Palmyra und die Kontrolle der Energieversorgung Syriens

Antikes Bauwerk, Palmyra. Foto: Bernard Gagnon/CC BY-SA 3.0

Durch die Eroberung der Oasenstadt kann der IS die Regierung in Damaskus unter starken Druck setzen

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Mit der Eroberung der antiken Oasenstadt Palmyra gelang es dem "Islamischen Staat" erneut, die internationale Öffentlichkeit auf seine destruktiven Möglichkeiten aufmerksam zu machen ("Die Welt bangt um den Verlust unschätzbarer Kulturgüter"). Dazu gab es Propagandaerfolge durch die Einnahme des berüchtigten Foltergefängnisses Tadmor. Was weniger beachtet wurde, ist die Rolle, die das Gebiet um Palmyra für die Energieversorgung des Landes spielt. Mit der Besetzung Palmyras haben die IS-Milizen einen wichtigen Knotenpunkt unter ihrer Kontrolle.

In der Region um die Stadt liegen bedeutende Gas-und Ölfelder. War Palmyra in der Antike eine Station auf einer wichtige Karawanenstraße, so ist sie jetzt die Drehscheibe für die Energieversorgung Syriens. Sie ist jetzt Transitstation von Gaspipelines aus großen Feldern der Provinzen Hasaka und Deir Ezzor.

So gut wie alles, was mit der syrischen Gasproduktion, der Verarbeitung des Gases, der Weiterleitung und der Versorgung eines beträchtlichen Teils der Bevölkerung, aber auch der Industrie, mit Gas und Strom aus Kraftwerken westlich des Ortes zu tun habe, hänge mit der Kontrolle über Palmyra zusammen, gibt Yezid Sayigh zu bedenken.

Der Experte für kriegerische Auseinandersetzungen im Nahen Osten, tätig für den Think Tank Carnegie, behauptet, dass der Islamische Staat durch die Eroberung Palmyras und ihr folgender von nahegelegenen Gasfeldern den Zugang zu fast der Hälfe - 45 Prozent der Gas-und Stromquellen - blockiert hat.

Die Schätzung stammt aus Kreisen der syrischen Opposition, wo man sicher Interesse daran hat, möglichst hohe Zahlen zu nennen. Und einige der Gasfelder, Förderstätten, Pumpstationen, Flüssiggasproduktionsstätten etc., die Sayigh erwähnt, sind nicht unter fester Kontrolle, sondern immer wieder umkämpft, seit längerer Zeit, wie etwa exemplarisch das Gasfeld al Shaer bzw. Dschahar, ebenso Produktionsstätten wie al-Furqlus.

Aber Sayigh dürfte mit seiner Argumentation schon ins Schwarze zielen. Demnach kann der Islamische Staat mit dieser Strategie die Regierung Assad starkem Druck aussetzen. Es gehe dem Kalifat in erster Linie gar nicht darum, die Quellen selbst auszubeuten. Bei Gas, insbesondere was Flüssiggas betrifft, sei dies aufgrund des dafür nötigen technischen Know-Hows ein Aufwand, zu dem das Kalifat gegenwärtig nicht in der Lage sei.

Weswegen der IS auf anderes aus sei, auf eine Zusammenarbeit mit der Regierung, wie man es in Raqqa ja schon praktiziere. Die technische Hilfsleistung kommt aus Damaskus, die Energie vom "Islamischen Staat". Auf die sei die syrische Regierung angewiesen. Der IS setze hier am längeren Hebel, was ihm im "Wirtschaftskrieg" gegen Damaskus einen bedeutenden strategischen Vorteil verschaffe.

Geht es nach Informationen des Mediums Business Insider, so verurteilen private Geschäftsleute die Ideologie und Brutalität der Dschihadisten, schätzen aber die Verlässlichkeit der Abmachungen mit dem IS.