Parteien raus aus den Rundfunkräten!

Hier übt sich der Rundfunkrat um Transparenz und Aufklärung (Symbolbild). Bild: publicdomainpictures.net

Themen des Tages: Was demontierte Denkmäler und glückliche Neonazis gemein haben. Warum, wer schachert, nicht zwingend antisemitisch ist. Und was beim RBB geschehen muss.

Liebe Leserinnen und Leser,

der Krieg Russlands gegen die Ukraine ändert nicht nur den Blick auf die aktuelle Führung in Kiew, sondern wird von Geschichtsrevisionisten dazu genutzt, gleich die gesamte europäische Geschichte des vergangenen Jahrhunderts umzuschreiben. Die ideologische Tinte dazu liefert unter anderem der scheidende ukrainische Botschafter in Berlin, Andrij Melnyk. Deutsche User verlieren sich indes in Wortklauberei. Und der Rundfunk Berlin-Brandenburg kämpft mit dem Neuanfang.

Doch der Reihe nach.

Von Denkmälern und Riga zu "Putler" in Deutschland

Man könnte meinen, das sowjetische Ehrenmal in der lettischen Hauptstadt Riga sei gesprengt worden. Als der tatsächlich nicht sehr ansehnliche Obelisk fiel, stoben Wasser und Dreck den Himmel. Bei einigen Zuschauern brandete lauter Applaus auf, als Soundtrack einer sich andeutenden historiografischen Zeitenwende: Vielerorts in Osteuropa wird das Gedächtnis an die sowjetischen Soldaten geschliffen, die, auch wenn man das in führenden Redaktionen mitunter anders zu meinen glaubt, Europa maßgeblich vom Hitler-Regime befreit haben.

Nun werden sie von autoritären Führungen von Warschau bis Kiew auf eine Stufe mit den Aggressoren der Wehrmacht gestellt. Es ist eine unheilvolle Dynamik, die da in Gang kommt und die nichts, aber auch gar nichts, mit dem Angriffskrieg der Putin-Führung gegen die Ukraine zu tun hat. Was sollten die Sowjetsoldaten der 1940er-Jahre auch mit ihm gemein haben können?

Bei den Demonteuren sowjetischer Ehrenmäler geht es allein darum, die führende Rolle Russlands und seiner Unionsstaaten bei der Befreiung zu leugnen. Verheerenderweise geht dies einher mit einer Rehabilitation der Hitler-Armee. Vor allem in Osteuropa, aber auch im Zentrum und Westen des Kontinents treffen sich die letzten Veteranen von SS-Verbänden und ihre Sympathisanten; Milizen in der Ukraine nutzen deutsche Nazi-Symbolik.

Und die Deutschen? Sie sind auf ihre eigene Art befreit, weil sie nicht mehr die alleinigen Erben des Bösen sind. Sie können mit "Putler-Plakaten" und Montagen der Konterfeis von Adolf Hitler und Wladimir Putin auf die Straßen gehen und sich – wenn auch in diesem Punkt auch nur vermeintlich – einmal auf der richtigen Seite der Geschichte fühlen.

Doch wächst zusammen, was nicht zusammen gehört. So sind es linksliberale Menschenrechtsaktivisten, die gesellschaftlich und ideologisch eben jenes Ansinnen zum Konsens erheben, mit dem Neonazis während der Wehrmachtsausstellung Anfang der Nullerjahre nicht isoliert waren: "Unsere Opas waren keine Mörder!". "Zumindest sie damit nicht allein", hallte es zwei Jahrzehnte später zurück. Da freuen sich Andrij Melnyk, Anne Appelbaum, Timothy Snyder und Andrij Bilezkyj.

Geschacher um Worte

Ein User im Telepolis-Forum hatte letztens andere Sorgen und monierte die Verwendung des Worten "Geschacher" in der Headline eines Beitrags zum Neun-Euro-Ticket.

"Geschacher" ist ein antisemitischer Begriff. Von einem Magazin wie Telepolis würde ich erwarten, dass ein solcher Begriff nicht verwendet wird.

In der Tat kann man über den Gebrauch dieses Wortes streiten. Wer die Verwendung von "Geschacher" aber moniert, darf von der Lingua Tertii Imperii nicht schweigen, die sich, bis heute nachwirkend, mit der Eigenbezeichnung der Hitler-Faschisten in Wort und Denken niederschlägt. Die Nazis nämlich hatten sich selbst als "Nationalsozialisten" vorsätzlich als Alternative zur damals starken Linken inszeniert.

Es ist auch hier ein Ausdruck des Zeitgeistes, Placebodebatten zu führen, die wirklichen Trends zum Totalitarismus aber nicht zu erkennen, siehe oben. Zumal die Konnotation eines Begriffes schließlich stets auch von der Intention bestimmt ist. Um es mal so zu sagen: Wer zu Pandemiebeginn das strenge "Lüftungsregime" in Klassenräumen im Winter kritisierte, hatte nicht zwingend etwas mit jenen gemein, die auf den Straßen vom "Merkel-Regime" gebrüllt haben.

Aber, nun, sollte ich mich damit täuschen, klären Sie mich auf. Und setzen Sie die Kolleginnen und Kollegen von Spiegel und der Jüdischen Allgemeinen gerne auch ins CC.

Befreit den Rundfunk von Lobbyisten

In der vergangenen und wohl auch in dieser Woche geht es auch bei uns weiter um den Skandal beim Rundfunk Berlin-Brandenburg (RBB). Im Interview schätzte die Medienwissenschaftlerin und Telepolis-Autorin Sabine Schiffer Ursachen und Folgen der Affäre ein. Zwei Dinge waren ihr wichtig: Mehr Bürgerbeteiligung und mehr Transparenz. Noch ist völlig offen, ob irgendetwas davon im – Sie erlauben – öffentlich-rechtlichen Leitungsregime durchgesetzt wird.

Ein eindrucksvolles Beispiel dafür, wie verkorkst die Medienkontrolle der sogenannten Rundfunk- und Fernsehräte ist, lieferte der medienpolitische Sprecher der CDU in Brandenburg jüngst just im RBB-Interview. Er verteidigte die Entscheidung über eine Nachfolge der mutmaßlich korrupten und nun tatsächlich ehemaligen Intendantin Patricia Schlesinger erst hinter verschlossenen Türen auszumauscheln, um im gleichen Atemzug mehr Transparenz zu fordern.

Nein, nein: Das bisherige Management der alten Kontrollstrukturen zeigt, dass sie Teil des Problems und nicht der Lösung sind. Dazu Sabine Schiffer:

Es gibt keine Repräsentanz der Bevölkerung. Nicht nur, dass sich fast nichts an den zugelassenen Organisationen verändert hat, wie meine Studierenden der HMKW in einer systematischen Untersuchung akribisch nachvollzogen haben, es müsste insgesamt ein dynamischeres System sein. Beispielsweise jetzt kommt eine groß gewordene ukrainische Community in Deutschland dazu. So eine Veränderung müsste sich abbilden lassen. Auch sind die Entsendeverfahren im Dunkeln. Wird berufen, gewählt? Wer wird von den Verbänden wie entsandt?

Man könnte damit anfangen, Parteien und Lobbyisten aus den Rundfunkräten zu entfernen, weil sie dort nicht zu suchen haben. Der Öffentlich-rechtliche ist eben kein Staats- und Lobbyistenfunk, sondern ein Bürgerfunk.

Das Gebot der Stunde ist also: Parteien raus aus den Räten und eine Reform des öffentlich-rechtlichen Medienbetriebs über den RBB hinaus. Die Werbung und das immer stärkere Product-Placement kann gleich mit verschwinden.