mit der syrischen Regierung, die rechtsgültig nach internationalen und nationalen Regelungen das Hoheitsrecht über dieses Territorium hat (realpolitisch aber andere Prioritäten hat, die insbesondere mit dem Verhältnis zur PYD/YPG zu tun haben), pflegt Frankreich aus politischen Gründen seit Jahren aber keine offiziellen diplomatischen Beziehungen mehr. Die Frage ist also, wer wird sich juristisch dem Fall Emilie König und anderer IS-Anhängerinnen, deren Anwälte ebenfalls auf Rückkehr plädieren, annehmen?
Da die Kinder, die König in Syrien bekommen hat - sie war mit einem IS-Dschihadisten verheiratet -, die französische Staatsbürgerschaft haben, stellt sich die Frage nach der Rückkehr auch aus rechtlichen Ansprüchen, die sich von den Kindern herleiten.