Olof Palme: Ein Mord und seine Theorien

Seite 3: Zahlreiche Verschwörungstheorien

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Von einer Verschwörung geht auch der Journalist des öffentlich rechtlichen Fernsehens SVT Lars Borgnäs aus. Er hat mehrere Beiträge über den Palmemord gedreht, in seinem Buch "Ein eiskalter Wind zieht durch Schweden" (2006) sieht er Palme als Opfer eines Komplotts von rechtsradikalen Kreisen, der Polizei und des Militärs, da der Ministerpräsident zu sehr auf die Sowjetunion zugegangen sei. Es soll in der Diskussion um Sicherheitsfragen, um die U-Boot-Grenzverletzungen, in Militärkreisen zu zunehmenden Aversionen gegen Palme gekommen sein. Die anstehende Moskaureise (ein geplantes Treffen mit Michail Gorbatschow) wäre Auslöser für die Tat gewesen. Borgnäs wurden jedoch fehlende Fußnoten vorgeworfen.

In der 2011 folgenden Dokumentation "Das Interesse der Nation" erweitert er das Komplott um den Untergang der Estonia im Jahre 1994. Eine fremde Macht habe die Fähre torpediert, damit das Militärmaterial der Sowjetunion nicht nach Schweden komme.

Olof Palme am 1. August 1985. Bild: Pagania62/CC-BY-SA-3.0

In mehreren Büchern hat sich der linke Journalist Gunnar Wall mit dem Palme-Mord und der Polizeispur beschäftigt, in seinem letzten Werk "Verschwörung Olof Palme" (2015) spannt er den Bogen zur Weltpolitik. Demnach sei der Ministerpräsident einem gut geplanten politischen Attentat zum Opfer gefallen.

Involviert seien Stay-Behind-Gruppen der NATO sowie Rüstungsvertreter gewesen, die die Perspektive der Abrüstung fürchteten, dazu schwedische Wirtschaftsvertreter, die durch Palmes Gegnerschaft zur Apartheid in Südafrika ihre Interessen gefährdet sahen.

Von einer Südafrika-Verbindung ging auch der heute international bekannte Krimi-Autor Stieg Larsson (Millennium-Trilogie) und Rechtsextremismus-Experte aus. Dass er als "Palme-Detektiv" tätig war, ging erst aus seinem Nachlass von 15 Kartons mit Material hervor. Larsson starb 2004.

Er ging davon aus, dass die Regierung in Südafrika Palme umbringen ließ - eine Woche vor seiner Ermordung hatte sich der Sozialdemokrat für schärfere Sanktionen gegen das Apartheid-Regime ausgesprochen. Larsson beschuldigte den ehemaligen schwedischen Geheimdienstler Bertil Wedin, der auf Zypern wohnt, Strippenzieher des Anschlags gewesen zu sein.

Erwähnt sei noch Olle Minell, der für die Zeitung "Proletären" schreibt und als Kommunist weniger in der schwedischen Öffentlichkeit gehört wird. Er hat sich vor allem mit dem Rechtsradikalismus innerhalb der schwedischen Polizei beschäftigt. Auch er geht von einer Stay-Behind-Aktion der NATO aus.

Die "Stay-Behind"-Theorie bekam diese Woche Bestätigung durch den ehemaligen Militär-Geheimdienstler Donald Forsberg, der zwei Personen der NATO-Gruppierung am Mordabend gesehen haben will.

Zwei ehemalige Säpo-Beamte, die zuvor in der "Palme-Gruppe" recherchiert haben, erklärten kürzlich gegenüber der Zeitung "Expressen", der Mörder sei unter falschem Namen aus der Sowjetunion 1985 nach Schweden eingereist. Im Kreml habe man gewusst, dass der Mord passiere. Die beiden Beamten bitten um die Enthebung der Verschwiegenheitspflicht, um weitere Details nennen zu dürfen.

Der ehemalige Staatssekretär Palmes, Ulf Dahlsten, will hingegen Belege haben, die den Petersson-Verdacht erhärten.

Natürlich führten die ständigen Untersuchungen über mögliche Hintergründe des Palme-Mordes zu Ermüdungserscheinungen unter den Schweden und mit den Jahren auch zur Isolation der Forscher, die vor allem bei den Jahrestagen oder bei einer neuen Spur ihren öffentlichen Auftritt haben.

Lars Krantz ist so ein Fall, der sich nach normaler Recherche-Arbeit als Fernsehjournalist später zu Theorien verstieg, dass Palme Selbstmord beging oder die Ehefrau Lisbet den Gatten im Namen einer feministischen Konspiration ermorden ließ.

Mögen manche Theorien auch abwegig anmuten, so ist es auch verständlich, dass dem schwedischen Staat die PKK-Theorie und später Petersson als Täter genehmer war. Eine Gruppe von außen oder ein verwirrter Einzelner als Täter würde das Konstrukt des "Volksheims", die Idee der familiären Beziehung zum Fürsorgestaat, nicht in ihren Grundfesten erschüttern. Kein Staat will sich selbst beziehungsweise seine Exekutive auf der Anklagebank sehen, aber in Schweden war die Verbindung zwischen Obrigkeit und Bevölkerung besonders eng.

Dass Palme Schweden gegenüber der Sowjetunion nicht hart genug auftrat, war ein Vorwurf, der im offiziell neutralen Schweden immer wieder erhoben wurde, in der Bevölkerung und von der konservativen Opposition. Was die sowjetische U-Boot-Bedrohung betrifft, hat der ehemalige US-Verteidigungsminister Caspar Weinberger im Jahr 2000 zugegeben, dass Schweden selbst NATO-U-Booten den Zugang zu seinen Hoheitsgewässern zu Testzwecken erlaubt hat. Doch wer innerhalb des schwedischen Staates was wusste und was entschied, bleibt weiterhin Spekulation.