O-Töne für Theoriediskjockeys

Heinz von Foerster und Vilém Flusser auf CD

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Beim Kölner Supposé-Verlag sind drei Tonträger erschienen, auf denen die prägenden Denker Heinz von Foerster und Vilém Flusser einige ihrer zentralen Ideen vortragen. Damit wird es Reflexions-Interessierten ermöglicht, Vorlesungen nachträglich beizuwohnen.

Heinz von Foerster

In den letzten Jahren ist es ruhig geworden um Heinz von Foerster, den Neffen Ludwig Wittgensteins. Bis vor einiger Zeit konnte man den in den USA lebenden Österreicher auch auf dem europäischen Festland ab und an auf Kongressen sprechen hören. Der Supposé-Verlag hat nun den Versuch unternommen, Originalaufzeichnungen des 1911 in Wien geborenen Kybernetikers aus den Jahren 1989 bis 1997 plus ein exklusiv mitgeschnittenes Vorwort (1998) einem breiteren Publikum als authentisches Tondokument zugänglich zu machen.

In ebenso unterhaltsamen wie lehrreichen Ausführungen zu Hirnforschung, Ethik, Gedächtnis, Wissen uvm. bringt der Konstruktivist von Foerster auf "2x2=grün" dem gebannten Zuhörer seine Erklärungen der Wirklichkeit und der Unmöglichkeit, vom Individuum losgelöster, vermeintlich objektiver Realität aus seiner Perspektive näher. Dass 'die Welt da draußen' eigentlich erst mit dem Beobachter beginnt, ist mittlerweile sicherlich nichts Neues mehr, heißt im Sinne von Foersters aber keinesfalls, dass etwa die Lebenswirklichkeiten nun, wie in postmodernen Diskursen oft behauptet wird, verschwinden, sondern dass die beobachtenden Individuen einfach immer mehr und besser wissen, dass und wie sie (u.a. durch Massenmedien) getäuscht werden können.

Dabei zeigt von Foerster eindrucksvoll, dass man selbst als Beobachter 2. Ordnung, also als Beobachter von Beobachtern, auf dem Boden der Tatsachen bleiben kann. Immer wieder gelingt es dem Begründer des berühmten Biological Computer Laboratory (BLC) an der Universität Illinois, selbst die zunächst abstraktesten Argumente durch persönliche Anekdoten und Erlebnisse zu bereichern und so einem ermüdenden Ablesemarathon entgegenzuwirken. Die Tondokumentation der von Foersterschen Originalausführungen ist faszinierend und fesselnd, wenn dieses pauschale Urteil erlaubt sei, denn letztlich gilt mit von Foerster: "Der Hörer, nicht der Sprecher, bestimmt die Bedeutung einer Aussage."

Vilém Flusser

Als ein mindestens genauso inspirierender Erzähler wie von Foerster erweist sich der Medienphilosoph bzw. -theoretiker Vilém Flusser, der 1920 in Prag geboren wurde und später nach Brasilien emigrierte, wo er bis 1972 Kommunikations- und Wissenschaftsphilosophie lehrte. In den siebziger Jahren zog er mit seiner Frau nach Südfrankreich und beschäftigte sich fortan mit der Theorie und Praxis der so genannten Neuen Medien. Nach seinem plötzlichen Tod bei einem Autounfall Ende 1991 werden seine Schriften und Vorträge erst posthum immer mehr beachtet. Zwei seiner beeindruckenden Vorträge (komplettiert durch eine selbstgesprochene Biographie) sind jetzt auf CD erhältlich. Vergleicht man die in den Booklets reproduzierten Ausschnitte der Originalmanuskripte mit den Ausführungen auf CD, wird klar, wie sehr Flusser von seinen Vorlagen produktiv-unterhaltsam abgewichen ist. Auf "Heimat und Heimatlosigkeit" entwickelt Flusser in Anlehnung an den eigenen Lebensweg ein ausführliches Modell der Freiheit durch Heimatlosigkeit. Die zweite CD "Die Informationsgesellschaft" beinhaltet einen kurz vor Flussers Tod in Essen gehaltenen Vortrag, der aktueller denn je erscheint, ist doch derzeit immer wieder die Rede von der Medien-, Informations- und Wissensgesellschaft.

Flusser unterscheidet in zwei Bedeutungen: die eine meint die Informationsgesellschaft, in der Informatiker entscheiden und herrschen. Die zweite steht für eine Gesellschaft, in die Menschen dank Vernetzung für einander Verantwortung übernehmen. Aber auch mit der Mensch-Maschine-Problematik setzte sich der Tscheche immer wieder auseinander: Für Flusser gibt es keinen strikten Unterschied zwischen Mensch und Maschine, er sieht - im Sinne von Marshall McLuhan - die Maschine als Prothese des Menschen. Diesen wiederum vergleicht er mit einer lebendigen Röhre, durch deren Schlund Natur hineinfließt (Input), im Organismus informiert und schließlich pointiert als Kultur wieder ausgeschieden wird (Output). Bleibt zu erwähnen, dass Flusser diese Überlegungen noch ausgiebig ausdifferenziert und sowohl Flussers als auch von Foersters Tondokumente für das menschliche Individuum sicherlich problemloser und erkenntnisreicher zu verdauen sind als für einen Regenwurm.

Heinz von Foerster: 2x2=grün, Köln: Supposé Verlag 1999, 2CDs + Booklet (104 Min./36 S.), 58DM Vilém Flusser: Die Informationsgesellschaft: Phantom oder Realität? Köln: Supposé Verlag 1999, 1 CD + Booklet (44 Min./8 S.), 32DM Vilém Flusser: Heimat und Heimatlosigkeit, Köln: Supposé Verlag 1999, 1 CD + Booklet (49 Min./16 S.), 32 DM Supposé Mixed Media Verlag