Paris: Unglaubwürdiges Spiel im Libyen-Konflikt

FGM-148 Javelin. Bild: Gary L. Kiefer/gemeinfrei

Auf Vorwürfe, wonach sie Haftar mit hochwertigen Panzerabwehrwaffen und Spezialtruppen militärisch unterstützt, reagiert die Regierung in einer Art, die grundsätzliche Zweifel bestärkt

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Es geht um Glaubwürdigkeit. Offiziellen Mitteilungen ist nicht nur im Konflikt der USA mit Iran zu misstrauen (Zwischenfall im persischen Golf: USA im Eskalationsmodus), sondern auch in den Konflikten in Syrien und in Libyen. Das stellt die französische Regierung neu unter Beweis.

Schon die Vorgänger-Regierung unter Hollande hatte wiederholt dementiert, was Spatzen längst von den Dächern pfiffen: Dass Frankreich Truppen in Libyen habe, die eine Kriegspartei, nämlich General Haftar und seine LNA-Milizen, unterstützen. Stets wurde beteuert, dass französische Spezialtruppen in Libyen lediglich im Kampf gegen den IS eingesetzt würden. Es gebe keinen "versteckten Plan".

Dann gab es Mitte dieser Woche eine Enthüllung, welche eine neue Erklärung erforderte. Die New York Times berichtete, dass in einem Lager in Libyen vier Fire-and-Forget-Panzerabwehrlenkwaffen des Typs Javelin gefunden wurden, welche die USA laut Pentagon 2010 an Frankreich verkauft hatte.

Damals hatten die USA insgesamt 260 solcher Panzerabwehrraketen an Frankreich verkauft - für 69 Millionen Dollar, was einem stolzen Stückpreis von mehr als 170.000 US-Dollar entspricht, wie die amerikanische Zeitung ausrechnete. Die Waffen würden gewöhnlich nur an engste Verbündete der USA verkauft, wird hinzugefügt.

"Es gibt keine Präsenz französischer Soldaten..."

Wie kam es also dazu, dass vier der FGM-148 Javelins in einem Lager in Garian (südlich von Tripolis) auftauchten, das den Truppen von Khalifa Haftar als Depot diente? Entdeckt wurde dies, als die Gegner Haftars, die mit der international anerkannten Nationalen Konsensregierung (GNA) in Tripolis verbündet sind, die Kontrolle über Garian erlangten, das für die Versorgung der LNA-Milizen von großer Bedeutung war.

Daraufhin stellten sich ein paar Fragen. Bei der Kernfrage wiegelte die französische Vertretung in Libyen sofort ab. Nein, so das kategorische Dementi, "es gibt keine Präsenz französischer Soldaten oder militärischen Personals in Garian".

Ein Eingeständnis hätte bedeutet, dass Frankreich die Offensive Khalifa Haftars gegen Milizen in der libyschen Hauptstadt und damit gegen Verbündete der offiziell anerkannten Regierung mit eigenen Soldaten militärisch unterstützt. Das wäre ein deutliches Zeichen dafür, dass öffentliche Erklärungen, die anders lauten, null und nichtig sind.

Frankreich bemüht sich offiziell um "Ausgleich" und eine friedliche, politische Lösung in Libyen. Man achtet immer darauf, auch den offiziellen libyschen Regierungschef Serradsch zu empfangen. Es geht um das Prestige und das Gewicht der Diplomatie einer Nation, die früher als Grande bezeichnet wurde, weil sie wichtig war.

Das Eingeständnis der direkten militärischen Unterstützung wurde zwar vermieden, aber die Erklärungen, die Verteidigungsministerin Florence Parly im Folgenden zu diesem Fund abgab, waren so windig, dass sie keinen anderen Schluss zulassen als den, dass französische Spezialtruppen Haftar unterstützen.

Kaputte Waffen zum Schutz einer Truppe, die gar nicht anwesend ist?

Die Waffen seien zum Schutz einer französischen "Entsendung" gedacht, die in Libyen mit der Anti-Terrorismus-Aufklärung befasst ist, sagte sie einerseits und andrerseits, dass die Waffen aber beschädigt gewesen seien, außer Gebrauch und nur im Depot gelandet, um sie dort bis zu ihrer Zerstörung aufzubewahren. Man habe sie nicht an lokale Gruppen weitergegeben, führte sie dazu aus, sondern sie für die eigene Sicherheit behalten, somit habe man nicht gegen das UN-Waffenembargo in Libyen verstoßen.

Kaputte französische Waffen inmitten eines ganzen Arsenals von funktionstüchtigen Waffen? Die nicht an "lokale Truppen" weitergegeben wurden, obwohl sie im Lager der LNA in Garian standen, wo sich offiziell doch keine französischen Truppen befinden?

Das Ganze ist wenig glaubwürdig. Médiapart berichtet von einer Unterredung der Ministerin mit einem parlamentarischen Ausschuss zu Waffenverkäufen, wonach sie auf Nachfragen damit antwortete, dass die "französischen Entsendung" vor Ort war. Alles andere sei Militärgeheimnis.

Laut dem französischen Onlinemagazin ist es längst ein offenes Geheimnis, dass militärische Aufklärung eben auch zum Aufgabengebiet von Spezialtruppen gehören. Niemand, der Kenntnis der Vorgänge in Libyen hat, zweifelt mehr ernsthaft daran, dass die Spezialtruppen Haftar unterstützen. Aber normalerweise sind die Spezialtruppen nicht mit Javelins ausgestattet … Es bleibe auch die Frage offen, warum Haftars Truppen funktionsuntüchtige französische Waffen aufbewahrt habe, wird ein Mitglied des Ausschusses zitiert.

Auch die Regierung in Tripolis drängt auf Erklärungen.

Nun ist die militärische Unterstützung Frankreichs für Feldmarschall Haftar und seine LNA-Miliz, die auf Resten der früheren Gaddafi-Armee aufbaut, nicht kriegsentscheidend, auch nicht die vier Javelins, die im LNA-Waffendepot entdeckt wurden. Wichtiger ist in dieser Hinsicht das politische Gewicht, das Haftar international durch die wiederholte Rückendeckung Macrons und Empfänge im Elyséepalast zukommt.

Risiken

Mit der Javelin-Affäre wird aber deutlich, welche Risiken Frankreichs Strategen mit Waffendeals einzugehen bereit sind - die IS-Milizen zeigen sich wieder sehr selbstbewusst in Libyen - und zum anderen, wie wenig von offiziellen Statements aus Frankreich zu halten ist, wenn es um prekäre militärische Konflikte geht.

An deren Glaubwürdigkeit wurde schon gezweifelt, als es um Chemiewaffenvorwürfe gegen Syrien ging oder um die Weißhelme, mit denen die französischen Präsidenten früher geradezu ein inniges Verhältnis pflegten. Die Reaktion auf den jüngsten Fall bestätigt die Zweifler. Auf lange Frist ist das nicht gut.