Pakistan: Die unverzichtbare Armee als Mühlstein
Seite 2: Der vierte Militärdiktator
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Unerklärlich ist bis heute, warum 1999 General Musharraf seinem Mentor Nawaz Sharif in den Rücken fiel. Dieser unternahm konkrete Schritte, um die Dauerkonfrontation mit Indien zu lindern, wegen welcher die ganze Region blockiert blieb.
Aus der Gegenrichtung kamen positive Signale, ausgerechnet von einer Regierung unter der BJP. Genau zu diesem Zeitpunkt befahl Musharraf eigenmächtig die Invasion von Kargil - Sharif und Vajpayee waren blamiert. War es tatsächlich so, dass sich die Armee einfach keinen Frieden mit Indien vorstellen konnte? Weil dann vielleicht die Frage laut werden könnte, warum sich ein solch sieches Land die sechstgrößte Armee der Welt leistet?
Sharif war nicht bereit, die politische Verantwortung für Harakiri-Aktionen Musharrafs zu übernehmen. Er kam knapp mit dem Leben davon, sein Widersacher wurde der vierte und vorerst letzten General, der die Macht - im Widerspruch zur Verfassung - direkt ausübte.
Am 12. September 2001 stellte George W. Bush General Musharraf vor die Wahl: entweder mit den USA gegen al-Qaida und die Taliban, die Pakistan seit Jahren förderte. Oder gegen die USA, mit allen Konsequenzen. Musharraf wählte "mit den USA" und das hatte verheerenden Folgen für alle. Einige Jahre ging es gut, es dauerte, bis sämtliche Beteiligte begriffen, dass den USA ihr Konflikt im Irak viel wichtiger war als jener, den sie nun "Af-Pak" nannte.
Musharraf bedient beide Seiten, die USA und die Taliban, ohne dass die Parteien murrten. Die Amerikaner zum Großteil aus Unkenntnis. Manche Diplomaten wussten jedoch, dass von Musharraf die Quadratur des Kreises verlangt wurde und er sich genauso verhielt. Die Taliban verloren langsam die Lust an den Doppelspielchen des ISI.
Bei der Räumung der Roten Moschee im Zentrum von Islamabad im Sommer 2007 (nicht in irgendwelchen abgelegenen Tälern), bei der Dutzende Militante getötet wurden, war es soweit. Die Taliban bissen die Hand, die sie fütterte. Sie hatten genug von der Heuchelei. Ihre Gewalt richtete sich explizit gegen den Sicherheitsapparat. Jener wurde die Geister, die er gerufen hatte, nicht mehr los. In New Delhi und Kabul (und anderswo) rieb man sich die Hände. Nun war Pakistan selbst an der Reihe.
Nach Musharraf
Der beginnende Krieg gegen die Taliban war nicht einmal der Hauptgrund, warum General Pervez Musharraf 2008 abdankte. Die Macht lag nun wieder - zum Teil wenigstens - in den Händen ziviler Politiker, die sich ans Aufräumen der verheerenden Hinterlassenschaften machen durften.
Im Hintergrund behielt die Armee das Heft in der Hand. Und führte die Kamikaze-Politik weiter. Die Theorie von den "guten" Taliban in Afghanistan und den "schlechten" in Pakistan kam auf. Eine Fraktion des ISI bekämpfte die Taliban, eine andere förderte sie. Mit oft tödlichen Folgen kamen US und pakistanische Truppen miteinander ins Gehege. 2008 leistete man sich die Attacke auf Mumbai, die ums Haar zum Krieg mit Indiens geführt hätte.
US-Diplomaten verzweifelten am Doppelspiel der Generäle, das selbst kurzfristig keinem Vorteile brachte. Erst als im Dezember 2014 das Schulmassaker in Peshawar 156 Opfer forderte (zumeist Kinder von dienenden Armeeangehörigen), wurde der Armee endlich klar, was für ein Geist ihnen da entronnen war. Der Konflikt, der schon bei der Swat-Kampagne 2009 völkerrechtswidrige Züge hatte, artete in einen Krieg gegen die Paschtunen aus.
Nach drei Jahren war das Ziel erreicht. Wie meist war der Hauptleidtragende nicht eine fremde, aggressive Macht, sondern die Bürger des eigenen Landes.