Out of Africa
Aber nicht durch den Nahen Osten
Das Wissenschaftsjournal Science beschäftigt sich in seiner aktuellen Ausgabe in mehreren Artikeln mit der Wanderung des modernen Menschen. Unsere Vorfahren kamen aus Afrika und breiteten sich in den letzten 100.000 Jahren über die gesamte Welt aus. Inzwischen gehen die meisten Anthropologen davon aus, dass die „Out of Africa“-Hypothese richtig ist. Genanalysen machen es jetzt möglich, den Weg der Migration des Homo sapiens sapiens zu rekonstruieren.
Die Wiege der Menschheit stand in Afrika (Junger Mensch oder alter Affe?), von dort aus machte sich zunächst wahrscheinlich Homo erectus auf den Weg und besiedelte vor ungefähr 1,7 Millionen Jahren nach und nach die Erde. Erst sehr viel später, vor nicht mehr als 200.000 Jahren (Echt alt), wurde wiederum in Afrika ein neues Kapitel der Menschheitsgeschichte eingeläutet: Der Homo sapiens sapiens kam zur Welt. „Out of Africa“ begann er seinen Siegeszug rund um die Welt.
Diese ersten modernen Menschen sind die „Vorfahren von uns allen, die wir heute leben, nicht nur der Europäer, sondern aller Völker der Erde, von den Eskimos in Grönland bis zu den Pygmäen in Afrika und von den australischen Aborigines bis zu den Indianern Amerikas“, erklärt der britische Paläontologe Chris Stringer vom Natural History Museum in London.
Der Blick in unser Erbgut zeigt, dass wir keine Gene unseres europäischen Vetters, des Neandertalers in uns tragen (Kein liebevoller Neandertaler in uns), genetisch haben sich in uns nur einige wenige Vorfahren durchgesetzt (Wenige Adams und Evas). Wir stammen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit alle von den Menschen ab, die sich vor weniger als 100.000 Jahren von Ostafrika aus über alle Kontinente verbreiteten. Um nachzuvollziehen, wann und wohin unsere Ahnen zuwanderten, setzen die Anthropologen zunehmend auf Untersuchungen der DNS heute lebender Menschen. So genannte „genografische“ Projekte sollen darüber Auskunft geben (DNA-Proben für räuberische Kolonialherren?).
Der Küste entlang
Das Team um Kumarasamy Thangaraj vom Centre for Cellular and Molecular Biology im indischen Hyderabad und des Estonischen Biocenters in Tartu untersuchte das Erbgut der sechs Stämme von Ureinwohnern der Inselgruppen der Andamanen und Nikobaren, die zwischen Indien und Myanmar (früher Birma) liegen. Die Bewohner gehören zu den Opfern des Tsunamis, der an Weihnachten 2004 die Region verwüstete (Die Flutkatastrophe, Blogs und Handys, Die Weihnachtsflut kam nicht wirklich überraschend).
Die Wissenschaftler nahmen die mitochondriale DNS, die nur über die Mütter vererbt wird, genauer unter die Lupe und stellten fest, dass auf den Andamanen heute noch Menschen leben, die direkte Abkömmlinge früher Zuwanderer sind. Bei dem Verfahren werden Genvariationen untersucht und dadurch Verwandtschaftsverhältnisse definiert – auch wann die Linie der gemeinsamen Vorfahren auseinander geht, da durch Hochrechnungen bekannt ist, wann bestimmte Mutationen zu erstem Mal auftraten.
Die Vorfahren der Andamanen kamen vor 50.000 bis 70.000 Jahren auf die Inseln und die Ureinwohner blieben dort relativ isoliert. Im Gegensatz dazu sind die Bewohner der Nikobaren genetisch vermischter, ihre Ahnen kamen wahrscheinlich erst vor ungefähr 18.000 Jahren auf die Inseln. Die dort heute lebenden Nikobaren sind eng mit anderen Südostasiaten verwandt.
Vincent Macaulay und Kollegen von der Universität Glasgow sowie elf weiteren internationalen Instituten haben das mitochondriale Erbgut der Orang Asli, Ureinwohner der Halbinsel Malaysias unter die Lupe genommen. Es erwies sich, dass auch die Orang Asli direkt von den ersten Migranten des Homo sapiens sapiens abstammen. Ihre Ahnen kamen vor ca. 60.000 Jahren nach Malaysia.
Genau wie das Team um Thangaraj kommt die Gruppe um Macaulay zu dem Schluss, dass diese ersten Homo sapiens sapiens an der Küste des roten Meeres und dann des indischen Ozeans entlang gewandert sind und viel schneller voran kamen, als bisher angenommen.
Die frühen modernen Menschen zogen nicht wie bisher angenommen durch den Nahen Osten. Diese Theorie war bereits angezweifelt worden, weil durch die Klimaforschung inzwischen bekannt ist, dass dort bis vor 50.000 Jahren weitgehend die Wüste herrschte. Tatsächlich spricht auch nach den neuen genetischen Studien alles dafür, dass die Vorfahren der Ureinwohner der Andamanen und der Orang Asli vor höchstens 80.000 und mindestens 65.000 Jahren aus Ostafrika aufbrachen und sich an den Meeresküsten entlang bewegten, wo sie durch Fischerei ihr Überleben sichern konnten. Dabei kamen sie schneller voran, als bisher angenommen, bei dieser Migrationsgeschwindigkeit müssen es mehrere Kilometer pro Jahr gewesen sein.
Tatsächlich gab es vor 70.000 Jahren am Roten Meer, von wo aus die modernen Menschen losmarschierten, einen dramatischen Klimaumschwung, der vermutlich den Fischbestand stark reduzierte. Die Anwohner machten sich wohl vom Horn von Afrika aus auf den Weg, um neue Fischgründe zu erschließen.
Chris Stinger zeigt sich in einem begleitenden Artikel in Science nicht restlos begeistert von allen Schlüssen, die seine Kollegen aus ihren aktuellen Untersuchungen ziehen. „Ich bin noch nicht überzeugt, dass es einen kleinen, schnellen Auszug gab – ich bin nicht sicher, ob das die ganze Geschichte ist“, meint er und fügt an: „Aber die Route entlang der Küste ist plausibel“.