Nur die erste Hürde

Die neue EU-Kommission steht vor großen Herausforderungen

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Nach wochenlangem Hin und Her ist die neue Kommission am Donnerstag nun auch vom Europäischen Parlament bestätigt worden. Bei drei der umstrittensten Kandidaten gab es Veränderungen, doch das vorübergehende Aufbäumen der Parlamentarier (Europas neues Selbstbewusstsein) war nur die erste Hürde für Jose Manuel Durão Barrosos Mannschaft. Auf die 25 Köpfe der EU-Länder warten spannungsreiche Jahre - einige Konflikte sind jetzt schon vorprogrammiert.

José Manuel Barroso nach der Abstimmung. Foto: EU

Erleichtert wirkte der Portugiese Jose Manuel Durão Barroso, nachdem seine Kommission drei Wochen später als geplant endlich parlamentarische Weihen erhielt. 449 der Parlamentarier sprachen der neuen Kommission das Vertrauen aus, 149 Abgeordnete stimmten gegen die neuformierte Mannschaft. 82 der erst im Juni ins Straßburger Parlament gewählten Abgeordneten aus den 25 Mitgliedsländern enthielten sich in der namentlichen Abstimmung - de facto ein Nein zur neuen Kommission, allerdings eines mit freundlicherem Antlitz.

Europäische Volkspartei, Liberale und die Sozialdemokraten unterstützten in einer großbürgerlichen Koalition die neue Kommission, anders als es beim in letzter Minute von Jose Manuel Durão Barroso abgesagten ersten Versuch wohl gekommen wäre. Frattini anstelle von Buttiglione, Ingrida Udre raus und Andris Piebalgs rein, László Kovács auf eine andere Position: Flexibilität musste der Teamchef bei drei von vier besonders beanstandeten Mannschaftsmitgliedern beweisen.

Nach dem Parlament wartet auf Durão Barroso jedoch kein gemütlicher Lehnsessel sondern ein Haifischbecken: Im Europa der 25 Mitgliedsstaaten - in absehbarer Zeit werden auch Rumänien und Bulgarien in die EU aufgenommen werden - sind viele Baustellen offen. Sowohl der EU-Verfassungsvertrag wie auch der Beitritt der Türkei oder die Vergemeinschaftung weiterer Aufgaben, insbesondere im Sozialen, bergen jede Menge Zündstoff für die kommenden Jahre. Dass das Parlament nun auch noch ernsthaft mitreden möchte, macht die Sache für Jose Manuel Durão Barroso nicht leichter.

Der EU-Verfassungsvertrag wird in mehreren europäischen Staaten nicht von Parlamenten, sondern vom Volk abgestimmt werden - und Mehrheiten sind keineswegs überall sicher. Die Ratifizierung kann sich als Zerreißprobe für das fragile Gebilde Europäische Union erweisen, die Koalition der Unwilligen ist insbesondere an Europas geografischen Rändern groß. Auch der "EU-Außenminister" Javier Solana wird oft genug lange nach dem kleinsten gemeinsamen Nenner suchen müssen, wenn er ihn denn überhaupt findet. Nebenbei muss er sich mit der Kommission abstimmen - die in manchen Fragen ebenfalls einen eigenen Willen hat. Ob er mit Condoleezza Rice auf Augenhöhe stehen wird, ergibt sich jedoch vor allem aus der Politik der 25 Einzelstaaten. Die Kakophonie der Un- und der Willigen zum Irakkrieg dürfte nicht der letzte transatlantische Spaltpilz gewesen sein.

Auch innerhalb der Kommission bleibt die Spannung garantiert - 25 Kommissare, davon vier Vizepräsidenten und eine Vizepräsidentin, sind allesamt auf ihre eigene Reputation bedacht. Einige von ihnen sehen Brüssel eher als Durchgangsstation für höhere Weihen in ihren Heimatstaaten, so sie denn nicht gerade erst von dort "nach Europa" abgeschoben wurden. Eine besondere Mission hat Peter Mandelson, unter Durão Barroso nun Handelskommissar: Tony Blairs ehemaliger Spin Doctor und ausgesprochener EU-Befürworter soll Europa in Großbritannien populär und damit den Beitritt zur Eurozone in greifbare Nähe rücken.

Das Parlament hat nun für die nächsten fünf Jahre seine Schuldigkeit getan - könnte man annehmen. Doch ob das so ist, wird die tatsächliche Positionierung im Rahmen der Mitentscheidungsverfahren zeigen. Sollten sich einzelne Kommissare im Nachhinein als besonders unfähig erweisen, gibt es für Jose Manuel Durão Barroso immerhin eine Handlungsoption: Er kann - zusammen mit dem Kollegium der Kommissare - den entsprechenden Vertreter entlassen.