Pandemie-Politik: "Ganze gesellschaftliche Blöcke in völlig unterschiedlichen Lebenswelten"

Seite 2: "Eine dritte Position durfte es nicht geben"

Mussten Impf-Kritiker derart stigmatisiert werden?

Karl Reitter: Das Prinzip, mit dem die Pandemie-Politik durchgesetzt und abgesichert werden sollte, ist wahrlich nicht originell, aber immerhin wirksam: Teile und herrsche. Auf der einen Seite eine aufgeklärte, verantwortungsbewusste Mehrheit auf der anderen eine irrationale, wissenschaftsfeindliche, egoistische Minderheit; eine dritte Position durfte es nicht geben.

Das Dogma einer einheitlichen und geeinten Wissenschaft war für die Pandemie-Politik elementar. Die einfältige These, dass mit dem Virus nicht verhandelt werden kann, ging nahtlos in den realitätsfernen Szientismus über, dass sich wissenschaftliche Erkenntnisse überhaupt der Diskussion und Kritik entziehen.

Die Spaltung der Gesellschaft, die bis ins Private hineinreichte, sicherte monatelang die Durchsetzung der Pandemie-Politik. Je nach politischen Gegebenheiten wurde die Opposition als rechtsradikal denunziert, recht oft, bevor sich rechtspopulistische Parteien und Strömungen überhaupt positioniert hatten.

Dort, wo die rechten Kräfte an der Macht waren, forcierten sie eine extrem rigide Pandemie-Politik. Unter Trump wurde Operation Warp Speed initiiert, unter Netanjahu und Bennett wurden in Israel extrem rigide Maßnahmen verordnet und Rodrigo Duterte (bis 30. Juni 2022 Präsident der Philippinen, Einf. d. Red.) drohte Lockdown-Verweigerern mit dem Erschießen.

In Deutschland und Österreich lief es anders. Der rasch unternommene, weitgehend geglückte Versuch der FPÖ, die abertausenden Demonstrant:Innen für sich zu vereinnahmen, passte sowohl dem Staatsapparat, den Mainstream-Medien als auch großen Teilen der Linken wunderbar ins Konzept.

Debatte über Impfung: Polarisierung und nicht einhaltbare Versprechen

Wie wirkungsvoll waren denn nach Ihrer Einschätzung die Impfungen?

Karl Reitter: Wirkungsvoll war die Impfung vor allem darin, die Gesellschaft weiter zu polarisieren. Dies färbt sich naturgemäß auch auf die wissenschaftliche Auseinandersetzung ab, in der von übertrieben positiven bis übertrieben negativen Effekten der Impfung alles enthalten ist.

Wenig überraschend haben jene staatlichen und überstaatlichen Organisationen, die im Besitz der Ressourcen für eine umfassende Analyse wären, aufgrund ihrer Beteiligung an den weltweiten Impfkampagnen kaum Interesse, ein objektives Bild der Wirkung zu zeichnen.

Als Sozialphilosophen müssen wir also allein aufgrund des Studien- und Datensalates etwas Zurückhaltung mit definitiven medizinisch-biologischen Urteilen üben.

Dass wesentliche Versprechungen der Impfung nicht eingehalten wurden, steht jedoch mittlerweile fest. Vom Übertragungsschutz, der immerhin die Stigmatisierung und den sozialen Ausschluss eines nicht unwesentlichen Teils der Bevölkerung legitimierte, über den Verbleib der mRNA und der Lipid-Nanopartikel an der Einstichstelle, den Beteuerungen, die Impfung sei nebenwirkungsarm oder gar nebenwirkungsfrei, hin zur Behauptung, so etwas wie Spätfolgen seien ausgeschlossen, ist nicht viel geblieben.

Aber rückwirkend den Impf-Kritikern recht geben? Niemals. Da murmelt man lieber etwas von Aufarbeitung.

Zudem mehren sich gegenwärtig die Hinweise, dass sich übermäßige Mengen an DNA in den Impfstoffen befinden1, deren Verbleib aber auf einen überstürzten Produktionsprozess zurückgeführt wird.

Aus Pfizer-Dokumenten geht hervor, dass angeblich zwei unterschiedliche Herstellungsprozesse angewandt wurden. Ein "sauberer" für die klinischen Studien und einer für die Massenproduktion2.

Auch hier lässt sich aus sozialphilosophischer Sicht die medizinische Bedeutung nicht seriös einschätzen.

Was wir als marxistisch geschulte Theoretiker:innen jedoch sehr wohl sagen können, ist, dass Herstellungsprozesse, gerade, wenn sie auf komplexen technologischen Abläufen basieren, nicht einfach in einem beispiellosen Ausmaß aus dem Boden gestampft werden können, ohne dass es dabei zu Qualitätsverlusten kommt. Auch diesbezüglich wurden nicht einhaltbare Versprechen abgegeben.

All dies führte notwendigerweise zu einem unwiderruflichen Vertrauensverlust in der Gesellschaft, der sich nicht auf die Covid19-Impfungen beschränkt, sondern sich auf das gesamte Gesundheitswesen und staatliche Institutionen als solche erstreckt.

Anstatt dieses berechtigte Misstrauen großer Teile der Bevölkerung ernst zu nehmen und als positives Veränderungspotential zu erkennen, scheint die Linke heute jedoch nichts Besseres zu tun zu haben, als die Legitimität der Institutionen gegen "verrückte Verschwörungstheoretiker" zu verteidigen.