Permanente Wachsamkeit und andauernde Terrordrohung
Nachdem die US- und die britische Regierung ein Warnsystem eingeführt haben, gab es niemals Entwarnung
Wenn man einmal ein System eingeführt hat, das die Gefährdung durch Terrorismus öffentlich meldet, so scheint die Tendenz der Bürokraten dahin zu gehen, das Altbewährte beizubehalten, geschehe, was wolle – oder was nicht geschieht.
Seit Jahren pflegt die US-Regierung der Bevölkerung durch das "Homeland Security Advisory System" mitzuteilen, dass die Gefahr von Terroranschlägen in den USA unverändert "erhöht" ist, was schön in der Mitte liegt. Vor sieben Jahren am 12. März 2002 eingeführt, hielt man es für angemessen, höchstens mal kurzfristig die Warnstufe zu erhöhen, sie aber nie auf "mäßig" oder "gering" zu senken (Kampf zwischen Zivilisation und Chaos). Bezeichnenderweise ist nicht vorgesehen, dass es kein Terrorrisiko gibt. Sieben Mal wurde von "gelb" auf "orange" (hohes Risiko) und einmal für 3 Tage im August 2006 auf "rot" erhöht.
Die Bush-Regierung lebte politisch von der terroristischen Bedrohung, die sie daher aufrechterhalten musste. Opportun war auch, die Gefahr stets hoch zu lassen, denn dann konnte man ja immer sagen, dass man doch gewarnt hatte, auf der Hut und vorbereitet war. Bei "erhöhtem" Risiko sind die Bürger aufgefordert, wachsam zu sein, ihre Umgebung zu beobachten und Verdächtiges sofort zu melden, Zudem wird jeder angehalten, ein Notfallpaket bereit zu halten und mit seiner Familie einen Notfallplan ausgearbeitet zu haben.
Auch wenn der neue US-Präsident den "Change" auf seine Fahnen geschrieben hat, so will er bislang nicht von der erhöhten Gefahrenstufe lassen, obgleich Kriminalität, Gangs, das in Kämpfen mit und zwischen Drogenbanden ins Chaos versinkende Mexiko und die Wirtschaftskrise weitaus drängender sind. Allerdings kann das Weiße Haus auch darauf setzen, dass die permanent aufrechterhaltene Warnung aus der Aufmerksamkeit herausgefallen ist, während man sich gleichzeitig weiter politisch absichert, sollte sich doch etwas ereignen. Ähnlich wird ja hierzulande, allen voran vom Bundesinnenminister, verfahren, wenn man von einer potenziellen oder abstrakten Gefährdungslage spricht, die unverändert hoch sei. Das erlaubt auch weiterhin, neue Maßnahmen zur inneren Sicherheit durchzudrücken, die stets erst einmal mit der Terrorgefährdung legitimiert und dann auf andere Bereiche erweitert werden, wie dies gerade bei der Online-Durchsuchung geschehen soll.
Nach unterbrechungslos verordneter Erregung stellt sich notwendig Apathie ein und wird die Warnung, falls sie nicht von der Wirklichkeit bestätigt wird, nicht mehr ernst genommen, was freilich dann auch zum Problem werden kann, wenn es tatsächlich einmal zu einer konkreten akuten Bedrohung kommen sollte.
Während das US-Heimatschutzministerium unter der neuen Leitung die Warnstufe sozusagen klammheimlich beibehält, prescht die britische Regierung erneut vor. Sie hat nach dem Vorbild der USA ein ähnliches Warnsystem eingeführt, das nach den Anschlägen auf die Londoner U-Bahn seit 1. August 2006 zwischen einer "ernsten" (severe) und einer "unmittelbar drohenden" (critical) Gefahr eines Anschlags warnt. In Großbritannien wurde selbst die mittlere Stufe (substantial) nicht benutzt, geschweige denn "moderate" (ein Anschlag ist möglich, aber nicht wahrscheinlich) oder gar "low" (ein Anschlag ist unwahrscheinlich). Auch hier ist keine prinzipielle Entwarnung vorgesehen.
Zweimal wurde die Warnung von "severe" auf "critical" hochgesetzt. Seit Juli 2007 ist die Gefahrenstufe "severe", die heißen soll, dass ein Anschlag sehr wahrscheinlich ist. Neben der Bedrohung durch al-Qaida und damit verbundene Netzwerke wird für Nordirland auch von diddidenten IRA-Gruppen gewarnt. I
n Fortsetzung der Antiterror-Politik der Labour-Regierung warnt das britische Innenministerium nun nicht wieder davor, dass die größte Bedrohung Großbritanniens von al-Qaida ausgeht, sondern rüstet auch die "zweite Verteidigungslinie" auf. Innenministerin Smith spricht von einer umfassenden Antiterrorstrategie, die erforderlich sei, weil es keinen Bereich in Großbritannien gäbe, der frei von Terrorbedrohung sei. Besorgt wegen der Angriffe auf die Hotels in Mumbai wird befürchtet, dass Terroristen oder Militante Anschläge während des G20-Gipfels planen könnten ("Reclaim the Money"). Angeblich gehen die Sicherheitsbehörden von der höchsten Gefahrenstufe aus. Neben den Sicherheitskräften wurden in der "zweiten Linie" nun auch 60.000 Zivilisten für Antiterrormaßnahmen trainiert: von kommunalen Angestellten bis zu Mitarbeitern in Hotels oder Einkaufszentren.
Tens of thousands of men and women throughout Britain - from security guards to store managers - have now been trained and equipped to deal with an incident and know what to watch for as people go about their daily business in crowded places such as stations, airports, shopping centres and sports grounds.
Gordon Brown
Premier Gordon Brown sieht die Antiterror-Maßnahmen, die am Dienstag vorgestellt werden sollen, als "weltweit führend in ihrem Umfang" an. Mitten in der Finanz- und Wirtschaftskrise steckend, die manche Geheimdienstmitarbeiter bereits als gefährlicher als den Terrorismus bezeichnen, will Brown am eingefahrenen Weg festhalten. Der Schutz der Briten vor dem Terrorismus sei die "wichtigste Aufgabe der Regierung" erklärt er. Großbritannien sei weiterhin bedroht von Terroranschlägen von al-Qaida. Erforderlich sei eine permanente Wachsamkeit. Die Polizei von London hat erst vor wenigen Tagen eine neue Antiterror-Kampagne mit dem Slogan gestartet: "Don't rely on others. If you supect it report it. "