Palästinenserführung soll reformiert werden

Arafat steht nicht nur unter Druck von den USA und Israel, sondern auch von palästinensischen Oppositionsgruppen und der eigenen Partei

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Bei der Palästinensischen Autonomiebehörde stehen die Zeichen auf Reform. Ihr Vorsitzender Jassir Arafat kündigte in einer von der Tageszeitung al-Quds als "historisch" bezeichneten Rede am Mittwoch Neuwahlen, Gewaltenteilung und die Umstrukturierung seiner von weiten Teilen der Bevölkerung als undemokratisch und korrupt bezeichneten Behörde an. "Nun ist die geeignete Zeit für Veränderung und Reform gekommen, trotz aller Versuche, unsere Bemühungen zu unterlaufen", sagte Arafat. Ein Datum für Neuwahlen nannte er allerdings nicht. Stürmischer Applaus blieb zwar aus, allerdings klatschten einige, als Arafat von der Gewaltenteilung sprach.

In der Bevölkerung wurde die Rede ebenso verhalten aufgenommen. "Wir müssen natürlich abwarten, was davon wirklich umgesetzt wird", heißt es von Gemüsehandlung bis Friseursalon, "aber trotzdem stimmen die neuen Töne hoffnungsvoll." Bereits in der Nacht zu Donnerstag begann ein vom Parlament zusammengesetztes Komitee mit Mitgliedern aus Westjordanland, Gazastreifen und Ost-Jerusalem mit der Ausarbeitung eines Gesetzesvorschlages. Die Zahl der Minister soll gesenkt und die Rahmenbedingungen für eine künftige Ministerpräsidentenrolle festgelegt werden. Außerdem will das Komitee Regierungsinstitutionen und PLO-Körperschaften klar trennen. Beobachter rechnen mit dem Abschluss dieser Arbeit innerhalb einer Woche.

Druck spürte der palästinensische Präsident in den letzten Wochen genug. Nicht nur die USA und Israel drängen auf Veränderung und weisen Arafat eine ausschließlich repräsentative Funktion zu, während die Macht im Staate von "einer andere Person oder anderen Personen" ausgeübt werden soll. Oppositionsparteien, zivilgesellschaftliche Organisationen und sogar kritische Stimmen aus Arafats eigener Partei fordern seit einigen Wochen verstärkt eine Veränderung der palästinensischen Führungsstruktur, Demokratisierung und den Kampf gegen Korruption und Vetternwirtschaft. Aber "wir sind nicht die willenlosen Herdentiere von Scharon und Bush", so ein aktuelles Flugblatt von Nichtregierungsorganisationen. "Wir bestimmen selbst, wer uns repräsentiert und in unserem Namen (mit Israel) verhandelt." Israelische und amerikanische Forderungen erschwerten die Arbeit der Reformer, meint auch der Oppositionelle Saleh, "da es immer so aussieht, als würden wir ausländischen Interessen dienen".

Arafat will die Opposition nun stärker am politischen Prozess beteiligen, wozu das demokratisch gewählte Parlament gestärkt werden muss. Es genießt zwar auch heute schon weitgehende Befugnisse, allerdings wurden Gesetze von Arafat oft übergangen oder lange Zeit nicht ratifiziert. So kündigte Arafat eine Gewaltenteilung bereits vor langer Zeit an. Das betreffende, vor zwei Jahren vorgelegte Gesetz unterschrieb er allerdings erst vor wenigen Tagen.

Regulär wären Neuwahlen für das vor sechs Jahren gewählte Parlament zwar schon 1998 angestanden. Sie wurden von Arafat aber stets mit Hinweis auf den Konflikt mit Israel vertagt. Mit der zunehmenden Abriegelung der Palästinensergebiete durch die israelische Armee und der zunehmenden Ansiedlung jüdischer Siedler dort verschlechterte sich die Lage der einheimischen Bevölkerung permanent. Arafat geriet wegen seines Festhaltens an den Friedensvereinbarungen mit Israel deshalb immer mehr in Zugzwang, konnte seiner Bevölkerung aber keine positiven Veränderungen bieten. Damit rutschte sein Rückhalt ins Bodenlose.

Seitdem die israelische Armee den Palästinenserpräsidenten mehrere Wochen lang in seinem Hauptquartier festhielt und beschoss, ist seine Beliebtheit aber wieder gestiegen. Mit reellen Chancen auf eine Wiederwahl sieht er nun die Zeit für Neuwahlen gekommen. Gemessen an den Aussagen vieler will man sich aber nicht mehr an der Nase herumführen lassen. "Scharon und Arafat, das sind doch beide dieselben Verbrecher, die für den Machterhalt alles tun", heißt es. Demnach ist jetzt nicht nur die Palästinenserführung gefordert. Von Israel wird erwartet, die Reformen nicht zu behindern. Bislang geht die Besatzungsarmee noch im großen Stil gegen die palästinensische Polizei vor und lässt es im Ungewissen, wer die Umsetzung der neuen Gesetze gewährleisten soll.