Parteiencheck 2025: Pläne gegen soziale Ungleichheit im Vergleich

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Bild: Unsplash

Die Vermögenskluft in Deutschland ist die größte in Europa. Wer will das ändern? Telepolis fragt nach: Das Konzept der Parteien zum Thema Ungleichheit (Teil 2 und Schluss).

"Ungleichheit ist das Megathema der kommenden Jahre", prophezeite die Bertelsmann-Stiftung 2016. Heute finden zwei Drittel der Deutschen, dass es in Deutschland ungerecht zugeht. Soziale Ungleichheit und Armut sind mit jeweils 33 Prozent die zweit- und drittgrößten Sorgen der Menschen. Und die Parteien?

Telepolis stellte allen Parteien, die laut Umfragen sehr gute Chancen haben, in den Bundestag einzuziehen, folgende Frage:

Wie die Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage ergab, ist nirgendwo in Europa das Nettovermögen so ungleich verteilt wie in Deutschland. Welchen Stellenwert räumt Ihre Partei dem Thema der sozialen Ungleichheit ein? Plant ihre Partei finanzpolitische Maßnahmen, um diese Ungleichverteilung zu reduzieren? Wenn ja, welche Maßnahmen? Wenn nein, aus welchem Grund sollen keine Maßnahmen getroffen werden?

Im ersten Teil wurden die Parteiprogramme von CDU/CSU, AfD und der SPD dahingehend untersucht, wie sie der sozialen Ungleichheit in Deutschland begegnen wollen.

In der Reihenfolge der aktuellen Umfrageergebnisse werden im Weiteren die Antworten der Pressestellen wiedergegeben und hierzu zentrale Aussagen des jeweiligen Parteiprogramms zitiert.

Die Grünen

In ihrem Grundsatzprogramm sprechen die Grünen wiederholt das Problem der Ungleichheit an:

Eine Gesellschaft ist dann sozial, wenn Wohlstand, Ressourcen und Macht gerecht verteilt sind. Unregulierter Kapitalismus produziert Ungleichheit und Machtkonzentration. Zu große Ungleichheit bedroht den Zusammenhalt der Gesellschaft und damit einen Pfeiler der Demokratie. Aufgabe von Politik ist es, solche Ungleichheit zu vermeiden und durch Regulierung, Investitionen und Steuern Ungleichheit zu reduzieren und einen Ausgleich zu schaffen. Große Vermögen und hohe Einkommen bringen soziale Verpflichtungen mit sich.

Entsprechend lautet die Forderung für die deutsche Steuerpolitik:

Einer Gesellschaft mit hoher Gleichheit geht es fast immer besser als einer Gesellschaft mit hoher Ungleichheit. Dennoch hat die soziale Ungleichheit zugenommen. Ungleiche Vermögen führen zu ungleichen Einkommen und ungleichen Lebenschancen, die sich über Generationen vererben.

Das bedeutet finanzielle Not für viele Menschen, einen Verlust an Zufriedenheit, es treibt die Menschen auseinander und schadet dem friedlichen Zusammenleben und der wirtschaftlichen Stabilität.

Das Steuersystem ist ein effektiver Hebel, um Ungleichheit zu reduzieren. Es braucht eine gleichere Verteilung von Einkommen, Vermögen, Erbschaften und Chancen und die Verbesserung der öffentlichen Infrastrukturen, die sozialen Zusammenhalt und Teilhabe schaffen.

Ein besonderes Augenmerk liegt bei den Grünen zudem auf dem Zusammenhang von Bildung und Ungleichheit:

Gute Bildung zeichnet sich dadurch aus, dass sie bestehende Ungleichheiten nicht zementiert, sondern sie überwinden hilft. (...) Gerade bei Kindern und Jugendlichen führen eine ungleiche Verteilung von Einkommen und Vermögen sowie ungleiche Bedingungen je nach Wohnort oder Zugang zum Bildungssystem zu ungleichen Lebenschancen.

Alle Kinder brauchen funktionierende und zugängliche öffentliche Orte wie Kitas und Schulen oder Sportvereine, Schwimmbäder und Bibliotheken. Kein Kind in unseren reichen Gesellschaften darf arm oder ein Armutsrisiko für Eltern sein. Jedes Kind ist gleich viel wert. Das soll über eine Kindergrundsicherung garantiert werden.

Die Presseanfrage von Telepolis blieb trotz Nachfrage leider unbeantwortet.

Das Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) kommt zum Ergebnis, dass bei Umsetzung des Parteiprogramms der Gini-Koeffizient um vier Prozent, und damit die Ungleichheit, sinken würde.

Die Linke

Im Wahlprogramm der Linken steht die Reduzierung der Ungleichheit und extremen Reichtum im Zentrum. Zentral ihre Forderung: "Es sollte keine Milliardäre geben! Die Steuern für die Mehrheit wollen wir senken."

Auf die Presseanfrage von Telepolis antwortete die Partei:

Die zunehmende soziale Ungleichheit ist eines der größten Probleme unserer Zeit. Wir kämpfen für eine gerechtere Verteilung des Reichtums und beteiligen die Reichen und Konzerne stärker am Gemeinwesen.

Dafür fordern wir die Vermögensteuer mit einem ansteigenden Steuersatz: Ab einem Vermögen von einer Million (abzüglich Schulden) fällt ein Prozent an, ab 50 Millionen fünf Prozent. Für jeden Euro über einer Milliarde fordern wir einen Sondersteuersatz von zwölf Prozent – damit schaffen wir Milliardäre langfristig ab.

Zur Bewältigung der Folgen von Krisen und Pandemien fordern wir eine einmalige Vermögensabgabe für die Reichsten. Und wir schaffen die Privilegien für Reiche innerhalb der Erbschaftsteuer ab. Mit den zusätzlichen Einnahmen lösen wir die Probleme des Alltags: Gute Bildung und Gesundheit, ausreichend bezahlbarer Wohnraum und ein funktionierender öffentlicher Nahverkehr.

Wir wollen, dass Menschen mit kleinen und mittleren Einkommen wieder mehr in der Tasche haben: Wir erhöhen den Mindestlohn auf 15 Euro – dadurch haben 9,5 Millionen Menschen unmittelbar mehr Geld. Und wir entlasten alle Einkommen bis 7.000 Euro brutto, indem wir den Grundfreibetrag der Einkommensteuer auf 16.800 Euro anheben.

Ein weiteres Instrument zur Reduzierung der Ungleichheit, das die Partei vorsieht, ist eine Finanztransaktionssteuer von 0,1 Prozent auf jede Finanztransaktion.

Desweiteren ist die Chancengleichheit im deutschen Bildungssystem ein Hauptfokus des Parteiprogramms:

Das stark gegliederte deutsche Schulsystem befördert weiterhin soziale Ungleichheit. Wir setzen dagegen auf eine Schule für alle. Sie ist ganztägig organisiert und bietet alle Schulabschlüsse an. Unser Ziel: eine inklusive Schule, in der alle Kinder unabhängig von Herkunft, Förderbedarf oder sozialen Umständen gemeinsam lernen und wachsen können.

Das Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) kommt zum Ergebnis, dass bei Umsetzung des Parteiprogramms der Gini-Koeffizient und damit die Ungleichheit um 10,2 Prozent sinken würde.

BSW

Das Thema Ungleichheit und Armut findet sich gleich in der Einleitung des Wahlprogramms der neu gegründeten Partei.

Auf die Presseanfrage von Telepolis antwortete BSW:

Das Thema soziale Gerechtigkeit ist eines unserer vier Kernanliegen. Denn: Die Vermögensungleichheit hierzulande ist so groß wie zu Kaisers Zeiten. Während die Vermögen der oberen Zehntausend deutlich gewachsen sind, haben die Krisen der letzten Jahre die arbeitende Mitte der Gesellschaft stark belastet. Eine Gesellschaft mit einer wachsenden sozialen Ungleichheit verliert ihren gesellschaftlichen Zusammenhalt. Das darf so nicht weiter gehen!

Auf die Frage nach der Planung finanzpolitischer Maßnahmen, um diese Ungleichverteilung zu reduzieren, heißt es in der Antwort:

Die arbeitenden Mitte der Gesellschaft muss spürbar entlastet werden. Einkommen bis 7.500 Euro müssen steuerlich entlastet werden. Außerdem fordern wir eine deutliche Erhöhung des steuerlichen Grundfreibetrags, der sich an der Armutsgefährdungsschwelle orientiert – 2024 lag diese bei 16.600 Euro, womit unser Vorschlag höher ist, als der der anderen Parteien. Mittlere Einkommen sollten zukünftig vom Spitzensteuersatz verschont bleiben, sodass dieser erst bei sehr hohen Einkommen einsetzt.

Gegenwärtig bestraft unser Steuersystem Arbeit und belohnt große Vermögen. Es kann nicht sein, dass den arbeitenden Menschen rund die Hälfte ihres Einkommens durch Steuern und Abgaben wieder abgenommen wird, während die Besitzer großer Vermögen, die oft von ihren Kapitalerträgen leben, nur einen Steuersatz von 25 Prozent zahlen.

Da müssen wir ran: Kapitalerträge sollten, wie Arbeitseinkommen, mit dem normalen Steuersatz belastet werden. Die Vermögenssteuer wollen wir für Vermögen ab 25 Millionen Euro mit einem Steuersatz von 1 Prozent reaktivieren, der ab 100 Millionen Euro Vermögen auf zwei Prozent und ab einer Milliarde Euro auf drei Prozent steigt.

Auch die Verbrauchersteuern sind ein effektiver Hebel, um der sozialen Ungleichheit zu begegnen, weil Menschen mit kleinem Geldbeutel einen größeren Anteil ihres Einkommens in den Supermärkten lassen müssen: Daher fordern wir, dass die Mehrwertsteuer von 19 auf sieben Prozent sinken muss. Auf Grundnahrungsmittel wie Fleisch, Getreide oder Gemüse soll die Mehrwertsteuer gleich ganz entfallen.

Darüber hinaus fordert BSW fordert ein 5-Punkte-Entlastungsprogramm, um Abgaben, Steuern und Preise zu senken. Im Schnitt wollen wir die Bürger so um rund 100 Euro im Monat entlasten.

Des Weiteren fordert BSW einen Mindestlohn von 15 Euro und betont das Problem der ausgeprägten Chancenungleichheit des deutschen Schulsystems, dabei spricht sich BSW nicht grundsätzlich gegen unterschiedliche Schultypen aus, betont aber die Notwendigkeit eines längeren gemeinsamen Lernens als die vier Jahre Grundschule.

Das Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) kommt zum Ergebnis, dass bei Umsetzung des Parteiprogramms der Gini-Koeffizient und damit die Ungleichheit um 2,9 Prozent sinken würde.

FDP

Im Wahlprogramm der FDP findet man den Begriff "Ungleichheit" nicht. Einzig im Hinblick auf Chancenungleichheit der Frauen, die durch eine "bedarfsgerechte Kinderbetreuung" reduziert werden soll.

Ebenso ist der Begriff "Armut" bis auf die Erwähnung der Altersarmut von Frauen abwesend. Eine Vermögenssteuer wird abgelehnt, gegen den Missbrauch des Sozialstaates soll effektiv vorgegangen werden, während das Thema Steuerhinterziehung und Verbesserung des Personalstands der Steuerfahnder kein Thema ist.

Die FDP beantwortete die Presseanfrage von Telepolis:

Als FDP wollen wir jedem Menschen die Möglichkeit geben, sozial und wirtschaftlich aufzusteigen. Denn unser Ziel ist es, Wohlstand und Aufstiegschancen für alle zu sichern.

Dies beginnt bereits in der Bildungspolitik. Noch immer bestimmen der Wohnort und das Elternhaus die Aufstiegschancen – das wollen wir ändern. Daher geben wir dem Bund mehr Kompetenzen in der Bildung für einheitliche Qualitätsstandards von der Kita bis zum Schulabschluss.

Durch einheitliche Abschlussprüfungen (Deutschland-Abitur) gewährleisten wir die bundesweite Vergleichbarkeit von Schulabschlüssen. Mit einer Sanierungsoffensive geben wir unseren Schulen das notwendige Update, das unsere Kinder und Lehrkräfte brauchen und verdienen. Das BAföG wollen wir zu einem elternunabhängigen Baukasten-System weiterentwickeln und Berufsausbildungen stärken.

Auch in der Steuer- und Rentenpolitik braucht es Reformen, um Aufstiegschancen zu erhöhen. Den Grundfreibetrag wollen wir um mindestens 1.000 Euro anheben. Wir wollen die Einführung eines steuerfreien Aufstiegsvermögens, indem Sparer nicht ausgeschöpfte Sparer-Freibeträge auf die nachfolgenden Jahre übertragen können, der Freibetrag einmalig deutlich erhöht und zudem dynamisiert wird.

Mit der Gesetzlichen Aktienrente sorgen wir dafür, dass Rentenbeiträge finanzierbar bleiben und mit einer echten individuellen Aktienrente das Rentenniveau sogar wieder steigt. So machen wir unser Rentensystem zukunftsfest und bekämpfen das Risiko von Altersarmut.

Das Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) kommt zum Ergebnis, dass bei Umsetzung des Parteiprogramms der Gini-Koeffizient und damit die Ungleichheit um 4,7 Prozent steigen würde.