Pentagon meldet den Fund eines mobilen Biowaffenlabors im Irak

Noch wurden keine Beweise für die Existenz von Massenvernichtungswaffen gefunden

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Nach bislang erfolgloser Suche und vielen Meldungen, die sich schnell als voreilig und falsch herausgestellt hatten, hat nun das Pentagon offiziell verlautbaren lassen, einen ersten Beweis für das vermutete Programm mit Massenvernichtungswaffen gefunden zu haben. Es soll sich um ein mobiles Labor für Biowaffen auf einem Lastwagen handeln, wie es von US-Außenminister Powell in seiner Rede vor dem UN-Sicherheitsrat beschrieben worden ist.

Das gefundene mobile Labor

Sicherheitshalber wird in der US-Regierung von der Existenz von Massenvernichtungswaffen nach den vielen Flops und den fehlenden Beweisen kaum mehr gesprochen, auch wenn dies und die unmittelbare Bedrohung der USA durch diese Waffen der Grund war, den die Bush-Regierung als Rechtfertigung des Krieges der Weltöffentlichkeit präsentiert hatte. In den USA selbst scheint nach dem schnellen Sieg das alles keine große Rolle zu spielen, im Ausland und auch für die Entscheidung im UN-Sicherheitsrat über die von den USA und ihren Alliierten geforderte Beendigung der Sanktionen ist jedoch wichtig, ob das Völkerrecht mutwillig durch falsche Behauptungen gebrochen wurde.

Gestern gab Stephen Cambone, der Staatssekretär des Pentagon für die Geheimdienste, bekannt, dass die Truppen der Alliierten am 19, April an einem kurdischen Kontrollpunkt in der Nähe der nordirakischen Stadt Tall Kayf einen Sattelschlepper entdeckt hatten. Erste Untersuchungen von britischen und amerikanischen Experten hätten ergeben, dass die Installationen keinen anderen Zweck haben könnten als die Produktion von biologischen Waffen. Das Innere des Containers würde den Beschreibungen sehr ähneln, die Außenminister Powell in seiner Rede gegeben hatte (Nichts als die Wahrheit oder Onkel Powells Märchenstunde?). Die Beschreibungen waren von einem irakischen Überläufer gekommen, der gleich von 18 solcher mobilen Labors gesprochen hatte. Die Behauptungen von Überläufern müssen in aller Regel mit großer Vorsicht behandelt werden.

Die von Powell präsentierten Zeichnungen

Nach Cambones Angaben sei der Anhänger mit militärischen Tarnfarben bestrichen worden. In ihm habe man einen Fermenter, Gaszylinder zum Filtern der Luft und ein System gefunden, mit dem sich "jede Spur der Produktion" zerstören ließe. Es sei, wie Cambone sagt, mit einer "sehr ätzenden Substanz" gesäubert worden. Bislang habe man nicht feststellen können, ob damit jemals biologische Waffen hergestellt worden seien. Das Fahrzeug werde jetzt nach Bagdad gebracht, um es zu zerlegen und nach Resten biologischer Substanzen zu durchsuchen.

Viele Vermutungen und dürftige Funde

Noch also ist das keineswegs ein "rauchender Colt", aber dass nun das Pentagon selbst diesen Fund ohne Endergebnis meldet, weist auf den enormen Druck hin, unter dem man steht. Sicherheitshalber räumt Cambone noch einmal die Schwierigkeiten ein, handfeste Beweise für die Massenvernichtungswaffen zu finden, die es im Irak nach den Aussagen der britischen und amerikanischen Regierung geben soll. Viele Experten von den USA und aus anderen Ländern würden den ganzen Irak absuchen. Die "mobile exploitation teams" des Pentagon befragen Iraker, untersuchen verdächtige Orte und wühlen Dokumente, Festplatten udn andere Informationsquellen durch: "Wir haben hier einen stark iterativen Prozess an dem Kriegsschauplatz, bei dem wir versuchen, aus jedem Informationsstück zum nächsten Schritt zu gelangen, um das Puzzle aufzulösen, das das Programm der Massenvernichtungswaffen ist."

Bislang habe man 70 der 1.000 möglichen Orte untersucht, an denen Produktions- oder Lagerorte von Massenvernichtungswaffen vermutet werden. Nach Cambone werden jeweils vier Proben genommen, die dann vor Ort, in US-Labors und ein Labor außerhalb der USA untersucht werden. Cambone wusste nicht, welches Land das ist. Ob das allerdings schon ausreicht, um die Weltöffentlichkeit davon zu überzeugen, dass keine Manipulationen vorgenommen oder wurden? Vermutlich kaum. Noch weigert sich die US-Regierung, die UN-Inspektoren zur neutralen Überprüfung wieder ins Land zu lassen. Blix und ElBaradei haben vielfach auf die Fälschungen und leeren Behauptungen hingewiesen, die die britische und amerikanische Regierung gemacht haben und sind daher wohl noch mehr als jemals zuvor unerwünschte Personen.

Um den Schein der Neutralität zumindest aufrechtzuerhalten, seien zu den angeblich 600 Experten vom CIA, der Defense Intelligence Agency, der Defense Threat Reduction Agency oder dem FBI, die als "75th Group" bislang die Untersuchungen durchführen, auch internationale Experten und einzelne Personen gekommen, die bereits als UN-Waffeninspektoren gearbeitet hätten. Auch hier konnte Cambone niemanden nennen. Ende Juni werde diese Gruppe durch die Iraq Survey Group ergänzt, zu der weitere 1.300 Experten gehören.

Angeblich würden derzeit, wie die konservative Washington Times berichtet, "viel versprechende" Dokumente vom US-Militär überprüft, aus denen sich ein umfassendes Bild des irakischen Programms für Massenvernichtungswaffen herstellen ließe. Tom Woloszyn, der für das Hauptkommando für Massenvernichtungswaffen zuständig ist, sagte, dass einige Dokumente Bestellungen Chemikalien enthalten würden, aus denen sich chemische Waffen herstellen lassen können. Das hört sich freilich nicht besonders bedeutsam an, zumal viele Chemikalien Dual-use-Materialien sind.

Überdies beklagt Woloszyn, dass viele irakische Wissenschaftler aus Angst vor Bestrafung ihre Informationen zurückhalten würden und dass Teile des Programms von diesen oder von Plünderern bereits aus dem Land gebracht worden sein könnten. Tatsächlich besteht die Besorgnis, dass aufgrund des mangelnden Schutzes nach der Eroberung durch die US-Truppen nun tatsächlich radioaktives Material von Plünderern aus dem Irak in die Hände von Terroristen gelangen könnte, um damit eine "schmutzige Bombe" herzustellen. Unter anderem seien Plünderer im Nuklearen Forschungszentrum Tuwaitha gewesen, das als Bestandteil des angeblichen Atomwaffenprogramms gilt. Zumindest gibt es hier ausreichend angereichertes Uran. Allerdings ist unklar, ob Plünderer neben anderen Dingen wie Computern wirklich auch radioaktives Material entwendet haben.

Auch William S. Wallace, der Kommandeur der Army im Irak, versichert, die Truppen hätten genügend Dokumente gesammelt, um nachweisen zu können, dass es ein solches "aktives Programm für nichtkonventionelle Waffen" gegeben habe, ohne näher zu sagen, was er darunter versteht.. Dass sie nicht eingesetzt wurden, erklärt er sich dadurch, dass die dafür Verantwortlichen das lieber gelassen haben könnten, weil man sie mit PsyOp-Aktionen wie Flugblättern entsprechend gewarnt habe. Er meinte aber auch wie andere schon zuvor, dass die Invasion einfach so schnell erfolgt sei, dass die Iraker keine Zeit gehabt hätten, ihre gut verbuddelten Waffen auszugraben. Auch durch Wiederholung dürfte das nicht alle überzeugen.