Parteinahe Stiftungen: honoriert für die Nähe zur Macht

Seite 2: Parteinahe Stiftung: ein rechtsfreier Raum?

In einem rechtsfreien Raum findet die Finanzierung jedoch nicht statt. Nach eine Klage der Grünen, die anfangs – wie später die AfD – die Praxis einer ungerechten, indirekten Parteienfinanzierung monierten, entschied das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) im Juli 1986, dass es hier im Prinzip nichts zu beanstanden gibt:

Die Vergabe öffentlicher Mittel zur Förderung politischer Bildungsarbeit an parteinahe Stiftungen setzt von den Parteien rechtlich und tatsächlich unabhängige Institutionen voraus, die sich selbständig, eigenverantwortlich und in geistiger Offenheit dieser Aufgabe annehmen. Diese müssen auch in der Praxis die gebotene Distanz zu den jeweiligen Parteien wahren.

Eine solche Distanz – die ganz einfach durch die Gründung eines eigenen e.V. herzustellen ist – sei bei den etablierten Stiftungen gegeben. Deren Tätigkeit hat sich dem BVerfG-Urteil zufolge "weitgehend verselbständigt und einen hohen Grad an Offenheit gewonnen. Einzelne missbräuchliche Maßnahmen der Stiftungen rechtfertigen nicht die Annahme, es handle sich bei den Globalzuschüssen um eine verdeckte Parteienfinanzierung."

Die globalen Geldzuweisungen aus verschiedenen Ministerien (die übrigens nicht die einzige staatliche Finanzierungsquelle darstellen, da zahlreiche Sonderprogramme existieren) werden auf dieser Rechtsgrundlage vorgenommen, wobei die Aushandlung der konkreten Summen den im Parlament vertretenen Parteien überlassen ist. Und das hat verfassungsmäßig seinen triftigen Grund.

Wofür Parteien da sind ...

Die hiesige demokratische Herrschaft gestattet laut ihrem Grundgesetz den regierten Bürgern die politische Meinungs- und Willensbildung und erhebt sie damit aus dem Status des Untertanen in den des Staatsbürgers – so das einhellige Lob aller Instanzen und Akteure, die mit staatsbürgerlicher Erziehung befasst sind. Das müssen selbst die schärfsten Kritiker zugeben, eine freie Meinung über politische Belange wird hierzulande als unveräußerliches Grundrecht gewährt.

Man muss bei der Meinungsfreiheit allerdings, wenn öffentlicher Gebrauch von ihr gemacht wird, darauf achten, dass kein Missbrauch mit ihr getrieben wird. Dazu hat ja die liberalste Demokratie, die es je auf deutschem Boden gab, in letzter Zeit einige Klarstellungen beigebracht.

Aber es ist nicht bloß das private Räsonieren erlaubt: Im Prinzip kann jeder, der will, auch seine eigene Partei gründen, wenn er sich durchs unverbindliche Äußern seiner persönlichen Meinung oder durch die Abgabe seiner Stimme in die Hände der Befugten nicht befriedigt sieht.

Diese Möglichkeit ist ja im Telepolis-Forum von einigen Kommentatoren ins Spiel gebracht worden, um die kritischen Analysen zur wieder einmal hochgelobten "Sternstunde der Demokratie" zu kontern. Das ist zwar ein schwacher Konter – am aktiven Wahlrecht gibt es also nicht viel hochzuhalten, man muss gleich zum passiven übergehen –, aber es stimmt ja:

Erlaubt ist eine an eigenen Interessen und Urteilen orientierte Einmischung in Staatsangelegenheiten, sogar in organisierter Form und mit dem Ziel, wirksam zu werden. Das Grundgesetz lässt politische Parteiungen im Volk zu, Polemik und Werbung für abweichende Meinungen darüber, was der Staat tun und bewirken soll. Immerhin riskiert die Herrschaft damit Entzweiung in ihrem Volk, das im Parlament doch "als ganzes" vertreten sein soll, und dass organisierte Unzufriedenheit das Vertrauen der Regierten in die Sachwalter des Gemeinwesens untergräbt. Mit dem "Parteienprivileg" sind derlei Aktivitäten freilich nicht bloß lizenziert, sondern zugleich auf den rechten Weg verwiesen.

Gegenstandpunkt 3/21, "Das Grundgesetz"

Zum rechten Weg führt nämlich das Grundgesetz mit Artikel 21 (1) hin:

Die Parteien wirken bei der politischen Willensbildung des Volkes mit. Ihre Gründung ist frei. Ihre innere Ordnung muss demokratischen Grundsätzen entsprechen ...

Damit ist auch schon der privaten Meinungsbildung der Weg gewiesen. Wenn's politisch wird, ist sie nicht mehr reine Privatsache. Da gibt es privilegierte Akteure, die ein entscheidendes Wörtchen mitzureden haben, die den Willen der Bürger formen und den Bildungsprozess auf die richtige Schiene setzen.

Der Zusammenschluss, um die betreffende Willensbildung zu betreiben, ist zwar frei, bewegt sich aber in einem gesetzlichen Rahmen. Das vorgeschriebe Ziel besteht in der Ermächtigung von Volksvertretern, deren Ehrgeiz sich darauf richtet, die Organe der Staatsgewalt zu leiten und diese Aufgabe in der Ausfüllung von Ämtern, die die Verfassung mit genauen Kompetenzzuweisungen ausgestattet hat, zu erledigen.

Damit das nicht missverstanden wird, haben die Verfassungsväter und -mütter als Erstes dekretiert, dass die innere Verfassung der Parteien selbst als ein solches Ermächtigungsverfahren zu gestalten ist. Die Satzung des Staates vertraut erst einmal darauf, dass das rechte Procedere wie von selbst auch das rechte Ergebnis hervorbringt. Dabei lässt sie es aber nicht bewenden. Damit die impliziten Festlegungen nicht missverstanden werden, gibt es auch noch eine explizite Verbotsandrohung.

Der zweite Satz von Artikel 21 GG lautet nämlich:

Parteien, die nach ihren Zielen oder nach dem Verhalten ihrer Anhänger darauf ausgehen, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen oder den Bestand der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden, sind verfassungswidrig.

... und wofür Parteien nicht da sind

Von dieser Verbotsdrohung machen die regierenden, staatstragenden Parteien im Fall des Falles auch Gebrauch und lassen vom Verfassungsgericht störende Konkurrenten aus dem Verkehr ziehen - wie im berühmten Fall des KPD-Verbots von 1956. Dazu hat jetzt übrigens der Historiker Josef Foschepoth, fast 70 Jahre später, die Studie "Verfassungswidrig!

Das KPD-Verbot im Kalten Bürgerkrieg" (2., aktualisierte Auflage, Vandenhoeck & Ruprecht, 2021) vorgelegt, die sogar mit einem Preis "für herausragende Veröffentlichungen auf dem Gebiet der Juristischen Zeitgeschichte" ausgezeichnet wurde.

Sie macht in einem "umfangreichen Dokumentarteil die bislang unter Verschluss gehaltenen hochbrisanten Dokumente erstmals der Forschung und der Öffentlichkeit zugänglich", wobei Foschepoth, ausgewiesener Fachmann für den Überwachungsstaat, Marke BRD, zu dem Schluss kommt, das Verbot (samt jahrzehntelangen Folgeprozessen bis in die 1970er-Jahre) sei selber verfassungswidrig gewesen.

Na ja, im Pulverdampf des Parteienstreits können solche übereifrigen Richtersprüche schon einmal vorkommen. Dem Geist der Verfassung widersprechen sie nicht. Die möchte gerade die staatstragende Rolle der Parteien absichern.

Und die Erlaubnis des Verfassungsgerichts, neben der großzügigen Direktfinanzierung der Parteien (Personal- und Sachkosten, Wahlkampfkostenerstattung etc.) eine indirekte zuzulassen, stellt gewissermaßen die positive Fassung der Verbotsdrohung dar.

Parteien, die zum zweiten Mal den Einzug in den Bundestag schaffen, können in den Genuss dieser zusätzlichen Finanzierung für ihren verselbständigten geistigen Überbau gelangen. Sie haben eben – unter den Augen der überkommenen staatstragenden Parteien, der zuständigen Ämter und der wachsamen Vierten Gewalt, der Medien – vier Jahre lang bewiesen, dass sie die Belange der Nation im Blick haben.

Mit dem Antritt zur Wahl ist zwar eigentlich für jede Partei klargestellt, dass sie sich um die Ausgestaltung der feststehenden Ämter zu kümmern hat und mit den darauf bezogenen Angeboten auch die Wählerschaft betören muss - denn warum und womit sollte sie sonst um Wählerstimmen buhlen?

Aber sicher ist sicher, sonst benutzt noch eine Partei das Parlament als Tribüne für irgendwelche sachfremden Anliegen und trägt nichts Positives zum "Bestand der Bundesrepublik Deutschland" (GG) bei. Darauf gilt es aufzupassen.

Bevor Gerichte tätig werden, entscheidet z.B. schon ein Bundeswahlleiter darüber, wer zur Kandidatur überhaupt zugelassen wird. Und wenn (junge) Parteien mit ihrer Parlamentsarbeit ihre Politikfähigkeit praktisch unter Beweis gestellt haben, wird das honoriert.