Paintball und Quasar unter Beschuss

Würde ein Verbot überhaupt standhalten?

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Zwei Mannschaften, ein Spielfeld. Das Ziel: Ausschalten des Gegners (Elimination) zwecks Eroberung der Fahne (Capture the flag) oder einfach nur das Sammeln von Punkten (Retro Zed). Das Mittel: mit Lebensmittelfarbe gefüllte Gelatinekugeln (Kal. 68 =17 mm) oder ein gebündelter Lichtstrahl.

Die Organisation von Paintball- und Laserdrome-Veranstaltungen ist eine gewerbliche Tätigkeit. Sie fällt in den Rahmen der Unterhaltungsspiele, vielleicht auch Sport, allerdings ohne erlaubnispflichtig zu sein. Insofern genügt die Anzeige des Gewerbes. Welche Folgen also hätte ein gesetzliches Verbot derartiger Veranstaltungen für die Betreiber? Faktisch würde das Verbot zum Berufsverbot führen. Eine Ausübung des Betriebs wäre damit unmöglich. Die Anzeige? Zwecklos. Die Verfassungsbeschwerde? Vorprogrammiert.1

Die Berufsfreiheit …

Die Freiheit des Berufs ist im Grundgesetz verankert. Derart krasse Eingriffe in dieses Grundrecht muss der Gesetzgeber begründen. Er tut das in der Regel mittels seiner Motive. Und diese würden hier nach den Plänen der Arbeitsgruppe zu den waffenrechtlichen Konsequenzen aus dem Amoklauf in Winnenden zu einer Strafbarkeit aller am Spiel Beteiligten führen. Aber wenn diese Motive behaupten, diese Spiele seien „sittenwidrig“(SPD-MdB Dieter Wiefelspütz) und „menschenverachtend“ (CDU-MdB Reinhard Grindel), ist die Veranstaltung von Paintball/Quasar dann überhaupt ein „erlaubter“ Beruf?

Diese fast schon historische Problematik um den Berufsbegriff hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) reanimiert2. Der aktuelle Maßstab des 1. Senats ist die Sozial- und (!) Gemeinschaftsschädlichkeit einer Tätigkeit. Der Leser (und der Jurist) fragt sich zurecht: Was ist das? Man könnte meinen, unschädlich sei das, was an anderer Stelle erlaubt sei. Das Gericht erlaubt zum Glück auch den grenzüberschreitenden Blick, womit eine andere Stelle auch das EU-Ausland ist und dort ist beispielsweise Paintball auch über die hier geltenden Altersgrenzen hinweg weit verbreitet. Den Schutz des Grundgesetzes können die Betreiber damit für sich in Anspruch nehmen.

… und deren Verknappung

Das hindert aber natürlich das Verbot nicht. In seiner Rechtfertigung dafür ist der Gesetzgeber allerdings nicht völlig frei. Hierzu dienen Güter, denen bei sorgfältiger Abwägung der Vorrang vor dem Freiheitsanspruch des Einzelnen eingeräumt werden muss. Gemeint sind also Güter (Rechte) anderer. Die angekündigten Verbotsmotive, derartige Spiele verharmlosen Gewalt, setzten die Hemmschwelle herunter und seien sittenwidrig, sind damit nicht neu, vergleicht man sie mit der Bundesratsinitiative bereits aus dem Jahr 1997 („menschenverachtende Spiele“). Dort wurde additiv postuliert, „derartige Spielformen widersprechen der Werteordnung unserer Gesellschaft“. Reicht das als Rechtfertigung für ein Berufsverbot aus?

Ein etwaiger Gesetzesentwurf würde sich an den Gesetzesentwurf zum Vierten Änderungsgesetz des Sprengstoffgesetzes koppeln. Aufgrund der nicht unbedingten thematischen Nähe dazu wäre die Erwähnung weiterer Motive wohl nicht zu erwarten. Wir haben es also mit dem Sittengesetz und der Menschenwürde zu tun. Die Beschäftigung damit ist wichtig, aber undankbar. Aus diesem Grund stelle ich die Frage, ob es sich dabei um Güter im oben beschriebenen Sinn handelt, und die Antwort darauf zunächst zurück. Denn es gibt noch eine andere Voraussetzung, die das BVerfG als für die Rechtfertigung des Eingriffs in die Wahl des Berufs postulierte: das Gefahrenmoment.

Dem mit der Berufswahl kollidierenden Recht muss eine nachweisbare oder höchstwahrscheinliche Gefahr drohen. Anders ausgedrückt: die Spiele müssten nachweisbar oder höchstwahrscheinlich gefährlich sein. Ersichtlich fehlt dazu bislang jeder Hinweis. Entbindet dieses Zwischenergebnis nun von der Antwort auf die oben gestellte Frage? Aus zwei Gründen ist das nicht der Fall. Erstens hält sich das BVerfG nicht immer an seine eigenen Vorgaben. So wurde gerade in den letzten Urteilen zum Glücksspiel auf das Gefahrenmoment verzichtet3. Zugleich, und damit zweitens, wurde die Qualität des Rechtfertigungsmaßstabs heruntergelevelt. D.h. die Qualität der den Eingriff rechtfertigenden Rechte muss nicht mehr überragend sein. Ob sich das nun verallgemeinern lässt oder speziell bleibt, muss hier offen bleiben. Die sich daraus ergebende Möglichkeit ist aber die, dass Eingriffe in die Berufswahl nun einfacher geworden sind.

Eine Erörterung der deutschen Sittengesetze und der Menschenwürde kann und soll dieser Artikel nicht leisten. Ich unterstelle daher an dieser Stelle einfach die Qualität beider Begrifflichkeiten als überragend wichtiges Gemeinschaftsgut.4 Insofern würde also unter Umständen alles vom Gefahrenpotential beider Spielarten abhängen. Ein unbefriedigendes Ergebnis.

Ausblick

Aber es gibt Licht am Horizont: Die aktuelle Verunsicherung hinsichtlich des Erfordernisses eines gesetzlichen Verbots (siehe: Koalition lässt Paintball-Verbot vorerst fallen) zollt einem starken verfassungsrechtlichen Prinzip Respekt, nämlich dem, dass ein Berufsverbot natürlich immer Ultima Ratio sein muss.

Es wird eher ein Zufall sein, aber am Regelwerk für Paintball drehen zu wollen, ist deutlich simpler. Dann passt auch wieder der im Glücksspiel entwickelte Maßstab des BVerfG, was allerdings ein weiterer Zufall ist. Und ob dieses Vorhaben praktikabel wäre, ist sehr fraglich. Ein Verbot wäre schnell aus älteren Gesetzesentwürfen kopierbar. Eingriffe in die Regelwerke der Spiele hingegen ließen sich in dieser Legislaturperiode kaum noch realisieren. Und wer will schon behaupten, ob die Camouflage den Unterschied ausmacht?

Elmar Liese ist Rechtsanwalt in Berlin