Online-Bewertungen: Die Kunst des intelligenten Misstrauens
Online-Bewertungen prägen unseren Alltag. Neue Studie zeigt, wie geschickt Menschen fremde Erfahrungen für sich nutzen. Die Erkenntnisse sollen auch KI verbessern.
Wie wählen Sie ein Restaurant in einer fremden Stadt aus? Online-Bewertungen können hilfreich sein. Aber wie können Sie sicher sein, dass die Verfasser Ihre Essensvorlieben teilen oder mit dem gleichen Budget auskommen müssen wie Sie?
Dieser Frage ist ein internationales Forscherteam um Alexandra Witt und Charley Wu von der Universität Tübingen nachgegangen. Die Ergebnisse könnten dazu beitragen, dass KI-Assistenten in Zukunft menschliches Verhalten besser verstehen und Menschen besser helfen können.
Die Studie, die jetzt in der renommierten Fachzeitschrift PNAS erschienen ist, zeigt: Menschen nutzen soziale Informationen geschickt, um Entscheidungen zu treffen – auch wenn die Ziele oder Präferenzen anderer von den eigenen abweichen.
Experiment mit fiktiver Planetenerkundung
Um herauszufinden, wie Menschen soziale Informationen nutzen, entwickelten die Forscher ein Online-Spiel. Dabei mussten Gruppen von vier Personen jeweils eine bestimmte Salzart auf fiktiven Planeten sammeln. Die Teilnehmer konnten sehen, wie erfolgreich ihre Teammitglieder beim Sammeln anderer Salze waren.
Laut der Spielanleitung entstehen Salze auf ähnliche Weise, sodass sich Regionen mit hoher Salzkonzentration oft überschneiden. Für die Spielteilnehmer bedeutete dies, dass es bei der eigenen Suche hilfreich sein konnte, die Informationen der Mitspieler zu berücksichtigen. Die Forscher wollten damit nachstellen, wie im Alltag die Vorlieben von Menschen zwar ähnlich sein können, aber dennoch individuelle Unterschiede bestehen.
Soziale Informationen als nützliche Empfehlung
Die Ergebnisse zeigen: Die Teilnehmer bezogen die Informationen ihrer Mitspieler in ihre Suche ein, folgten ihnen aber nicht blind. Sie hielten die sozialen Informationen also für verrauschter und damit weniger verlässlich als die selbst gesammelten Informationen.
Menschen behandeln soziale Informationen als Empfehlung und nicht als Vorgabe, so die Schlussfolgerung, die sich mit alltäglichen Erfahrungen deckt. Denn in ähnlicher Weise nutzen wir im Alltag Online-Rezensionen – wir wissen, dass die Meinung anderer hilfreich sein kann, aber wir hinterfragen auch, ob deren Maßstäbe mit unseren eigenen übereinstimmen.
KI soll von menschlichem Sozialverhalten lernen
"Mit einem besseren Verständnis für soziales Lernen im Menschen können wir ähnliche Prinzipien in die künstliche Intelligenz einbeziehen", sagt Co-Autor Charley Wu.
Ziel sei es, Systeme zu entwickeln, die menschliches Verhalten besser verstehen und nachahmen, etwa in virtuellen Assistenten oder Empfehlungsalgorithmen. Denn die Fähigkeit, sozial und kulturell zu lernen, unterscheide den Menschen von anderen Lebewesen – und von heutiger KI.