OECD räumt ein: Mit der Weltwirtschaft geht es nun bergab

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Die Coronavirus-Epidemie könnte das weltweite Wirtschaftswachstum sogar mehr als halbieren, die Zeitbombe Italien reagiert schon mit Notmaßnahmen

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An den europäischen Börsen ging es nach der schwärzesten Woche seit der Finanzkrise 2008 am Montag zunächst wieder bergauf, nachdem sich an den asiatischen Börsen die Kurse am Montag stabilisiert hatten. Allerdings war die technische Erholung, die auch davon befeuert wurde, dass allgemein auf neue Interventionen der Notenbanken wie in der Finanzkrise gehofft wird, nur von nur kurzer Dauer.

Sowohl der Frankfurter Leitindex Dax drehte am Mittag zunächst erst leicht ins Minus, um dann wieder kräftiger in die Knie zu gehen. Er ging dann allerdings nur noch mit einem leichten Minus von 0,2% aus dem Handel, an anderen Börsenplätzen wurde sogar ein leichtes Plus vermerkt, da immer mehr Notenbanken auf Interventionskurs gehen.

OECD: Größtes Wirtschaftsrisiko seit der Finanzkrise

Ein Grund dafür, dass die Stimmung zunächst wieder deutlich schlechter geworden war, war eine Prognose der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD). "Das Coronavirus ist das größte Wirtschaftsrisiko seit der Finanzkrise", schreibt die Organisation, in der 36 Industriestaaten zusammengeschlossen sind.

Die OECD hat wegen der Coronavirus-Epidemie ihre Wachstumsprognosen für das laufende Jahr gesenkt, nachdem zwei Szenarien untersucht wurden: "Das erste geht von der denkbar günstigsten Entwicklung mit weitgehender Eindämmung des Virus aus", schreibt die OECD.

Allerdings, wenn man sich anschaut, dass die Ausbreitung in vielen Ländern außer Kontrolle ist, dürften die Auswirkungen deutlich härter ausfallen, als in dem günstigen Szenario ausgeführt:

Selbst im günstigsten Fall einer nur schwachen Virusverbreitung über China hinaus wird sich das weltweite Wirtschaftswachstum in der ersten Jahreshälfte voraussichtlich stark verringern, als Folge von unterbrochenen Lieferketten, einem Rückgang des Tourismus und einer Verschlechterung des Geschäftsklimas. Entsprechend dürfte sich das Wachstum der Weltwirtschaft von bereits schwachen 2,9 Prozent in 2019 auf 2,4 Prozent in 2020 abschwächen.

OECD

Also ist eher davon auszugehen, dass in etwa das zweite Szenario eintreffen wird, das einen Dominoeffekt mit starker Weiterverbreitung des Virus beschreibt, schließlich hat die EU-Gesundheitsagentur ECDC am Montag das Risiko, durch das Coronavirus in der Europäischen Union zu erkranken, inzwischen auch von "moderat" auf "hoch" heraufgestuft, wie die EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen in Brüssel mitteilte, weil sich das Virus weiter unkontrolliert ausbreitet.

Eine breitere Ansteckungswelle im Asien-Pazifik-Raum und den Industrieländern, wie jetzt in China, könnte hingegen das globale Wachstum auf 1,5 Prozent reduzieren - die Weltwirtschaft wüchse dann 2020 nur noch halb so stark wie in der OECD-Prognose vom letzten November angenommen.

Ursula von der Leyen

Damit beschreibt die OECD eine Lage, die noch deutlich schlechter als die ausfällt, die kürzlich von Oxford Economics erstellt wurde, wonach das weltweite Wirtschaftswachstum im laufenden Jahr auf 2,3% sinken dürfte. Schon das wäre das schwächste Wachstum seit der globalen Finanzkrise ab 2008 gewesen. Die Industriestaaten-Organisation beschreibt eine ohnehin gestresste Situation.

Das Virus droht der Weltwirtschaft, die bereits durch Handelsstreitigkeiten und politische Spannungen geschwächt ist, einen zusätzlichen Schlag zu versetzen.

OECD

Appelliert wird an die Regierungen, jetzt unverzüglich zu handeln, um die Epidemie einzuschränken, die Gesundheitssysteme zu stützen, Bürgerinnen und Bürger zu schützen. Es müsse nun "die Nachfrage gestärkt und das finanzielle Überleben der am stärksten betroffenen Unternehmen und Haushalte" garantiert werden, meint OECD-Chefökonomin Laurence Boone bei der Vorstellung des Interim Economic Outlook in Paris.

Zinssenkungen und Geldspritzen

Von den Geld-Junkies werden an den Börsen nun Interventionen der Notenbanken erwartet, wie wir sie aus der Finanzkrise kennen. Schon am Freitag wurde das weitere Abrutschen der Kurse zum Beispiel vor allem darüber eingegrenzt, dass der Präsident der US-Notenbank (FED) erklärte, die Währungshüter würden angemessen auf die Ausbreitung des Coronavirus reagieren. Er stellte damit Zinssenkungen und Geldspritzen in Aussicht.

Auch die Bank of England (BoE) sprang schnell bei und erklärte, das Bankensystem und die Konjunktur vor den Folgen der Conoravirus-Epidemie schützen zu wollen. "Die Bank beobachtet weiterhin die Entwicklungen und bewertet ihre möglichen Auswirkungen auf die globale und britische Wirtschaft sowie auf das Finanzsystem", erklärte ein Notenbanksprecher.

Ähnlich äußerte sich auch die Notenbank Japans. Und schaut man sich das Verhalten der Europäischen Zentralbank (EZB) in den letzten 12 Jahren an, war Ähnliches natürlich auch zu erwarten. Die EZB hat ja sogar schon wegen einer Eintrübung der Konjunktur entschieden, die Druckerpressen wieder anzuwerfen.

So erklärte EZB-Vizepräsident Luis de Guindos am Montag in London, das allseits die Notenbank bereit stehen würde, um nötigenfalls zu handeln: "Wir bleiben wachsam und werden alle Daten genau beobachten." Der geldpolitische Rat der Zentralbank sei bereit, alle verfügbaren Instrumente gegebenenfalls anzupassen, bekräftigte de Guindos und das sorgte für Beruhigung an den Börsen.

In den USA, wo die Notenbank (FED) ohnehin auf Druck von Präsident Trump die Zinsnormalisierung aufgegeben hatte und die Zinsen inzwischen für dessen Wahlkampf schon wieder deutlich gesenkt hat, werden weitere Zinssenkungen erwartet. Bei der Zinssitzung am 18. März wird nun eine Absenkung von weiteren 0,5 Prozentpunkten und im ganzen Jahr von einem Punkt erwartet, womit sich die USA wieder den Nullzinsen annähern.

Das Problem der EZB ist aber, dass sie die Zinsen nie erhöht hatte und sie seit Jahren auf null hält. So meinen Experten, dass Notenbanken wie die EZB ihr "Pulver eigentlich verschossen haben". Statt den Krisenmodus in einer Wachstumsphase zu verlassen, hat die EZB - trotz massiver Kritik- ihren Kurs aufrechterhalten.

Bei den ersten Anzeichen einer konjunkturellen Eintrübung wurde er sogar wieder verschärft. Insgesamt kommen Experten wie Paul Krugman zu der Einschätzung, dass aus der letzten Krise wenig gelernt wurde und die Situation heute noch schlechter als 2008 ist. Man sei nun ohne "Stoßdämpfer" unterwegs, erklärt der Wirtschaftsnobelpreisträger.

Wenn sich Morgen ein Kollaps ereignet, sind die Werkzeuge zur Reaktivierung der Wirtschaft viel schwächer.

Paul Krugmann

Ob der Covid-19 der Auslöser für eine neue Krise sein kann, weiß er nicht, zählt aber diverse negative Faktoren auf. "Sicher ist nur, dass wir nun schlechter vorbereitet sind, um damit umzugehen."