Pentagon will Raketen im Weltraum stationieren

Brillant Pepple: SDI-Konzept aus den 1980er Jahren für Abfangraketen im Weltraum. Jede Pepple befand sich in einem Gefährt (life jacket), das sich beim Abschuss öffnet. Bild: MDA

Die Rede ist von satellitengestützten Sensoren und Raketen gegen Marschflugkörper und Hyperschallraketen und von der Bewahrung der internationalen Ordnung im Weltraum

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Was immer auch im Weißen Haus los ist, so ist klar, dass Präsident und Kongress vereint die militärische Aufrüstung der USA gegen China und Russland weiter vorantreiben, die gleichfalls in die Aufrüstungsspirale eingetreten sind. In Washington sieht man die globale Vorherrschaft der USA gefährdet. Dabei geht es, wie schon im Kalten Krieg, um die Vorherrschaft im Weltraum, also den letzten Bereich, in dem es noch keine Angriffswaffen gibt, nachdem der Cyberspace zuvor schon für den Cyberwar und Cyberwaffen gerüstet wurde. Nach der Eröffnung des National Space Defense Center im Frühjahr, hat US-Präsident Donald Trump im Sommer den Aufbau eines Weltraumkommandos angeordnet (Pentagon plant nach dem Cyber- auch ein Weltraumkommando). Das ist umstritten, aber es folgt der Logik, mit der bereits das Cyberkommando aufgewertet wurde und die Regeln für den Einsatz von Cyberwaffen gelockert wurden (Trump hat den Einsatz von Cyberwaffen vereinfacht).

Deutlich wurde nun Michael Griffin, Staatssekretär für Forschung und Entwicklung im Pentagon. Der frühere Nasa-Chef war bereits dabei, als während der Präsidentschaft von Ronald Reagan die Strategic Defense Initiative (SDI), auch Star Wars genannt, eingerichtet wurde, nach dem zur Abwehr von Raketen auch die Entwicklung von Weltraumwaffen vorgesehen war. Daraus hat sich schließlich das Raketenabwehrsystem National Missile Defense (NMD) ergeben, das George W. Bush mit dem einseitigen Ausstieg aus dem ABM-Vertrag ausgebaut hat, was entscheidend für den eskalierenden Konflikt mit Russland und das daraus entstandene Wettrüsten war. Weil, so Griffin letzten Monat auf dem Space & Missile Defense Symposium, die Bedrohung durch Hyperschall-Langstreckenraketen, die China und Russland entwickeln und bereits testen, größer werde, müsse man zu deren Abwehr neben Sensoren auch Waffen im Weltraum stationieren.

Die vorhandenen Sensoren auf Satelliten und Radarsysteme seien nicht in der Lage, Hyperschallraketen oder -drohnen rechtzeitig zu entdecken und zu verfolgen. Man habe nicht die Systeme, "mit denen wir global, umfassend, andauernd, rechtzeitig und multimodal sehen können, was überall und jederzeit auf der Erde geschieht". Das klingt schon sehr nach dem Auge Gottes. Es sind also neue Sensoren für die gegnerischen Hyperschallraketen notwendig, aber auch für die eigenen: "Wir müssen wissen, wo die Ziele sind." Absolut seien neue Sensoren im Weltraum notwendig, um auch niedrigfliegende Ultraschall-Raketen zu erkennen, und "wahrscheinlich" im Weltraum stationierte Raketen, die in der Lage sind, Marschflugkörper in der Startphase abzuschießen, wenn die Sprengköpfe noch nicht von der Rakete getrennt sind.

Es sei "relativ einfach", Sensoren und Abfangraketen im Weltall zu positionieren, meinte Griffin. Die bislang verbreiteten Kosten seien "unrealistisch" und "naiv". Er geht von 20 Milliarden US-Dollar aus, um ein Netzwerk von Satelliten einzurichten, von denen tausend Abfangraketen, die jeweils eine Tonne wiegen, abgefeuert werden können. Aber solche Zahlen dürften eher ein Versuch sein, die Kosten herunterzuspielen. Man habe in den letzten Jahren schon mehr bezahlt, sagte er, und weniger bekommen. Er sei der Menschen überdrüssig, die immer meinen, Weltraumwaffen seien zu teuer.

Aus dem Weltall können allerdings tieffliegende Hyperschallraketen nicht abgeschossen werden. Dazu müssten die Raketen, um den Eintritt in die Atmosphäre zu überstehen, gegen die Hitze geschützt werden, was Griffin als vermutlich zu schwierig bezeichnete. Dagegen könnten Marschflugkörper, sobald sie die Atmosphäre verlassen, durch weltraumgestützte Raketen abgeschossen werden, die dazu nur das Vakuum durchqueren müssen.

Auffällig ist, worauf man bei Breaking Defense hinweist, dass Griffin nur von Raketen, nicht von Laserwaffen sprach, die er nur als vielversprechende Möglichkeiten bezeichnete. Offenbar soll es dieses Mal mit einer neuen SDI schneller gehen, von Laserwaffen hatte man schon in den 1980er geträumt, diese weltraumtauglich zu machen, ist noch ein weiter Weg, da dazu große Energie notwendig wäre. Im April hat er allerdings noch verkündet, es könne in wenigen Jahren ein Megawatt-Laser in den Weltraum gebracht werden.

Rüstungswettlauf zur Bewahrung der von den USA dominierten internationalen Ordnung

Interessant ist, wie Griffin die Aufrüstung im Weltall mit Vorschlägen Russlands und Chinas zu einem Rüstungskontrollabkommen für von Weltraumwaffen zusammenbringt. Die beiden Länder würden damit nur versuchen, die USA daran zu hindern, Waffen in den Weltraum zu bringen, während sie selbst solche wie Antisatellitenraketen, Laserwaffen oder kleine Satelliten zum Angriff auf Satelliten entwickeln. Die jetzige von den USA kontrollierte und auf Regeln gestützte internationale Ordnung werde bislang von der amerikanischen Militärmacht, vor allem in der Luft und auf den Meeren, bewahrt, sei aber von autoritären Staaten wie China und Russland bedroht.

Deswegen, so die Schlussfolgerung des Raketenmanns aus dem Kalten Krieg, müsse die Ordnung verteidigt werden: "Und um diese Ordnung zu verteidigen, müssen wir jetzt in den Weltraum für die Sensorenschicht und die Möglichkeit der Machtprojektion gehen." Danach gefragt, wie Russland und China darauf reagieren werden, sagte er, deren Sorgen seien irrelevant.

Bislang ist es mit den Weltraumabkommen wie dem Outer Space Treaty verboten, Massenvernichtungswaffen wie Atomwaffen in den Weltraum zu bringen. Das aber lässt die Türe für andere Waffen offen. Die niedrigste Stufe wären kleine Satelliten, mit denen sich andere Satelliten aus dem Weg schubsen lassen könnten, um sie so unschädlich zu machen, ohne sie zu zerstören. Seit 2008 haben Russland und China Vorschläge entwickelt, die Einbringung von Waffen in den Weltraum und die Androhung oder Anwendung von Gewalt gegen Weltraumgegenstände zu verhindern. Das stieß und stößt weiterhin auf den Widerstand der USA.

2015 hatte die UN-Generalversammlung die Resolution 70/27 verabschiedet, in der die Staaten aufgefordert werden, ein Wettrüsten im Weltraum zu verhindern. Von Erststationierung ist hier nicht die Rede. 2014 hatte Russland einen Resolutionsentwurf eingereicht, der verhindern sollte, Waffen im Weltraum zu platzieren (No First Placement of Weapons in Outer Space - NFP). Dagegen stimmten mit den USA die Ukraine, Israel und Georgien, 126 Staaten stimmten zu. 2016 reichten Russland und Venezuela eine Gemeinsame Erklärung bei der UN-Abrüstungskonferenz ein, nicht zuerst Waffen in den Weltraum zu bringen.

Im Oktober 2017 lehnten die USA noch einmal einen erneuten russischen NFP-Resolutionsentwurf ab. Als Grund wurde vorgebracht, dass nicht eindeutig definiert ist, was eine "Waffe im Weltraum" ist, und dass es nicht möglich sei, "effektiv die politische Verpflichtung eines Staates zu bestätigen, nicht zuerst Waffen in den Weltraum zu bringen". Es sei in dem Entwurf auch nicht die Rede von "terrestrisch gestützten Antisatellitenwaffen". Die Resolution sei überdies "ein Beispiel für Chinas Versuche, "seine Sicht des Multilateralismus und der globalen Geopolitik der internationalen Politik aufzuerlegen. Die USA können dieser Sprache nicht zustimmen."

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