Osttimor und die Politik des Völkermordes

Wieder hat die Weltgemeinschaft zu lange gezögert

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Die Republik Indonesien umfasst mehr als 13600 Inseln und gehört mit über 200 Millionen Einwohnern zu den bevölkerungsreichsten Staaten der Welt. 1965 wurde dort ein Putschversuch blutig niedergeschlagen, und der Militärgeneral Suharto kämpfte sich an die Macht. Unter seiner Führung kam es zu einer antikommunitischen Hexenjagd, die bis zu 1,5 Millionen Menschen das Leben kostete.1 Die USA sahen Suhartos Politik als "Lichtblick in Asien" und unterstützten ihn jahrzehntelang mit Waffenlieferungen und Training.2 Im Mai 1998 trat Indonesiens Präsident Suharto zurück und benannte seinen Vize B. J. Habibie als seinen Nachfolger.

"Massaker in einer Kirche in Liquisa am 6. April dieses Jahres, noch vor dem Referendum. Bilder wie dieses dringen nach der Evakuierung der meisten Journalisten kaum noch nach außen."

Eine der indonesischen Inseln ist Timor, deren Westteil bereits 1950 von niederländischer in indonesische Kontrolle überging. Am 7. Dezember 1975 erfolgte die Invasion des bis dahin portugiesischen Osttimor durch indonesische Truppen. Westliche Regierungen schauten tatenlos zu, während in den folgenden Jahren in Osttimor über 200.000 Menschen starben. Nicht alle wurden ermordet, viele verhungerten oder starben qualvoll durch leicht behandelbare Krankheiten. Der renommierte US-Wissenschaftler und Publizist Noam Chomsky sieht darin die "vielleicht höchste Todesrate bezogen auf die Bevölkerung seit dem Holocaust".3

Seit nunmehr 24 Jahren kämpfen die Osttimoresen für die Unabhängigkeit von ihren brutalen Unterdrückern. Der katholische Bischof Carlos Belo und der Sprecher der Widerstandsbewegung, José Ramos-Horta, erhielten für ihren unermüdlichen Einsatz 1996 den Friedensnobelpreis. Sie ahnten nicht, dass sich die Geschichte, die sie hinter sich glaubten, nur drei Jahre später wiederholen würde - unter den Augen der Weltöffentlichkeit.

Am 30. August fand in Osttimor ein bedeutendes Referendum für die Unabhängigkeit des Inselteils statt. Koordiniert wurde es von den Vereinten Nationen, die Osttimor nie als Teil Indonesiens anerkannten. Unmittelbar nach dem Einmarsch verurteilten sowohl die Vollversammlung als auch der Sicherheitsrat der UN die indonesische Invasion und forderten den sofortigen Rückzug Indonesiens. Allen Bürgern (auch den pro-indonesischen Milizen und ihren Angehörigen) wurde die Möglichkeit gegeben, sich für oder gegen eine "Autonomie" auszusprechen. Wer gegen die "Autonomie" stimmte, stimmte damit der Unabhängigkeit zu. Bereits im Vorfeld kam es zur massiven Verfolgung von Unabhängigkeitsbefürwortern durch pro-indonesische Milizen, Dutzende starben, und schon am 24. August waren 3000 Menschen auf der Flucht.4 Einen Tag später wurden sogar UN-Wahloffiziere von den Milizen angegriffen.5 ABC berichtete am gleichen Tag von einem durchgesickerten Dokument der "Autonomie"-Befürworter (eine ähnlich geschickte Namensgebung wie die von Abtreibungsgegnern als "Pro-Lifers"), das offen den Einsatz von Mord und Einschüchterung im Wahlkampf diskutierte.6

Die US-Zeitschrift "The Nation" warnte in einem Editorial: "Es ist die Zeit nach dem Referendum, über die sich die UN - und die Welt - die meisten Sorgen machen müssen. Das Referendum mag unfair und unfrei sein, doch ohne jeden Zweifel wird am Ende eine ausdrückliche Ablehnung des Autonomie-Angebots stehen. Pro-Jakarta-Kräfte [Jakarta ist Indonesiens Hauptstadt, E.M.] haben geschworen, dass es in diesem Fall zu einem Krieg kommen wird. Des weiteren enthüllte ein bekannt gewordenes Regierungsdokument, dass das indonesische Militär eine Politik der verbrannten Erde beginnen könnte, bei der vor dem Rückzug Indonesiens alles von Wert verbrannt, geplündert oder zerstört würde."

US-Senatoren forderten bereits zu diesem Zeitpunkt eine Friedenstruppe. Es sei noch nicht zu spät, um das Schlimmste zu verhindern. Am 26.8. vermeldete Reuters 3 Tote bei Zusammenstößen von Milizen und Unabhängigkeitsbefürwortern, ein Reuters-Fotograf wurde ins Bein geschossen.

Am 26. August warnte der osttimoresische Widerstandsrat vor einem Massaker und forderte die Entsendung von Truppen.7 Man kann von den Vereinten Nationen nicht ohne weiteres verlangen, dass sie diese Indizienkette zur Kenntnis nahmen, wenngleich das Gegenteil ein Zeichen für unsagbar schlechte Informationspolitik wäre. Doch schon am 24. August warnte das "International Federation for East Timor Observer Project" (IFET-OP) in einem Brief an UN-Generalsekretär Kofi Annan vor der Gefahr eines Blutbads nach dem Referendum. IFET-OP forderte darin die Entwaffnung der Milizen durch die indonesische Polizei, den Abzug indonesischer Truppen und eine internationale Sicherheitspräsenz zur Überwachung des Votums. Zur Begründung wurde eine lange Liste von Ereignissen vor dem Referendum beigefügt, die eindeutig bewies, dass in der herrschenden Atmosphäre eine freie Wahl nicht möglich war: Ermordung von Unabhängigkeits-Aktivisten, erzwungene Teilnahme an "Autonomie"-Veranstaltungen, Angriffe auf Flüchtlinge usw. Der Brief ist auf der Website des East Timor Action Network vollständig dokumentiert.

Annan wusste also um die Gefahr, ignorierte sie aber. Das Referendum wurde wie geplant durchgeführt. Am 30.8. verließen Tausende ihre Verstecke und gaben trotz der Gefahr an Leib und Leben ihre Stimme ab. Weltweit wurde das Referendum gefeiert, und Australiens Außenminister Alexander Downer sprach von einem historischen Tag, der zum Teil Australiens Verdienst sei.8 Die Gewalt ging jedoch weiter, und Human Rights Watch warnte am 2. September: "Die nächsten 48 Stunden könnten Tod und Zerstörung in Osttimor bedeuten, wenn die Weltpolitiker nicht maximalen Druck auf die indonesische Regierung ausüben."

Spätestens am 4. September dürfte Downer seine Worte bedauert haben. An diesem Tag wurde das Ergebnis des Referendums von den Vereinten Nationen bekanntgegeben. 78,5 % stimmten für die Unabhängigkeit und gegen die "Autonomie". Nur Sekunden später versank Osttimor im Chaos.9

Der Chef des Milizen-Verbandes "Vereinigte Front" kündigte laut Tagesschau ein "Blutbad" an. Bereits in der Nacht zum 4. September wurden durch die Milizen zwei Dörfer westlich der Hauptstadt Dili in Brand gesteckt, sie übernahmen außerdem einen Radiosender. Australischen Radioberichten zufolge wurden allein im Maliana-Bezirk 20 Menschen getötet, wo die Vereinten Nationen zuvor ihren gesamten Stab abzogen. Am 5. September war bereits von über 200 Toten die Rede. Das Hotel Makhota, in dem viele UN-Mitarbeiter untergebracht waren, wurde von den Milizen dreimal angegriffen. Weitere 100 UN-Mitarbeiter mußten evakuiert werden. Die Tagesschau berichtete am 4.9., man versuche offenbar gezielt, Vereinte Nationen und Medienvertreter von der Insel zu vertreiben. Militär und Polizei hielten sich zurück und griffen bei Mord, Raub und Plünderung nicht ein. Verletzten wurde der Zugang zu Krankenhäusern verwehrt. Zu Tausenden eilten die Menschen in UN-Gebiet oder suchten Schutz bei der Polizei. In Dili eröffneten Milizen einer niederländischen Journalistin zufolge das Feuer auf rund 1500 Flüchtlinge, darunter etwa 200 Säuglinge und Kleinkinder, wiederum griff die Polizei nicht ein.10

Immer deutlicher zeichnete sich in den folgenden Tagen ab, dass das Ziel der Indonesier nicht nur ein Blutbad, sondern ein im voraus geplanter und organisierter Völkermord war. Und das Militär schaute nicht nur tatenlos zu, es dirigierte die Milizen.11 Spätestens am 6.9., also nur zwei Tage nach Bekanntgabe der voraussichtlichen Unabhängigkeit Osttimors, begannnen Radiointerviews der ABC zufolge Massenmorde und Deportationen auf Lastwagen und Booten. Ein Reisender von Dili nach Atambua berichtete von Hunderten aufgespießter Köpfe und Leichen am Straßenrand.12 Später berichtete ABC, dass einige von ihnen das Wort "Unabhängigkeit" auf der Stirn eingeritzt hatten. Das ist glaubwürdig: Auch auf Bildern von Folteropfern Indonesiens, die im Internet liegen (siehe Links), sind solche eingeritzten Parolen üblich.

Ein Grund für die Inaktivität des Westens war die fast vollständige Vertreibung ausländischer Korrespondenten von der Insel, so dass kaum Bilder und nur wenige Berichte vom Geschehen nach außen drangen. Aufgrund von Angriffen, Einschüchterungen und gezielter Evakuierung durch die Polizei hatten am 6.9. von ursprünglich 626 bei der UNAMET (United Nations Assistance Mission in East Timor) angemeldeten Journalisten mehr als 600 Osttimor verlassen.13

Auch die Vereinten Nationen evakuierten gezwungenermaßen immer größere Teile ihres Stabes. Tausende Flüchtlinge, die auf UN-Gebiet Zuflucht gesucht hatten, gerieten so ebenfalls in Lebensgefahr. Sie hatten sich auf den UN-Slogan verlassen, der vor der Wahl propagiert wurde: "Wir bleiben auch nach der Stimmabgabe hier, damit Eure Wahl Realität wird."14 Die Milizen und das Militär machten auch vor Krankenhäusern, Schulen und Kirchen nicht halt. Neben unzähligen Massakern an Männern, Frauen und Kindern, an Priestern und Nonnen, an Ärzten, Lehrern, Beamten, gingen die Deportationen weiter.

Am 7.9. zitierte AFP einen Widerstandführer, der die Strategie Indonesiens offenlegte: Ziel sei es, bis zu 300.000 Osttimoresen nach Kupang und Atambua in Westtimor zu deportieren und Osttimor mit Indonesiern neu zu bevölkern. In der gleichen Meldung wurde ein Vertreter des Roten Kreuzes in Osttimor, Jean Luc Metzker, zitiert, dem zufolge zu diesem Zeitpunkt 60.000 Osttimoresen auf dem Polizeigelände in Dili zusammengepfercht waren und nach Westtimor deportiert werden sollten. Vollstrecker der Deportationen waren nicht nur Milizen, sondern auch Militär und Polizei. Auch ABC berichtete später, ohne Nennung von Quellen, vom Ersatz deportierter osttimoresischer Bevölkerung durch Westtimoresen.15

Während all dieser Ereignisse wartete der Westen ab. Kofi Annan beschränkte sich vom 5.9. bis zum 7.9 darauf16, Indonesien zum Eingreifen aufzufordern, ohne selbst eine Friedenstruppe in Betracht zu ziehen. Am 8.9., nach der Verhängung das Kriegsrechts in Indonesien, das die Gewalt nicht milderte, sondern verschlimmerte17, änderte er seine Strategie insofern, als er zwar nun eine Friedenstruppe in Betracht zog, aber hierfür die Zustimmung Jakartas anforderte, als ob man einen Mörder fragt, bevor man ihn verhaftet. Die Position der USA verlief weitgehend analog dazu, wobei man eine Beteiligung an einer eventuell mit Zustimmung Indonesiens entsandten Friedenstruppe ausschloß.

Auch eventuellen Wirtschaftssanktionen ging die Clinton-Administration bis zuletzt aus dem Weg. Schließlich münzte Clinton größeren innenpolitischen Druck (es wurden bereits zwei Gesetzentwürfe für umfangreiche Sanktionen eingebracht18) zu seinem persönlichen außenpolitischen Erfolg um, indem er zum spätestmöglichen Zeitpunkt die unvermeidlichen Sanktionen ankündigte.

Wieso zögerten die USA und die Vereinten Nationen jegliches Eingreifen hinaus? Für die USA fällt die Antwort leicht. Die Asien-Spezialisten der New York Times berichteten, dass die Clinton-Administration "kalkuliert hat, dass die Beziehung zu Indonesien, ein mineralreiches Land mit mehr als 200 Millionen Einwohnern, Vorrang hat vor der Besorgnis über das politische [sic!] Schicksal Osttimors, ein kleines, verarmtes Land von 800.000 Menschen, das Unabhängigkeit sucht."19

Für die Vereinten Nationen aber sind die Ereignisse noch bedeutsamer als der Kosovo-Krieg. Es ist nun eindeutig klar, dass ein Genozid irgendwo auf der Welt durch sie nicht verhindert wird, wenn die USA mit einer Intervention nicht einverstanden sind. Für ausländische Machthaber bedeutet es, dass sie den Völkermord im stillen Einvernehmen mit den USA in ihr politisches Repertoire aufnehmen können. Für Unabhängigkeitsbewegungen und kleinere Staaten bedeutet es, dass sie massiv aufrüsten müssen, um überhaupt existieren zu können. Auch die Herstellung und Weitergabe von ABC-Waffen wird deshalb wahrscheinlich zunehmen.

Portugal, may have left East-Timor 24 years ago, but that's no excuse for the genocide conducted by Indonesia.

STOP KILLING, STOP THE GENOCIDE, STOP IT NOW

JUST STOP IT! !

Text auf den gehackten Websites

Zum besseren Verständnis der Ereignisse ist hier ein historischer Rückblick erforderlich. 1994 ereignete sich im afrikanischen Staat Ruanda unter den Augen der Weltöffentlichkeit ein furchtbarer Genozid. Rund 800.000 Tutsi wurden damals von Hutu-Milizen mit primitivsten Mitteln massakriert. 1998 beschuldigten Überlebende des Genozids den damaligen Chef der UN-Friedenstruppen, Kofi Annan, für das Morden mitverantwortlich zu sein.20 Annan hatte zu Beginn der Massaker einen Großteil seiner Truppen abgezogen - ein offensichtlicher Akt unterlassener Hilfestellung, so die Überlebenden. Noch kurz vor Beginn der Massakers hatte Annan ein Fax des Kommandanten vor Ort, General Romeo Dallaire, ignoriert, in dem dieser davor warnte, dass Tutsis in Kigali zu Tausenden registriert wurden, um sie später zu ermorden.21 Oder besser gesagt, er hat es nicht ignoriert, sondern daraufhin seine Truppen abgezogen und damit den Mördern freie Hand gelassen.

Kofi Annan verließ sein Heimatland Ghana 1959, im Alter von 20 Jahren, und akzeptierte ein Stipendium der Ford Foundation am Macalaster College in St. Paul, Minnesota. Er machte seinen Abschluß im Studiengang Wirtschaftswissenschaft und arbeitete für die World Health Organization (WHO). Von einer Unterbrechung abgesehen, in der er am MIT einen Abschluß in Management machte, verblieb er von da an bei den UN. Nur auf Druck der USA, die gegen eine weitere Amtszeit von Boutros Boutros-Ghali ihr Veto einlegten (die meisten Medien begründeten dies mit den Milliardenschulden der USA an die UN, die Boutros-Ghali streng verfolgte), wurde der US-Wunschkandidat Annan 1997 neuer Generalsekretär, trotz seiner bekannten Verantwortlichkeit in Ruanda. Sein Studium und seine Beschäftigung in der Finanzverwaltung der UN in New York prädestinierten ihn offenbar zur Vertretung ökonomischer Interessen der USA in den Vereinten Nationen.22

An der Schwelle zum 21. Jahrhundert droht nun also eine neue Politik des Völkermordes, die ihre Wurzeln in Ruanda, im Kosovo und in Osttimor hat. Eine Politik, die die Medien vielleicht unfreiwillig unterstützen, und das obwohl laut einer CNN-Umfrage schon am 4.9.99 eine deutliche Mehrheit (77 %) ein Eingreifen im Osttimorkonflikt befürwortete.

Im BBC-Fernsehen berichtete die osttimoresische Mitarbeiterin des Katholischen Instituts für Internationale Beziehungen (CIIR) am 7.9. von Plänen für ein Massaker in Osttimor bereits um den 27.8. Auf einer indonesischen Konferenz in Dili, an der Militärs, Zivilpersonen und Geheimdienstler teilgenommen hätten, sei die Deportation von 200.000 Menschen für den Fall eines Unabhängigkeitsvotums beschlossen worden. Sie sollten demnach im Westen Timors und auf Inseln gebracht und anschließend getötet werden. Aus Indonesien sollten dann 200.000 Menschen neu angesiedelt werden. Danach würde man die Korrektheit der ersten Abstimmung in Zweifel ziehen und ein neues Referendum fordern. Die UN seien vor dem Referendum von den Plänen informiert gewesen. Am 14.9. trat Pires erneut bei BBC auf, diesmal mit einem ihr illegal zugespielten Dokument der UN, das intern vor einem Blutbad in Osttimor warnte. Der Moderator bezeichnete dieses Dokument, wenn es authentisch wäre, als "smoking gun". Im BBC-Fernsehen wurde ihr erster Auftritt aus Wiederholungen geschnitten. Einer Suche in dem Datenbankdienst DIALOG zufolge, der nicht nur News aus der internationalen Presse und der Agenturen enthält, sondern auch Fernseh- und Radiotranskripte, wurde Pires bis zum 14.9. nicht erneut in den Medien erwähnt. Auch das Internet förderte zu ihr nichts zutage.

Dennoch waren WWW und Usenet während der Osttimor-Krise so etwas wie ein Hoffnungsschimmer. Dutzende Websites berichteten über die Problematik mit tagesaktuellen News aus allen denkbaren Quellen. Die Hackergemeinde startete Massenangriffe auf indonesische Websites, die 2600 dokumentierte. Doch zur Öffentlichkeitsarbeit reicht dies nicht, besucht doch die Osttimor-Websites nur, wer überhaupt irgendwie auf die Problematik aufmerksam geworden ist. Und in der Hinsicht mangelt es noch: Web-Aktionen auf größeren Internet-Seiten (mit Hunderttausenden Besuchern täglich) fehlten, im Usenet und im Mailverkehr wurden entsprechende Warnungen als "Spam" wahrgenommen.

Wie geht es nun weiter in Osttimor? Indonesien hat der Entsendung einer ausländischen Friedenstruppe am 12.9. überraschend zugestimmt. Kofi Annan kommentierte, der Sicherheitsrat wolle die Zustimmung erreichen, weil er "auf Indonesiens Position als einem respektierten Mitglied der Staatengemeinschaft" Rücksicht nehme.23 Doch Indonesiens Zustimmung ist nicht mehr als ein geschickter politischer Schachzug. Denn der Genozid ist mittlerweile bereits sehr weit fortgeschritten, Flüchtlinge und Deportierte befinden sich zu großen Teilen in Lagern in West-Timor (Fluchtversuche werden mit Massenhinrichtungen bestraft) und werden von als UN-Mitarbeitern verkleideten Soldaten in Flugzeugen mit "unbekanntem Ziel" deportiert.24 In den Bergen droht rund 100.000 Flüchtlingen der sichere Tod, nicht nur sterben sie an Hunger und Krankheiten, die Milizen setzen ihnen bis in die Berge nach und töten sie zu Tausenden.25

Durch die Zustimmung hat Indonesien wieder einmal Zeit gewonnen, denn für viele Medien ist die Sache damit vorerst erledigt. Aber nicht nur das, auf beiden Seiten wird die Entsendung einer Friedenstruppe hinausgezögert. Zunächst lehnte Indonesiens Präsident Habibie eine australische Beteiligung ab26, und Australiens Premierminister Howard rechnete mit der Entsendung von Soldaten nicht vor dem Wochende.27 Diese lange Wartezeit ist skandalös, denn Australiens Soldaten befinden sich in 24-stündiger Bereitschaft in Darwin, nur eine Flugstunde von Dili entfernt. Auch der Zeitpunkt der Entsendung von unbedingt notwendigen Hilfsgütern für die Flüchtlinge war am Montag "noch unklar". Und als weiterer Schlag ins Gesicht der noch lebenden Osttimoresen wurde eine Entscheidung des UN-Sicherheitsrates am Montagabend vertagt, was die Truppenentsendung weiter hinauszögert.28

Am Montag drang durch das fast völlig zerstörte Telefonnetz von Dili ein Telefonanruf zur Vertretung des osstimoresischen Widerstands in Australien vor. Der Anrufer, ein Unabhängigkeitsbefürworter, der für kurze Zeit sein Versteck im Busch verließ, flehte mit Furcht in der Stimme: "Helft uns, bitte! 72 Stunden sind zu lang. Wir sterben jetzt."29

Links zu aktuellen Informationen über Osttimor:

East Timor Action Network
Mother Jones alt.news
Der Humanist Osttimor-News (deutsche Überschriften und Kurzzusammenfassungen)
Timor Today, mit umfangreicher Bildergalerie indonesischer Folteropfer
Australian Broadcasting Corporation
Z Magazine
United Nations Mission in East Timor (UNAMET)