Obamas Vize Biden: Kaum "Change" in Sicht
Der Senator aus Delaware hat an maßgebender Stelle im Senat deutlich gemacht, wohin der Weg mit ihm als Vizepräsidenten der USA gehen wird
Barack Obama elektrisiert die Menschen in den USA mit seinem Versprechen, ein grundlegender Politikwechsel sei möglich (Mantra: „Yes, we can change it!“). Je näher die eigentliche Präsidentschaftswahl im November rückt, um so weniger ist allerdings in Obamas Äußerungen noch etwas vom Wind des Wandels zu spüren. Ob er vor isralischen Lobbygruppen Kriegsdrohungen gegen den Iran ausspricht (Obamas unterwürfige Rede vor der Lobbygruppe AIPAC), oder in Berlin denselben „Krieg gegen den Terror“ verspricht, den der amtierende Präsident schon seit 2001 ausübt: Es wird alles genau so bleiben wie unter Bush junior.
Die letzten Zweifel an dieser Einschätzung sind nun ausgeräumt mit Obamas Entscheidung, den Senator von Delaware, Joseph Biden, im Falle seines Wahlsieges zum Vizepräsidenten der USA zu machen (Obama nominiert sein Gegenteil). Joe Biden hat sicher auch seine Sonnenseiten. Erzählt wird gewiss in den nächsten Tagen und Monaten die unstreitig tragische Geschichte, wie Biden sich aufopferungsvoll um seine Kinder kümmmerte, als seine Frau und seine kleine Tochter 1973 tödlich verunglückten. Biden hat bislang nicht den Hauch des Verdachtes aufkommen lassen, er sei korrupt und bestechlich. Er hat sich für die Auflösung des Konzentrationslagers Guantanamo Bay ausgeprochen. Zum „Krieg gegen den Terror“ hat er im Kongress gesagt: „Wenn wir nicht einmal den Feind oder den Krieg, den wir führen, genau identifizieren können, dann ist schwer zu erkennen, wie wir ihn gewinnen wollen."
We know what we’re going to get from the other side. Four more years of the same out-of-touch policies that created an economic disaster at home, and a disastrous foreign policy abroad. Four more years of the same divisive politics that is all about tearing people down instead of lifting this country up.
We can’t afford more of the same. I am running for President because that’s a future that I don’t accept for my daughters and I don’t accept it for your children. It’s time for the change that the American people need.
Now, with Joe Biden at my side, I am confident that we can take this country in a new direction.
Barack Obama am 23. August
Biden kandidierte 1988 und 2008 für die Präsidentschaftsbewerbung, und scheiterte beide Male. Biden ist aktuell Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses des US-Senats (U.S. Senate Committee on Foreign Relations). Von 1987 bis 1995 war er Vorsitzender des Senats-Justizausschusses (U.S. Senate Committee on the Judiciary). Biden hatte also ausreichend Gelegenheit und Zeit, grundlegende Positionen in der Innen- wie in der Außenpolitik nicht nur zu formulieren, sondern auch an maßgebender Stelle durchzusetzen.
Außenpolitik
- Jugoslawien: Biden eröffnete seine Kampagne, indem er Milosevic einen „Kriegsverbrecher“ nannte. Das war der emotionale Türöffner für seine Forderung, das Waffenembargo gegen Kombattanten im Balkan aufzuheben und Mittel frei zu machen für die militärische Ausbildung von moslemischen Kämpfern in Bosnien. Das völkerrechtswidrige NATO-Bombardement wurde von Biden und Freunden im Senat mit „Lift and Strike“-Resolution unterstützt.
- Kuba: 1996 stimmt Biden für den Helms-Burton-Act. Das bedeutet: Verschärfung der Sanktionen gegen die kubanische Bevölkerung.
- Irak: Zunächst versucht Biden mit dem republikanischen Senator Richard Lugar, 2002 eine Resolution zu verabschieden, die militärisches Eingreifen in Irak erst dann zulässt, wenn alle diplomatischen Mittel ausgeschöpft sind. Um dann im Oktober 2002 unvermittelt der Abschlussresolution zuzustimmen, die der Bush-Regierung den Weg zum Überfall auf den Irak freigibt. Immer wieder fordert Biden in den folgenden Jahren mehr Soldaten für den Irak und mehr Beteiligung durch die NATO-Verbündeten. Er wendet sich 2006 gegen die Vorschläge der Irak-Kommission unter James Baker und veröffentlicht im November 2006 ein Memorandum mit dem ehemaligen Leiter des Council on Foreign Relations, Leslie Gelb. Beide fordern eine Zerschlagung Iraks in einen losen Bundesstaat mit einem kurdischen, einem sunnitischen und einem schiitischen Teil. 2007 wendet sich Biden plötzlich gegen eine weitere Eskalation der Kriegsführung im Irak.
- Afghanistan: Nach dem 11. September 2001 unterstützt Biden energisch den von Bush geforderten, aber heftig umstrittenen Einsatz von Bodentruppen in Afghanistan. Auch 2008 befürwortet der Senator aus Delaware ein Paket von 87 Milliarden Dollar für die Einsätze in Afghanistan und Irak.
- Israel und Palästina: Als die palästininensische Bevölkerung 2006 von der westlichen Gemeinschaft ermutigt wird, in freier und geheimer Wahl ein neues Parlament und eine neue Regierung zu wählen, da ging Hamas als Sieger aus diesen Wahlen hervor. Obwohl vor der Wahl signalisiert wurde, man werde das Wahlergebnis respektieren, erfolgte tatsächlich in Form des Palestinian Anti-Terrorism Act eine harte Bestrafung gegen die palästinensischen Wähler. Biden sorgte dafür, dass die demokratisch legitimierte neue Hamas-Regierung als terroristische Organisation eingestuft und isoliert wurde. Sämtliche Hilfsgelder wurden eingefroren. Der strafende Senator bezeichnet sich selber als „Zionisten“, was im Falle des Katholiken Biden bedeutet: Er steht voll und ganz hinter der israelischen Regierung. Entsprechend hat er alle Anträge auf finanzielle Unterstützung für die israelischen Hardliner durch seinen Ausschuss gewunken. So nimmt es auch nicht wunder, dass Biden gegenüber dem Iran eine „hard-headed diplomacy“ mit beinharten Sanktionen befürwortet.
- In der Einwanderungspolitik hat sich Biden profiliert durch seine Unterstützung des Secure Fence Act of 2006: das bedeutet in der Praxis, dass eine 700 Kilometer lange Mauer die Grenze zu Mexiko unpassierbar macht.
Innenpolitik
Was bringt Biden in die politische Ehe mit dem Charismatiker Obama an innenpolitischen Elementen ein?
- Strafvollzug: Als Vorsitzender des Senats-Justizausschusses hat Biden eine tiefe Prägespur hinterlassen. Seine wichtigste Leistung ist die Reform der Strafgesetze auf Bundesebene. In den USA sind die Rechtssprechung und der Strafvollzug aufgeteilt in Kompetenzen auf Bundes-, Staaten- und County-Ebene. Für die Bundesebene formulierte der Violent Crime and Law Enforcement Act im Jahre 1994 das Strafrecht neu. Wegen der unverkennbaren Handschrift des demokratischen Senators in diesem Gesetzeswerk wird es auch als Biden Crime Law bezeichnet. Um 9.7 Milliarden Dollar jährlich wurde der Etat für die expandierende, teils öffentlich, teils privat betriebene Gefängnisindustrie aufgestockt. 6.1 Milliarden Dollar pro Jahr bewilligten die Abgeordneten für die Verbrechensvorbeugung. Neben positiven Neuerungen wie dem Verbot von 19 Arten von halbautomatischen Feuerwaffen (das allerdings 2004 nicht verlängert wurde) oder dem besseren Schutz von Frauen vor sexueller Gewalt (Frauenhäuser, Notruftelefone, klare Gesetze gegen Gewalt durch Ehemänner) enthält das Biden-Paket doch auch eine Reihe höchst bedenklicher Regelungen. Die Möglichkeiten, die Todesstrafe zu verhängen, erfuhren eine erhebliche Ausweitung. Das neue Gesetz formuliert 60 neue Straftatbestände, für die die staatliche Exekution zulässig ist: dazu gehören Terrorismus, Mord an Bundesbeamten, Benutzung von Massenvernichtungswaffen oder Drogenhandel. Nicht ganz unwidersprochen blieb die Abkehr vom Resozialisierungsgedanken, die das neue Bundesstrafgesetz impliziert. Seit 1965 profitierten auch Strafgefangene von dem Higher Education Act. Das heißt: Sie konnten finanzielle Unterstützung für ein Fernstudium hinter Gittern erhalten. Das neue Gesetz schreibt nun vor: „Keine Grundunterstützung darf irgendeiner Person gewährt werden, die in irgendeiner Bundes- oder Staatseinrichtung inhaftiert ist.“
- Drogenbekämpfung: Ein Schwerpunkt von Bidens Arbeit als Vorsitzender des Rechtsausschusses galt der Drogenbekämpfung. Der Senator aus Delaware setzte durch, wovon Politiker zuvor nur geträumt hatten; nämlich die Einsetzung eines Bundesdrogenbekämpfers, der im Volk als „Drug Czar“ bekannt geworden ist. Biden konzentrierte sich auf die Bekämpfung synthetischer Drogen wie z.B. Ecstasy.
Senator Joseph Biden vertritt also sowohl in der Innen- wie in der Außenpolitik Positionen, die absolut kompatibel sind mit dem bisherigen Wegmarken, die Bush senior, Bill Clinton und Bush junior zu setzen wussten.
Yes, we can change it?