Österreich will Steuerrecht "ausmisten"
Bürger sollen um "deutlich mehr" als dreieinhalb Milliarden Euro entlastet werden - Beseitigung der kalten Progression ab 2022
Der österreichische Finanzstaatssekretär Hubert Fuchs hat dem Kurier verraten, dass er das österreichische Einkommensteuergesetz bis 2020 "ausmisten" und von Ausnahmen und Sonderbestimmungen säubern will. Dazu soll es nicht nur novelliert, sondern durch eine komplett neues Vorschrift ersetzt werden, die nicht nur "einfacher und gerechter" sein, sondern auch deutliche Steuersenkungen mit sich bringen soll.
Dazu will der FPÖ-Staatssekretär unter anderem die so genannte kalte Progression beseitigen, die dafür sorgt, dass auch ganz reguläre inflationsausgleichende Tariferhöhungen Arbeitnehmer in Steuerklassen drängen, in denen sie mehr zahlen müssen. Das ist seinen Worten nach durch einen "einfacher Automatismus" möglich.
Unternehmen sollen durch einen von 25 "in Richtung 20 Prozent" abgesenkten Körperschaftsteuersatz international wettbewerbsfähiger werden. Das vorher diskutierte Modell von Steuersenkungen für in Österreich investierte Gewinne steht seiner Einschätzung nach das Europarecht entgegen. Möglich wäre dagegen eine Steuererleichterung auf Gewinne, die nicht entnommen, sondern im Unternehmen belassen werden.
Entbürokratisierung durch Pauschalen
Eine weitere Säule des neuen Steuerrechts soll die Entbürokratisierung sein: Kleinunternehmer, die im Jahr weniger als 30.000 Euro Umsatz machen, sollen künftig einfach attraktive Ausgabenpauschalen abziehen können, anstatt zeitaufwendige und rechtsfehleranfällige Berechnungen anzustellen, deren Überprüfung auch auf Behördenseite unverhältnismäßig viel Aufwand erfordert. Ziel ist, dass danach 200.000 Kleinunternehmer keine Steuererklärung mehr anfertigen, sondern nur noch ihren Umsatz melden. Ebenfalls deutliche Verwaltungsentlastungen soll eine Vereinheitlichung der Sozialabgaben bringen, die Fuchs von einer zentralen Stelle berechnen und einziehen und dann an die einzelnen Träger verteilen lassen will.
SPÖ kritisiert "lupenreine ÖVP-Politik"
Bis Ende des Jahres soll die Taskforce des doppelt promovierten ehemaligen Steuerberaters einen Entwurf ausgearbeitet haben, den der Nationalrat dann 2019 debattieren kann. Dort hat die Opposition bereits verlautbart, dass sie die Steuerpläne missbilligt: SPÖ-Bundesgeschäftsführer Max Lercher kritisierte vor allem die Entlastung von Unternehmen und warf dem freiheitlichen Staatssekretär vor, "lupenreine ÖVP-Politik" zu machen.
Bruno Rossmann von der Liste Pilz, die im letzten Jahr anstatt der Grünen in den Nationalrat einzog, bemängelte ebenfalls diese Entlastung von Unternehmen und verlangte eine "ökosoziale Steuerreform". Dass Arbeitnehmer, die weniger als 11.000 Euro verdienen, künftig keine Zwangsbeiträge mehr in die Arbeiterkammern einzahlen müssen, hält er für eine "massive Schwächung der Interessen von Arbeitnehmern".
Einigen sich die beiden Regierungsparteien ÖVP und FPÖ im Nationalrat, könnte der Großteil der Änderungen zum 1. Januar 2020 in Kraft treten. Die Abschaffung der kalten Progression ist aber erst für 2022 vorgesehen - dem Jahr, in dem in Österreich wieder gewählt wird.
Deutschland blinkt in andere Richtung
Zusammengerechnet sollen die Entlastungen bei der Einkommensteuer, der Körperschaftssteuer und den weiteren Bereichen Fuchs zufolge bei "deutlich über" dreieinhalb Milliarden Euro liegen. Berücksichtigt man, dass Österreich nur etwa ein Zehntel der Einwohner Deutschlands hat, entspricht die Senkung um deutlich mehr als dreieinhalb Milliarden Euro einer Senkung von deutlich mehr als 35 Milliarden Euro in der Berliner Republik. Die hat man dort jedoch trotz neuer Rekordeinnahmen nicht vor.
Stattdessen blinkt die Regierung in Berlin in eine andere Richtung: Von der letzte Woche erzielten Renteneinigung erwarten viele Beobachter, dass sie bei einer Abschwächung der Konjunktur nicht ohne Steuererhöhungen zu halten ist. Dass sich dessen auch Politiker der Regierungsparteien bewusst sind, zeigen die Vorstöße von Vizekanzler Olaf Scholz, Thorsten Schäfer-Gümbel und anderen SPD-Politikern.
SPD-Vize Ralf Stegner sprach sich in der Welt außerdem für höhere Sozialversicherungsbeiträge für "Reiche" aus. Davon sollen anscheinend auch Facharbeiter betroffen sein, die bereits jetzt den Spitzensteuersatz zahlen müssen (vgl. Spitzensteuersatz für Normalverdiener). Reiche im traditionellen Sinne zahlen nämlich ebenso wenig in dies Sozialkassen ein wie Politiker und Beamte.
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