Partnerwahl im Zeitalter der Online-Kontaktbörsen

Dating-Websites werden immer beliebter. Wird die sexuelle Selektion rational?

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Nach Statistiken und Befragungen verliere die Orte im realen Raum ihre Attraktivität, wenn Menschen einen Partner finden wollen. Nicht durch zufällige Begegnungen in Kneipen, Discos, in der Arbeit, auf Festen, Urlaub oder im Freundeskreis werden Kontakte angebahnt, wie dies früher der Fall gewesen ist, sondern zunehmend auf Dating-Websites (Beziehungen kommen zunehmend übers Internet zustande). Hier kann gezielt nach einem Wunschpartner gesucht werden, der Zufall der glücklichen Begegnung weicht der rationalen und organisierten Selektion. Aber mit der wachsenden Zahl der Online-Dater wächst auch die Unzufriedenheit.

Auch eine aktuelle Umfrage von Pew Internet and American Life bestätigt den Trend. 11 Prozent der amerikanischen Internetnutzer (9 Prozent aller Erwachsenen) haben schon einmal Dating-Sites oder eine Dating-App benutzt (2008 waren es erst 3 Prozent). Naturgemäß sind es bei den Singles oder Partnersuchenden mehr, nämlich 38 Prozent. Je länger eine Beziehung hält, desto weniger ist Frau/Mann geneigt, nach Partnern online Ausschau zu halten. 42 Prozent kennen jemanden, der hier sein Glück versucht hat, 14 Prozent kennen jemanden, der online einen festen Partner gefunden hat.

Es sind nicht die Älteren, die vorwiegend online nach Partnern suchen (Menschen über 40 Jahre dominieren die Online-Partnerbörsen), sondern die 25- bis 45-Jährigen. Männer eher als Frauen, besser Gebildete neigen stärker zum organisierten Online-Kontaktanbahnungsmarkt, was auch für den Mittelstand mit einem Einkommen zwischen 50.000 bis 75.000 US-Dollar gilt und für Stadtbewohner. Landbewohner sind seltsamerweise, obgleich das Angebot knapper ist, weniger bereit, Dating-Sites zu benutzen. Vielleicht ist das moralisch weniger opportun als in der Anonymität einer Stadt.

Immerhin 59 Prozent der Internetnutzer sagen, Online-Dating seine eine gute Möglichkeit, einen Partner zu finden, für 53 Prozent ermöglicht es eine bessere Suche. Nur 21 Prozent sind eher ablehnend eingestellt und attestieren den Benutzern Verzweiflung. Die Akzeptanz ist damit gegenüber einer ähnlichen Pew-Umfrage im Jahr 2005 deutlich gestiegen. Und es gibt auch Anlass für die Popularität der Dating-Sites. 29 Prozent der Amerikaner haben hier einen festen Partner gefunden, 2005 waren es noch 15 Prozent.

Zweidrittel derjenigen, die in dieser Umfrage Online-Sites benutzen haben, haben sich auch mit einem Interessierten getroffen, 23 Prozent geben an, sie hätten dadurch eine Ehe oder eine feste Partnerschaft geschlossen. Und 33 Prozent haben auch Geld für die Benutzung einer Dating-Site ausgegeben.

Aber es gibt auch negative Erfahrungen. So sagen 54 Prozent, sie wären jemanden begegnet, der sich online falsch dargestellt hat. Frauen geht dies deutlich öfter so als Männern. Das ist allerdings nicht weiter verwunderlich, denn auch die Offline-Bühnen des Kontaktmarktes dienen nicht zur Wahrheitsfindungen, sondern zur Verführung der sexuellen Selektion durch schönen Schein über Verhalten, Schminke, Kleidung, Schönheitschirurgie etc. 28 Prozent geben an, sie seien über Dating-Sites von jemanden angemacht oder belästigt worden.

Auch das ist im realen Leben nicht anders. Wahrscheinlich ist eher, dass Online-Dating durch bessere Vorauswahl und stärkere Ausschaltung des Zufalls negative Erfahrungen der oben genannten Art reduziert. Das ist neben der Aussicht, weniger Zeit zur Partnersuche aufwenden zu müssen, wohl auch der Sinn der Online-Kontaktbörsen. Das Internet oder Handys erleichtern und beschleunigen schließlich auch die Beendigung von Beziehungen. Man muss sich nicht mehr Face-to-Face treffen und Unangenehmes im Angesicht des Anderen sagen, der dann auch etwas zu sagen hat, man schreibt einfach eine SMS oder eine Email und das war es dann. 17 Prozent der Befragten haben dies auch schon mal so gemacht. Und man sucht präventiv, bevor man etwas eingeht, schon mal Facebook und Co., ob man auf etwas stößt, was negativ ist.

Der Zufall hat ausgedient

Warum wird der reale Raum zur Suche nach sexuellen Partnern aber immer unattraktiver? Das geht leider aus der Umfrage nicht wirklich hervor. Es wurden lediglich einige vorgegebene Optionen abgefragt, warum die Benutzer von Dating-Sites das gemacht haben. Und weil auch noch Mehrfachantworten möglich waren, werden die Gründe noch diffuser. Interessant und erst einmal wenig verwunderlich ist, dass die Mehrzahl (60 Prozent) sagt, sie würden Dating-Sites benutzen, um Menschen zu begegnen, die ähnliche Interessen oder Hobbies haben.

Man kann sich fragen, ob dies eine gute Option ist, auch wenn die Online-Welt so konstruiert ist (wer dies gekauft hat, hat auch jenes gekauft; wer dies gesucht hat, hat auch jenes gesucht etc.). Algorithmen verwalten den Terror der Ähnlichkeit und der Zuordnung. Entstehen soll eine vertraute Welt, die sich abschottet vom Fremden und Unbekannten. Aber was ist ein Leben, das zufällige Begegnungen, den Kontakt mit Fremden und Widersprüchlichen ausschließen will? Beziehungen leben vermutlich nicht nur durch Ähnlichkeiten, sondern auch durch Fremdheiten. Das macht den Anderen interessant. Wenn man aber die Möglichkeit hat, schon im vornhinein auszuschließen, was einem überhaupt nicht passt, vermeidet man die Zwänge, die man bei der Partnerwahl bei geringerer Auswahl möglicherweise eingeht, um die Suche zu beenden.

46 Prozent benutzen Dating-Sites, um langfristige Beziehungen oder eine Heirat einzugehen. Das weist auf eine Ambivalenz hin, denn 25 Prozent sagen, sie wollen nur andere Menschen finden, um mit ihnen Spaß zu haben, ohne eine feste Beziehung einzugehen. Ein Drittel gibt an, keine Zeit zu haben, um anderweitig interessanten Menschen zu begegnen. Das ist aber auch eine Frage des Anspruchs, der wohl höher geworden ist, einen "angemessenen" Partner zu finden.

Aber selbst wenn die Menschen ihnen angemessenere Partner aufgrund der größeren Auswahlmöglichkeiten finden, bleibt die Frage, ob auch die Zufriedenheit wächst. Da es im Prinzip immer eine bessere Option gibt, ist eine Bindung ein Ausschluss der Optimierung und der Freiheit, also eine Art der Selbstkasteiung. Hält man mithin im Supermarkt der möglichen Kontakte eine langfristige oder gar dauerhafte Beziehung überhaupt noch aus? Oder anders gefragt: Ist vielleicht eine Partnersuche unter der Bedingung der Knappheit oder des Zufalls nicht interessanter, d.h. abenteuerlicher? Ganz im Sinn: No risk, no fun.